Qatar: Geht’s auch eine Nummer kleiner?

Das Baby ist groß, mit vier Metern ein Riese. Es ist das letzte einer Reihe von 14 Skulpturen, die Damien Hirst 2013 in Doha vor das Medical and Research Hospital gestellt hat. Die „Miraculous Journey“, wie der Künstler seine Mega-Installation nennt zeigt die Entwicklung von der Befruchtung bis zur Geburt. Und das dank der gigantischen Ausmaße in allen Details. In einem islamisch geprägten Land wie Qatar eine Provokation. Erst seit kurzem präsentieren sich alle 14 Skulpturen unverhüllt. Und bei der schieren Größe stellt sich die Frage: „Geht‘s nicht auch eine Nummer kleiner?“

Das Baby von Damien Hirst vor der Klinik in Sidra ist 4 Meter hoch.

Das  Emirat schöpft aus dem Vollen

Die gilt übrigens für ganz Qatar. Denn das kleine Emirat mag‘s gerne groß, riesengroß. Das liegt auch daran, dass Geld hier keine Rolle spielt. Es liegt buchstäblich unter der Erde: Qatar verfügt nicht nur über riesige Erdölvorkommen, sondern auch über Erdgasvorräte, die jedes Jahr 30 bis 40 Milliarden Dollar in die Kassen des Emirats spülen und den Bürgern das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt bescheren. Das gilt allerdings nur für die Landeskinder, die mit 300 000 nur einen Bruchteil der 2,6 Millionen Einwohner stellen. Expats sind dabei, darunter 1500 Deutsche. Der Großteil aber sind Gastarbeiter, die nur einen sehr geringen Anteil am nationalen Wohlstand haben.

Den Burj Doha im Zentrum der Skyline von Westbay hat Jean Nouvel konzipiert.

Scheich Tamim bin Hamad Al Thani kann aus dem Vollen schöpfen, er engagiert Stararchitekten aus aller Welt und sorgt für einen Baumboom ohnegleichen.

Museum mit Alleinstellungsanspruch

Natürlich waren sie alle hier, die Architekten mit den großen Namen: Ieoh Ming Pei, der im Mai im Alter von 102 Jahren verstorbene Architekt der Glaspyramide im Pariser Louvre, hat das ikonische Museum für islamische Kunst geplant. Der Amerikaner mit chinesischen Wurzeln war schon weit über 90, als er mit der Konzeption beauftragt wurde. Selbstbewusst forderte er eine Alleinstellung seines Museums – und Qatar schüttete einfach Land auf. So macht man das in dem kleinen Land, das etwa halb so groß ist wie Hessen (aber natürlich viel reicher) und beim Geldausgeben keine Grenzen kennt.

Die Terrasse des Museums für islamische Kunst bietet einen grandiosen Ausblick auf die Skyline

Spielwiese für Architekten

Ein ganzer neuer Stadtteil ist auf Sand gebaut, mittendrin der Burj Doha von Jean Nouvel, ein runder Turm, der aussieht, als trüge er einen Überzug aus Spitze. Gleich daneben der Tornado Tower, dessen gedrehte dynamische Form an einen Wirbelsturm erinnert. Hier wird bald die Deutsche Botschaft einziehen. Um die Tornado-Struktur zu betonen, hat der hessische Lichtkünstler Thomas Emde, der in Doha eine Zweigstelle unterhält, ein Beleuchtungskonzept mit Lichtkörpern erarbeitet, die nachts die Knotenpunkte der Gitterstruktur nachzeichnen.
In Westbay, wie der seit 2004 entstandene Stadtteil heißt, konnten sich die Architekten austoben. Platzhirsch ist das von dem Libanesen Marwan Zgheib gegründete Architekturbüro MZ & Partners, das auch an der Energy City Qatar beteiligt ist – und natürlich auch am Bau der 32 für die umstrittene Fußball-WM geplanten Stadien.

Stadien, Bibliothek und Moschee

In Lusail, ebenfalls einem Stadtteil aus der Retorte, hat das Büro von Sir Norman Foster das Stadion für das Eröffnungsspiel wie eine goldene Schüssel geplant. An die Form von Dhau-Segeln erinnert das Al Wakrah Stadion, entworfen von Zaha Hadid Architects. Aber nicht nur in Westbay und in den Stadien haben sich die großen Namen der Architektur ein Denkmal gesetzt.

