Nachlese von der Tourismusbörse

Overtourism, Plastikmüll, Umweltverschmutzungen und Brexit – das waren wichtige Themen auf der diesjährigen Tourismusbörse in Berlin. Auffallend auch einige Abwesenheiten. Venezuela hatte angekündigt, mit einem noch größeren Stand als üblich anzutreten und trat dann gar nicht an. Auch Nordkorea fehlte. Qatar fand sich umzingelt von seinen Boykott-Feinden in einer Halle wieder. Und Großbritannien war sozusagen Tür und Tür mit der Republik Irland um Gäste. Da wurde der anstehende Brexit ganz einfach ausgeblendet. Die ITB ist eben immer für Überraschungen gut. Während beim Studienkreis über die Probleme des Plastikmülls diskutiert wurde, wurden auf der Messe die Müllsäcke mit eben diesem immer voller. Auch die Kaffeebar im Pressezentrum hat dieses Jahr auf Einweg umgestellt… Einen kleinen Vorgeschmack auf das Phänomen Overtourism bekamen die Messebesucher am ITB-Wochenende mit. Wenn die Hallen für Publikum geöffnet sind, ist kaum mehr ein Durchkommen. Im folgenden ein kleiner Überblick über Themen auf der Tourismusbörse:

Aber bitte mit Handy

Laut den Ergebnissen der Reiseanalyse, die von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) vorgestellt wurden, haben 55 Millionen Bundesbürger 2018 eine Reise von mindestens fünf Tagen unternommen – fast eine Million mehr als im Vorjahr. Hinzu kommen 88 Millionen Kurzurlaubsreisen. 27 Prozent aller Reisen über fünf Tagen führten ins Inland. Deutschland blieb damit das beliebteste Reiseland vor Spanien (13,7 Prozent) und Italien (8,1 Prozent). Die durchschnittlichen Ausgaben pro Person und Reise sanken von 1,045 Euro auf 1,017 Euro. Auch aktuell ist Deutschland in Urlaubsstimmung. Für mehr als 71 Prozent der Bevölkerung stand schon im Januar fest, dass es 2019 sicher oder wahrscheinlich auf Urlaubsreise geht. Und die führt immer öfter in die Ferne. 73 Prozent aller Urlaubsreisen hatten 2018 das Ausland zum Ziel. Das entspricht mehr als 51 Million Reisen – so viele wie nie zuvor. Zu den Gewinnern gehörten unter anderem die Niederlande, Frankreich und Ägypten. Auf der Fernstrecke lagen vor allem Nordamerika und Südostasien im Trend. Erstmals wurden mehr Urlaubsreisen per Online-Buchung gebucht als im persönlichen Kontakt. Smartphone und Tablet sind inzwischen auch bei Urlaubsreisen ein selbstverständlicher Begleiter. Bei der Nutzung unterwegs stehen Wetterinformationen und Routenplanung mit jeweils um die 80 Prozent Nutzungsrate an vorderster Stelle.

Ja, wir san mit’m Radl da

Immer mehr Deutsche steigen auch im Urlaub aufs Rad. Über dieses Ergebnis der Radreise-Analyse konnte sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club ADFC zum 20. Geburtstag freuen.  5,5 Millionen Deutsche wählten 2018 aus touristischen Beweggründen das Fahrrad – ein Rekordwert. Besonders stark steigt die Zahl der Tagesausflügler: Jeder zweite Deutsche unternimmt inzwischen Tagestouren mit dem Rad. Laut ADFC sind die Deutschen unangefochtene Reiseweltmeister auf dem Rad. Das Land sei in diesem Segment nicht nur wichtigster Quellmarkt, sondern gleichzeitig auch bedeutendste Destination für den Fahrradtourismus.

