Gorizia – Stadt mit Vergangenheit

Es tut sich was in Gorizia oder Görz, wie die Stadt auf Deutsch heißt. Gemeinsam mit der slowenischen Schwesterstadt Nova Gorica wird das italienische Gorizia 2025 europäische Kulturhauptstadt. Seit Slowenien Mitglied der EU und auch dem Schengenraum beigetreten ist, wachsen die Städte, die 1945 geteilt wurden, wieder zusammen. An die Grenze erinnert mitten auf dem Bahnhofsvorplatz eine Plakette. Hier kann man mit einem Bein in Slowenien, mit dem anderen in Italien stehen.

Hier steht kann man mit einem Bein in Italien und dem anderen in Slowenien stehen.

Der Slogan „Go borderless!“ (grenzenlos gehen) ist hier Wirklichkeit wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der beiden Städte, die zusammen etwa 140 000 Einwohner haben. Mit der gemeinsamen Bewerbung zur Kulturhauptstadt rücken die Zwillingsstädte nun in den Blick europäischer Kulturreisender.

Hin und Her der Geschichte

Und die können so einiges entdecken, das sie mit dem Hin und Her in der Geschichte vertraut macht. Die Kurzfassung: Erstmals erwähnt wurde die Stadt 1001 als Schenkung des Kaisers Otto III. Seit dem Spätmittelalter war die Burg Sitz der Grafen von Görz.

Der Löwe über dem Tor zur Burg erinnert an die venezianische Zeit

Um 1500, nachdem das Geschlecht der er von Görz ausgestorben war, ging Görz an die Habsburger. Zwischendurch gehörte die Stadt zu Frankreichs illyrischen Provinzen, dann wieder war sie eigenständiges Kronland Österreich-Ungarns. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Görz ebenso wie Istrien Italien zugeschlagen und in Gorizia umbenannt. Der Zweite Weltkrieg führte schließlich zur Teilung der Stadt in einen italienischen und einen jugoslawischen Teil. Der bekam den Namen Nova Gorica.

Unterschiedliche Zwillingsstädte

Ein kleines Schmugglermuseum erinnert gleich nach der nicht mehr existierenden Grenze an die geteilte Vergangenheit. Es zeigt, wie findig die Menschen dabei waren, ihr Schmuggelgut über die Grenze zu bringen. Die Studentin, die sich als Museumswärterin ein bisschen Taschengeld verdient, kann sich kaum mehr an diese Zeiten erinnern. Und Besucher erkennen heute nur an der Sprache, in welcher der beiden Städte sie sich gerade befinden. Vielleicht auch noch an den Gebäuden. Nova Gorica entstand zum größten Teil am Reißbrett, der Bahnhof Transalpina ist das einzige Gebäude aus der k.u.k.-Zeit.

Der klassizistische Bahnhof ist noch ein Relikt aus der k.u.k. Zeit

Ganz anders Gorizia, wo man sich noch an diversen Palästen aus der Habsburger Zeit, an schattigen Parks, klassizistischen Stadtvillen und traditionellen Kaffeehäusern erfreuen kann.

Kriegs- und Modemuseum

Doch der Erste Weltkrieg hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Wie zermürbend der Stellungskrieg zwischen Österreichern und Italienern war, kann man im „Museo della Grande Guerra“ am Burgberg nachempfinden, wo nicht nur Waffen ausgestellt sind, sondern auch ein Schützengraben und ein Schlachtfeld in Szene gesetzt wurden. Der Frieden war mit Hunderttausenden Toten auf beiden Seiten hart erkämpft. Weiter zurück in die Geschichte führt das Modemuseum, das sich der Herstellung und Verarbeitung von Seite widmet. Die schönsten Exponate stammen aus der Barockzeit, prächtige liturgische Gewänder, feine Spitzen und üppige Roben.

Diese runde Seidenzwirnmaschine könnte die älteste ihrer Art sein.

Aber auch Webstühle und eine Seidenzwirnmaschine aus dem 18. Jahrhundert, wohl die älteste ihrer Art, machen Eindruck.

Bourbonengruft im Kloster

Eine andere Geschichte wird auf einem Hügel in Nova Gorica erzählt, wo im Franziskanerkloster Kostanjevica die Bourbonengruft zu finden ist. Hier fanden die letzten Mitglieder der französischen Königsfamilie, die 1830 aus Frankreich nach Görz kamen, ihre letzte Ruhe, darunter König Karl X. Im Garten des Klosters pflegen die fünf noch verbliebenen Mönche seltene alte Rosen, Bourbon-Rosen natürlich.

Bruder Marin im Rosengarten des Franziskanerklosters

Pater Marin ist einer von ihnen. 61 Jahre alt ist der joviale Mönch in der braunen Kutte, der gern die Schätze der Klosterbibliothek zeigt. Über 10 000 Bücher und Inkunabeln teilweise aus dem 16. Jahrhundert, werden hier aufbewahrt. Auch die erste Grammatik der slowenischen Sprache aus dem Jahr 1584.

