Da stehen sie, in der Sonne des Südens, bunt wie Ostereier: Die Oldtimer, mit denen wir die Albaner Berge erobern wollen. Fiat 500 sind dabei, klein und knuddelig, Alfa Spider, verführerisch in rot und oben ohne, eckige Giulia-Limousinen. Wir können uns nicht so recht entscheiden und beschließen, alles auszuprobieren und uns an diesem Tag zu steigern – vom Winzling zum Sportwagen.
Zuerst also der Cinquecento. Wir hatten schon vergessen, wie klein dieses Auto war. Peter, eigentlich kein Riese, kann sich nur mittels artistischer Verrenkungen hinters Backelit-Lenkrad quetschen. Und schon geht’s los. Das Auto ächzt und zittert, nix da mit Bremsen, nur die Notbremse funktioniert. Aber wir fahren ja mit Begleitung, zwei Motorradfahrer eskortieren die Oldtimer-Schlange und halten die Straße für uns frei. So zuckeln wir gemütlich zu unserem ersten Halt, der Abbazia di San Nilo in Grottaferrata, 1004 – noch vor dem Schisma, der west-östlichen Kirchenspaltung – gegründet und immer wieder dem Zeitgeist angepasst. Ein stiller Ort, der zum Meditieren einlädt. Und ein einzigartiger Ort der Begegnung zwischen katholischer und griechisch-byzantinischer Tradition. Obwohl das Kloster dem Papst in Rom unterstellt ist, wird die Liturgie bis heute nach dem byzantinischen Ritus gefeiert. Ein Freskenzyklus in der Kirche erzählt das Leben des heiligen Nilus, der – aus einer reichen kalabresischen Familie stammend – zuerst Familienvater war und sich mit 30 Jahren für das Mönchstum entschied. Ziemlich einzigartig darunter ein Fresko, auf dem der Gekreuzigte den Heiligen segnet. Zwölf Mönche leben noch in dieser klösterlichen Abgeschiedenheit, sie lassen sich auch von unserer Oldtimer-Prozession nicht aus der Ruhe bringen.
Wir überlassen unseren Winzwagen einem anderen Paar und übernehmen die Alfa Romeo Giulia – immerhin eine Limousine und damit ein ganz neues Sitzgefühl. Und los geht’s! Es knirscht ganz schön im etwas eingerosteten Getriebe und das Lenkrad vor dem luxuriösen Edelholz-Cockpit macht, was es will. Ein Glück, dass Peter den Dreh raushat. „Das Auto ist so alt wie ich“, grinst er und lenkt unser Gefährt souverän über die kurvenreiche Straße, die uns entlang des Albaner Sees führt, dem Trinkwasser-Reservoir Roms. Von einem Aussichtspunkt aus blicken wir hinüber nach Castel Gandolfo, wo Ende März das historische Gipfeltreffen des emeritierten mit dem neu gekürten Papst statt gefunden hat.
Nächster Halt ist Genzano, ein Städtchen, das wie ein Häusernest auf einem Kraterrand thront. Wir stellen unsere Autos auf dem großen öffentlichen Parkplatz ab und besuchen Papa Sergio in seiner Bäckerei. Das Pane Carsareggio di Genzano ist weit über die Grenzen der Albaner Berge hinaus bekannt. Schon in der Tür zum Laden steigt uns der Duft nach frisch gebackenem Brot in die Nase, dankbar greifen wir nach den dicken weichen Scheiben mit der knusprigen Rinde, die Sergio von einem Laib herunter säbelt. In der Backstube schiebt Sohn Marco gerade die Pizza Bianca in den Ofen, gewürzt wird sie traditionell nur mit Olivenöl und Salz. Ein Genuss.
So gestärkt, nehmen wir den letzten Teil unserer Rundfahrt in Angriff. Unsere geparkten Oldtimer haben im Ort schon Aufsehen erregt. Grüppchenweise stehen Männer herum und diskutieren lautstark über die Vor- und Nachteile der alten Autos, ein kleiner Bub beäugt neugierig „unseren“ Fiat 500, ein Pärchen posiert vor dem feuerroten Alfa Spider, den wir uns reserviert haben. Peters Augen leuchten mit dem glänzenden Autolack um die Wette, als wir losfahren, begleitet vom sonoren Brummen des Motors. Mit Kopfstützen, elektrischen Fensterhebern und einem Make-up-Spiegel ist der Spider eindeutig das luxuriöseste Gefährt dieses Tages – und eines, das auffällt. Immer wieder bleiben Passanten stehen und winken.
Ein laues Lüftchen weht und zaust sanft die Haare. Wir schauen auf die schöne Landschaft ringsum und freuen uns darüber, dass der rote Flitzer so gut gelaunt die Straße entlang schnurrt. In Castel Gandolfo, seit den Lateranverträgen von 1929 Teil des vatikanischen Staatsgebiets, steigen wir noch einmal aus und schauen uns um am neuen Wohnsitz des alten Papstes. Der Ort ist überschaubar – eine Kirche, ein Rathaus, ein Brunnen, eine Hauptstraße. Unser Dichterfürst Goethe hat hier, wo die Päpste am liebsten Urlaub machten, einige Wochen verlebt – auch in der Gesellschaft der Malerin Angelika Kaufmann – und die idyllische Lage des päpstlichen Sommersitzes am tiefblauen Albaner See gepriesen. Der emeritierte Papst hat nun ausgiebig Zeit, diese landschaftlichen Schönheiten zu genießen.
Uns aber läuft die Zeit davon. Wir wollen noch schnell nach Nemi, dem uralten Städtchen an dem spiegelglatten Kratersee, der als Heiligtum der Göttin Diana galt. Am Hang über dem See hatte einst auch Julius Caesar eine Villa. Und Diana zu Ehren ließ Caligula zwei gigantische Schiffe auf dem See bauen, die jahrhundertelang auf dem Seegrund lagen. Mussolini ließ schließlich das Wasser abpumpen und die beiden antiken Schiffe bergen. 1944 fielen sie einem Brandanschlag deutscher Soldaten zum Opfer.
Heute hat sich Nemi als Hauptstadt der Walderdbeeren einen Namen gemacht. Ein intensiver Duft nach frischen Beeren liegt über den mittelalterlichen Gassen, überall stehen Körbe mit den kleinen roten Früchten, die prall sind vor Süße. Wir können nicht widerstehen und gönnen uns einen Eisbecher mit frischen Erdbeeren, die so rot sind wie der Lack des Alfa Spiders.
April 8, 2013
Die *Albaner Berge* im Oldtimer zu erkunden, das ist etwas ganz besonderes. Hier wäre ich als Oldtimer-Fan auch gerne dabei gewesen. Allerdings würde ich in dieser Gegend eher eines der Cabrios bevorzugen.