Auch vom Innenhof aus behält das Nationalmuseum die Form einer Wüstenrose.

Jean Nouvel hat auch das Nationalmuseum in Form einer Wüstenrose geplant, einen faszinierenden aber auch gigantischen Bau, in dem sich der ganze Nationalstolz des kleinen Landes zeigt. Und Rem Koolhaas hat die großzügige Nationalbibliothek, das Herz der Education City, konzipiert, wo eine Million Bücher ihren Auftritt haben wie in einem Theater.

Die Nationalbibliothek steht allen offen, die lernen, lesen oder spielen wollen.

Der lichtdurchflutete offene Raum lädt zum Studieren und zum Spielen ein – und zur Rückbesinnung auf das kulturelle Erbe. Die sogenannte heritage library, Erbe-Bibliothek, hat Koolhaas wie eine archäologische Ausgrabungsstätte im Zentrum der Halle versenkt. Glasvitrinen in den Travertin-Wänden präsentieren Kostbarkeiten des arabischen Schrifttums.
Gleich in der Nähe recken sich die zwei Minarette der neuen Moschee in den Himmel wie Startrampen in einem Weltraumbahnhof. Mangera Yvars Architects haben den ikonischen Bau für die Fakultät für Islamische Studien verwirklicht. Und für das Doha Visitors and Convention Center zeichnete der deutsch-amerikanische Architekt Helmut Jahn verantwortlich.

Auffallend schlank und modern sind die Minarette der neuen Moschee.

Schönheit bis in den Untergrund

Kein Wunder, dass der Scheich auch im Untergrund Wert auf schöne Architektur legt. Drei Linien sind geplant, eine ist eröffnet. Doha Metro ist eines der wichtigsten Bauprojekte im Vorfeld der Fußball-WM. Die hohe Wölbung der Räume und das auffällige Lichtkonzept schaffen in den Bahnhöfen eine fast sakrale Atmosphäre, zumal sie noch eher menschenleer sind. Das soll sich bald ändern. Bis zur WM sollen 38 Stationen fertig sein. Bei der Menge von Arbeitern, die auf Qatars Baustellen schuften, wohl keine unerfüllbare Vision.

Sitzordnung in den Familienabteilen der Metro.

Man denkt eben groß in dem Emirat – und kann es sich leisten. Auch die liegende Skulptur „Holiday“ von Kaw ist mit 30 Metern Höhe riesig. Die Installation soll nach dem Willen des Künstlers dazu anregen, in unserer hektischen Welt auch mal zu entspannen…

Kurz informiert

Anreisen. Qatar Airways fliegt direkt von Frankfurt und München den Hamad International Airport in Doha an. In der Economy gibt‘s den Flug ab 468 Euro: quatarairways.com

Einladung zum Relaxen: Das schöne Spa des Sharq Hotels.

Wohnen. Doha ist geprägt von Luxushotels, das höchste Gebäude etwa ist das Kempinski Hotel, eines der ältesten Gebäude in Westbay ist die Pyramide des Sheraton Hotels. Die Zimmerpreise beginnen bei 240 Euro. Es geht aber auch günstiger z.B. in den Souq Waqif Boutique Hotels by Tivoli ab 90 Euro. Einem qatarischen Dorf nachempfunden ist das Sharq Village & Spa von Ritz Carlton, DZ ab 239 Euro. Bei Meier‘s Weltreisen sind sieben Nächte im DZ inkl. HP, Bahnticket, Transfer und Flug ab 1300 Euro zu haben.
Anschauen. Die vierstündige Stadtrundfahrt im Bus ab Hotel gibt‘s mit deutschsprachiger Reiseleitung bei Dertour ab 73 Euro pro Person.
Bezahlen. Die Währung sind Qatari Ryal. Ein Ryal entspricht 25 Cent. Kreditkarten werden fast überall akzeptiert.
Reisezeit. Herbst und Winter sind am günstigsten. Wir hatten angenehme 29 bis 32 Grad. Im Frühjahr und vor allem im Sommer kann es unerträglich heiß werden.
Zeitunterschied. Derzeit (Winterzeit) plus zwei Stunden.
Informieren. Vor Ort: Qatar Tourism Authority in Lusail. Im Internet unter www.visitqatar.qa

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