Renaissance einer Straße

Chiara Canzoneri hat anderes im Sinn als Geschichte. Der schmalen, blonden 38-Jährigen geht es um die Zukunft der Via Rastello, einer traditionsreichen Straße im Borgo Castello. Im 18. Jahrhundert war diese Straße das Handelszentrum der Stadt. Doch heute bröckeln die Fassaden, viele Läden sind verrammelt, die Fenster blind. Chiara und ihr Verein, die Associazione Via Rastello, will den Niedergang stoppen, die alte Straße wieder beleben. Handwerker und Künstler sollen zurückkommen, Kneipen, Geschäfte und Cafés öffnen.

Chiara Canzoneri hofft auf neues Leben in der Via Rastello

Es ist noch ein langer Weg, auch wenn Chiara mit einem Haus, das sie gekauft hat, einen guten Anfang gemacht hat. Drei liebevoll restaurierte Räume vermietet die gelernte Küchenchefin, die in der Event-Gastronomie ihr Geld verdient, als B & B. Und in den nächsten sechs Monaten, hofft sie, könnten sechs Geschäfte wieder eröffnet werden. Dann müssten die Schaufenster nicht mehr mit leeren Töpfen oder Gläsern bestückt werden, und neues Leben könnte in die Straße einkehren. Nein, sie engagiere sich nicht wegen des Kulturhauptstadtjahres, sagt Chiara bestimmt. Ihre Pläne gehen weit über 2025 hinaus. Aber sicher könnten die Via Rastello und ihre Förderer auch vom Kulturhauptstadtjahr profitieren.

Winetasting mit Wayne

Ein Restaurant wie  die Trattoria alla Luna  mit ihrer verrückt-kitschigen Atmosphäre und der romantischen Liebesgeschichte der Wirtsleute würde gut in Chiaras Konzept passen. Hat das Luna doch eine lange Geschichte seit 1876 und pflegt eine traditionelle Küche. Auch Wayne Young mag das. Der kräftige New Yorker mit den halblangen Haaren, dem grau-melierten Bart und den freundlichen Augen ist „total vernarrt“ in die Gegend, die sich Friaul-Julisch Venetien nennt. Er kam aus beruflichen Gründen nach Friaul, erzählt Wayne, und er blieb der Liebe wegen.

Wayne weiß alles über die Weine der Gegend.

Heute arbeitet der gelernte Sommelier, der eigentlich einmal vergleichende Religionswissenschaften studieren wollte, als Wein-Botschafter. Natürlich ist er überzeugt, dass es in seiner neuen Heimat die besten Weine gibt. Und noch viel zu sehen für Touristen in einer „reichen Gegend abseits der ausgetretenen Pfade“.

Lob der Lebensqualität

Man glaubt dem Lebenskünstler gern, wenn er sagt, dass er „eine unglaubliche Lebensqualität“ genieße. Inzwischen spricht er fast schon wie ein Italiener und kann sich gar nicht mehr vorstellen, anderswo zu leben. Als er das letzte Mal nach vier Jahren Abwesenheit nach New York kam, erzählt er zwischen einem wunderbar leichten Ribolla Gialla und einem samtigen Merlot, „habe ich mich gefühlt wie ein Fremder“. Die Stadt vermisse er nicht, höchstens die Konzerte. Aber als Entschädigung dafür hat er hier ja die Weine. Und die sollen auch im Kulturhauptstadtjahr die Touristen nach Gorizia, Nova Gorica oder Görz locken. Womöglich könnte die Stadt sogar an alte Zeiten anknüpfen, als Casanova, Goethe, Kirchenfürsten und Adlige hier Station machten.

Kurz informiert

Anreisen z.B. mit Air Dolomiti von München nach Venedig. Mit dem Auto ist man dann in rund eineinhalb Stunden in Gorizia.
Wohnen In Gorizia gibt es Hotels in verschiedenen Preislagen, z.B. das Best Western Gorizia Palace im Zentrum der Stadt. DZ ab 89 Euro. Reizvoll ist das B & B von Chiara Canzoneri in der Via Rastello, DZ ab 85 Euro

Einladend sind die Zimmer im B&B von Chiara Canzoneri

Informieren Promo Turismo FVG, www.turismofvg.it

Hinweis Die Recherche wurde ermöglicht von  PromoTurismoFVG

2 Kommentare
  • Via Verde Reisen
    Juli 21, 2022

    Hallo Lilo, toller Blog mit schönen Texten – da könnten wir immer weiterlesen. 🙂 Wir wünschen dir alles Gute und viel Freude beim Reisen!

    • lilo
      Juli 24, 2022

      Danke, das freut mich!

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