Weihnachten – ein Fest des Lesens

Seit Jahren schon wird das Buch tot gesagt. Doch die Buchmesse hat wieder einmal gezeigt: Das gedruckte Buch ist lebendiger denn je. Das Rascheln von Papier beim Umblättern, die Haptik eines schönen Buchs, die großformatigen Bilder eines Bildbands – das gibt es eben nur in gedruckter Form. Wir haben uns auf dem Buchmarkt umgesehen und einige der schönsten Bücher herausgesucht, die zum Lesen und zum  Reisen im Kopf einladen.

Iran: Blick hinter den Vorhang

Stephan Orth hat den Iran als Couchsurfer bereist und sich in das widersprüchliche Land verliebt, so sehr, dass er am liebsten jedem einen Besuch im Iran verordnen würde. Schon, um die eigenen Vorurteile zu überwinden. Dabei kann auch der Bildband „Iran – Tausend und ein Widerspruch“ helfen, in dem Orth zusammen mit den Fotografen Samuel Zuder und Mina Esfandiari zeigt, wie die Iraner den strengen Regeln der Mullahs trotzen, wie sie ihre eigene Geschichte entdecken, wie Frauen sich kleine Freiheiten erkämpfen. Der Blick hinter den Vorhang und in den iranischen Alltag zeigt aber auch, wie stolz die Menschen sind und dass die Drohungen des amerikanischen Präsidenten ein gefährliches Spiel mit dem Feuer sind. Ein Bildband zum Lesen und Schauen.
Info: Stephan Orth, Samuel Zuder, Mina Esfandiari. Iran- Tausend und ein Widerspruch, National Geographic, 192 S., 40 Euro

Berge: Eine Auseinandersetzung

„Deine Idee finde ich gut,“ schrieb Reinhold Messner dem Fotografen Uli Wiesmeier, der den legendären Südtiroler als „Fels in der Brandung“ fotografieren wollte. Messners Zusage war der Startschuss für Wiesmeiers hoch ambitionierter Buchprojekt „Berg…“, eine fotografische Auseinandersetzung mit dem Thema Berg – mit Bergsteigern, Bergbahnen, Bergbauern, Berghütten, Bergstraßen, Bergtourismus bis hin zu Bergtod. Wiesmeier hat das alles eindrucksvoll in Szene gesetzt, die knorrigen Bergbauern und ihre widerspenstigen Jungen, die zarten Gespinste der Bergbahn-Drahtseile, die blau-grünen Augen der Bergseen, die schroffen Gipfel im zersplitterten Eis, die möblierten Berge und die Bettenburgen und die Alpen als Spielplatz, aber auch die Architektur der Berge, die er in den Wolkenkratzern wieder erkennt. Und schließlich die unvergängliche Schönheit der Bergblumen. Stephan König hat zu den großartigen Bildern Texte geschrieben, die das Lesen lohnen. Wer sich in dieses  schöne Buch vertieft, könnte tatsächlich einen neuen Blick auf die Berge gewinnen.
Info: Uli Wiesmeier. Berg…, Knesebeck, 328 S., 75 Euro

Welterbe: Urwälder und Industriedenkmäler

Das Unesco-Welterbe ist ein begehrter Titel, aber auch eine Verpflichtung. Weil Dresden mit dem Bau der Waldschlösschenbrücke dagegen verstieß, verlor das Dresdner Elbtal den Welterbestatus. In dem opulenten Bildband „Welterbe – Deutschlands lebendige Vergangenheit“ ist es deshalb nicht mehr abgebildet. Dafür können sich die Betrachter an brillanten Fotos von Urwäldern, Naturparks, Klöstern und Industriedenkmälern erfreuen, die beweisen, wie reich Deutschland an Natur und Kultur ist, die es zu erhalten gilt. Ob Bamberg, das „fränkische Rom“, die Würzburger Residenz oder das Gartenreich Wörlitz, ob die Speicherstadt in Hamburg, die Zeche Zollverein oder die Fossilienlagerstätte Grube Messel – der Fotograf Günther Bayerl geht bei seinen fulminanten Fotografien bis ins kleinste Detail, Florian Heine steuerte die geschichts- und kulturbewussten Texte bei. Lesen und staunen!