Mehr Geld für weniger Touristen

Drei Euro „Eintrittsgeld“ verlangt Venedig, um der wachsenden Touristenströme besser Herr zu werden. Ein Beispiel dafür, wie Destinationen versuchen, den weltweit zunehmenden „Overtourism“ zu managen. Doch wie sensibel sind die Reisenden selbst inzwischen? Im Rahmen des ITB Berlin Kongresses stellte Sharry Sun, Global Head of Brand der Internetplattform Travelzoom, die neue und gemeinsam mit der ITB Berlin erstellte Studie „Overtourism und Umweltschutz: Einstellungen und Verhalten internationaler Touristen“ vor. Für die Studie waren zwischen Dezember und Januar rund 8000 Menschen aus acht Ländern auf drei Kontinenten zu dem Thema befragt worden. „Die 20 am stärksten besuchten Destinationen der Welt ziehen so viel Interesse auf sich wie alle übrigen Reiseziele,“ sagte Sun, die statt des negativ besetzten Begriffs „Overtourism“ lieber von „Overcrowded Destination“ sprach und damit „ein offensichtliches Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage“ meint. Immerhin sind 50 Prozent der Befragten der Meinung, dass mehr getan werden müsse, um den Massentourismus zu begrenzen. Ein großer Teil wäre auch bereit, mehr Geld auszugeben, um auf weniger Touristen zu treffen, aber auch, um Umwelt und Infrastruktur zu schützen. Übrigens: Bei Chinesen ist dieses Bewusstsein sogar besonders hoch.

Mehr Schutz für Mallorcas Umwelt

Mallorca will mit einer Strategie für nachhaltigen Tourismus den Problemen der überfüllten Sommermonate entgegenwirken. Laut Inselrat geht es um Saisonverlängerung, Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Weiterentwicklung. Umgesetzt werden soll die Strategie durch die Stiftung Mallorca Tourismus (Fundació Mallorca Turisme). Die gemeinnützige Organisation ist in die Tourismusabteilung des Inselrates integriert. Das Ziel der Organisation ist die Förderung des Mallorca-Tourismus bei gleichzeitigem Schutz der Umwelt und verantwortungsbewusster sozialer und wirtschaftlicher Weiterentwicklung. Unter anderem sollen bestimmte Orte als Winterziele propagiert, überlastete Straßen wie die zum Kap Formentor in der Hauptsaison für Privat-Pkw gesperrt und neue Informations- und Kommunikationstechnologien gefördert werden.

Berlin feiert 30 Jahre Mauerfall

Der Palast der Republik, von den Berlinern „Erichs Lampenladen“ genannt und inzwischen abgerissen, kehrt zurück. Zum Jubiläum „30 Jahre Mauerfall“ wird er auf die Ostseite des Humboldt-Forums projiziert. Auch sonst wird im November in Berlin groß gefeiert – mit Open-Air-Ausstellungen an historischen Schauplätzen, Konzerten, Zeitzeugengesprächen, Lesungen und Filmvorführungen. Als Höhepunkt am 9. November ist ein stadtweites Musikfestival in Vorbereitung. „Wir wollen die Geschichte der Ereignisse von 1989 und 1990 genau dort erzählen, wo sie passiert ist“, sagte dazu Moritz van Dülmen vom „Kulturprojekte Berlin“, das die Feier im Auftrag des Senats organisiert. Berlin lässt sich die Jubiläumswoche zehn Millionen Euro kosten und rechnet mit einer Million Besucher.

In der Hauptsache Industriekultur

2020 feiert Sachsen 500 Jahre Industriegeschichte. Dieses Jubiläum, dem ein ganzes Jubiläumsjahr und die vierte Sächsische Landesausstellung mit den Hotspots im Erzgebirge und in Chemnitz gewidmet sein werden, soll die Bandbreite der sächsischen Industriekultur aufzeigen. 53 Sachzeugen geben entlang der „Route der Industriekultur in Sachsen“ einen Einblick in Kohle- und Erzbergbau, Architektur-, Textil-, Automobil- oder Eisenbahngeschichte. Wirtschaftsminister Martin Dulig sieht in dem Thema viel touristisches Potenzial. „Wer wissen möchte, wie in den vergangenen 500 Jahren die Industrialisierung die Menschen, ihre Kultur, ihre Lebensweise, die Bauwerke und ihre Identität geprägt hat, der muss nur nach Sachsen kommen und kann dies hier erleben.“ Auf der Tourismusbörse gab es schon einen Vorgeschmack auf das Jubiläumsjahr.