Info: Günther Bayerl, Florian Heine. Welterbe – Deutschlands lebendige Vergangenheit, Frederking & Thaler, 321 S., 95 Euro

Deutschland: Aus fremden Blickwinkeln
Schon erstaunlich, wie unterschiedlich die Eindrücke von Deutschland sein können. Für Montesquieu sind die Bayern die dümmsten Deutschen. „Die Sachsen haben mehr Geist, aber sie sind die schlechtesten Soldaten,“ schreibt der Baron 1729. Ein anonymer Venezianer dagegen rühmt 1708 die Schönheit der bayerischen Städte wie Augsburg oder Nürnberg, und Thomas Wolfe lässt sich 1927 von den Trink- und Feierfreude der Bayern beim Oktoberfest anstecken, während Simone de Beauvoir 1934 über das „große Theater“ der Passionsspiele staunt und doch schon ahnt, was mit Hitler auf Deutschland und die Welt zukommen würde. Rainer Wieland hat in einer erstaunlichen Fleißarbeit die Berichte von Deutschlandreisenden über einen Zeitraum von 2000 Jahren zusammengetragen, von Feldherren und Philosophen, von Adligen und Wanderpredigern, von Künstlern und Politikern. Natürlich darf Caesar sich über die Germanen auslassen, Mark Twain über den Neckar plaudern und Madame de Stael über Deutschland und die Deutschen philosophieren, darf Hans Christian Andersen von seiner Wanderung in der Sächsischen Schweiz erzählen und Mary Shelley von ihrer Kur in Bad Kissingen. Man blättert durch die schön gestalteten Seiten und wird beim Lesen überrascht von den oft schmerzhaft ehrlichen Eindrücken der Reisenden über dieses seltsame Land, das Deutschland heißt.
Info: Rainer Wieland. Das Buch der Deutschland-Reisen – Von den alten Römern zu den Weltenbummlern unserer Zeit, Propyläen, 510 S., 48 Euro

Afrika: Ein Aufschrei des frühen Mankell
Henning Mankell ist bei uns vor allem als Vater des griesgrämigen Kommissars Wallander bekannt geworden. Doch Mankell, der lange zwischen Schweden und dem afrikanischen Mosambik pendelte, hat auch politisch engagierte Romane über seine Wahlheimat geschrieben. In dem Roman „Der Sandmaler“, erschienen 1974, hat er seine ersten Eindrücke von Afrika in einer Art Bildungsroman verarbeitet. Im Mittelpunkt stehen zwei junge Schweden, die ganz unterschiedlich auf den afrikanischen Alltag reagieren. Der titelgebende Sandmaler ist ein junger Schwarzer, der Bilder in den Sand ritzt und sie mit politischen Botschaften versieht. Diese Sandmalereien schenkt er der jungen Schwedin mit den Worten, dass sie die Bilder leider nicht mitnehmen könne, wie die Touristen es sonst mit allen anderen Dingen machen. Der Roman ist ein Aufschrei gegen Kolonialismus und Unterdrückung – auch gegen den „Touristenimperialismus“.
Info: Henning Mankell. Der Sandmaler, Zsolnay,155 S., 20 Euro

Jugendbuch: Poetisches Roadmovie
„Dein Leben ist ein springender Delfin./Ein kurzer Moment/herrlicher Schönheit und Möglichkeit,/ehe du in die Leere zurückkehrst.“
Der 13-jährige Marty hat dieses Gedicht für seinen Bruder Charlie geschrieben, einen ganz besonderen Bruder. Denn Charlie, der manchmal wirkt als hätte er Matsch in der Birne, hat das Gefühl für das Wesentliche, für das, was das Leben ausmacht. Mark Lowery erzählt in dem hoch emotionalen Jugendroman, den Dr. Uwe-Michael Gutzschhahn mit viel Feingefühl ins Deutsche übertragen hat, von einer Reise nach Cornwall, die die Fantasie beflügelt. Von Kindern, die Erwachsene das Wundern lehren. Von Leben, Liebe und Tod. Vom Abenteuer des Unterwegsseins. Er lässt Marty Gedichte schreiben, die das Herz berühren, und gleich darauf grenzwertige Witze reißen. Chaotisch wie Martys Gefühlswelt ist auch die Reise, und während der Roman immer neue Volten schlägt, stellt man sich beim Lesen vor,  den mutigen kleinen Kerl dahin zu begleiten, wo der springende Delfin sein Leben und das seiner Familie für immer verändert hat.
Info: Mark Lowery. Wie ein springender Delfin, Rowohlt Rotfuchs, 221 S., 14,99 Euro, ab 10

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