Nur keine Panik vor dem Brexit

Weder Großbritannien noch Irland mochten sich so recht mit dem Thema Brexit auseinander setzen und das, obwohl sich die Furcht vor einem unkontrollierten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Gemeinschaft in einem nachlassenden Interesse der Europäer an einem Urlaub auf der Insel niederschlägt. Laut einer Umfrage von Visit Britain können sich 69 Prozent der Menschen einen Urlaub in Großbritannien vorstellen, zwei Jahre zuvor waren es noch 76 Prozent. Das Tourismusamt geht deshalb in die Offensive und wirbt in Europa unter dem Motto „Friends of Europe“ um Touristen. Die „Freunde Europas“ müssen in nächster Zeit auch nicht um ihre Flüge bangen oder Angst vor strengen Kontrollen haben. Noch bis mindestens 2021 können Europäer mit dem Personalausweis nach Großbritannien einreisen. Die Airlines haben sechs Monate Zeit, um ihre Anteilsverhältnisse zu klären. Grundsätzlich dürfen sie dann nur noch in die EU fliegen, wenn sie mehrheitlich im Besitz von EU-Eigentümern sind, was sowohl Condor als auch TUIfly Probleme machen könnte.

Dreieinigkeit am Perlflussdelta

Hongkong, Macau und Guangdong wollen künftig ihre Kräfte bündeln. Schon jetzt verbindet die mit 55 Kilometern weltweit längste Seebrücke die drei Städte. „Wir stehen am Beginn eines goldenen Zeitalters, wenn es darum geht, die Bay Area zu einer Destination für Touristen aus aller Welt zu machen,“ schwärmte Anthony Lau, Executive Director des Hong Kong Tourism Board, bei der Vorstellung der neuen Dreieinigkeit auf der Tourismusbörse. Ein neues 144-Stunden-Visum soll Reisenden den unkomplizierten Besuch der „Greater Bay Area“ ermöglichen. Alle drei Regionen arbeiten daran, ihre Besonderheiten herauszukehren: Hongkong die Multikulti-Atmosphäre der englisch geprägten Metropole. Macau seine Architektur aus der portugiesischen Kolonialzeit und Guandong die Verbindung von hypermodernen Städten mit reizvollen Landschaften.

Indien entdeckt die Nische

Indienreisende wollen mehr erleben als Sonne und Strand. Das indische Tourismusministerium will deshalb Nischenprodukte wie ländlichen Tourismus, Aufenthalt in Gastfamilien, Wellness- und Gesundheitsurlaub aber auch Abenteuerurlaub fördern. Die Tourismuswerber sehen ihr Land im Aufwind und planen die Förderung von Sprachkompetenz im Land. Eine neue Incredible-India-App soll Besucher auf ihrer Indien-Reise unterstützen. Kreuzfahrer können in den Seehäfen mit einem E-Visum an Land gehen.

Keine Mickey-Mouse-Airline

Qatar Airways kämpft immer noch gegen die Blockade durch die Nachbarländer, die für die Airline wegen der erzwungenen Umwege die Kerosinkosten um bis zu 25 Prozent in die Höhe treibt. Doch CEO Akbar Al Baker zeigte sich auf der Tourismusbörse optimistisch, er setzt wie gewohnt auf Wachstum. „Wir sind keine Mickey-Mouse-Airline,“ bekundete der Geschäftsführer und verkündete sieben neue Routen und eine Anzahl von Frequenz-Erweiterungen. Ein neues Luftfahrtabkommen zwischen Katar und der EU soll beim Wachstum helfen ebenso wie die neue Economy Class, die nicht nur mehr Beinfreiheit verspricht sondern auch ein größeres Unterhaltungsprogramm. Mit ihrer Q-Suite in der Business Class hat Qatar Airways schon Weichen für die Zukunft gestellt. Und das kleine Land mit dem großen Ehrgeiz hält mit: Für 80 Länder, darunter auch Deutschland und Österreich, gibt es ein Visum on Arrival. Schon im April eröffnet die Doha Metro und noch früher das Neue National Museum.

Neuer Kreuzfahrt-Terminal für Durban

12,5 Millionen Dollar will sich Durban einen neuen Kreuzfahrt-Terminal kosten lassen, der die südafrikanische Stadt, schon jetzt Sitz des bedeutendsten Frachthafens Südafrikas, auch zu einem „Major Player“ in der globalen Kreuzfahrt-Industrie machen soll. Zugleich wird die Point Waterfront entwickelt. Durban gehört zu den wichtigsten Häfen für die boomende Kreuzfahrt.

2 Kommentare
  • Wolfgang Polte
    März 10, 2019

    Danke liebe Lilo für den kompetenten, zutreffenden Überblick. Da merkt man die Profi-Schreiberin. Kein Blabla, alles genau erfasst.

    • lilo
      März 13, 2019

      Danke für den netten Kommentar, Wolfgang. Von einem Experten wie dir freut mich das natürlich gleich doppelt!

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