Schon auf den Zufahrtsstraßen ins Stadtzentrum hängen dicke Wasserschläuche im alten Burggraben, kleine Kinder bespritzen unser Auto mit Wasserspistolen, größere halten die Wasser-Pumpgun im Anschlag. Wasser in Eimern, Schläuchen, Kannen, Wasser in Teddybären, Schüsseln und Plastikenten. Pappa, unsere Führerin, hat schnell die Autofenster hochgekurbelt. Jetzt rinnt das Wasser an den Fenstern herunter und wir können das bunte Treiben nur durch einen Wasserschleier beobachten.
Besonders cool scheint es zu sein, einen Jeep zu mieten und damit mitten ins Geschehen zu fahren. Schräge Typen bevölkern auch die Pick-ups, bunte Haare sind in, schwarze Klamotten im Gothic Stil, Nieten und enge Hosen, die patschnass am Körper kleben. Die Mädels haben sich ordentlich rausgeputzt, zeigen, was sie haben mit provozierend kurzen Röckchen oder transparenten Fähnchen. Nahe dem Zentrum ist kein Durchkommen mehr. Wir steigen aus und stürzen uns ins Getümmel. Das ist einfacher gesagt als getan. Die Fußgänger müssen sich den Gehweg mit Mopeds teilen, die Straßen sind total verstopft, überall wird gehupt und Wasser gespritzt. Es stinkt nach Abgasen und das Gedränge ist buchstäblich atemberaubend. Betelverkäufer haben alle Hände voll zu tun, Bier fließt in Strömen, dazu einheimischer Whisky. Die ersten Schnapsleichen liegen am Straßenrand. Da, wo die Bands auftreten und armdicke Wasserschläuche von der Bühne hängen, wo die Musik spielt und exzessiv getanzt wird, bleiben wir stecken. „Hallo“ schallt es uns von allen Seiten entgegen. Europäer wagen sich ganz offensichtlich eher selten ins Getümmel. Dafür bekomme ich einige kalte Güsse ab, was mit viel Gelächter quittiert wird. Bei der Hitze eher eine Wohltat.
„Man kommt trocken rein und fährt nass raus“, kommentiert Pappa und lacht. Jetzt wissen wir, warum der Fahrer die Autositze vorsorglich mit Plastikplanen überzogen hat. Die kann ich unbesorgt volltropfen.
Und als wir am Mahagandayon-Kloster ankommen, bin ich schon wieder trocken. Hier sind wir nicht die einzigen Touristen, gruppenweise werden die Neugierigen angekarrt, drängen sich dicht an dicht an der Straße vor dem Kloster – fast so wie in Mandalay die Jugendlichen beim Wasserfest. Doch hier werden keine Schläuche in die Höhe gehalten, sondern Fotoapparate. Die Speisung der Mönche als Touristenspektakel.
Und dann kommen sie: Hunderte kahlgeschorener Mönche in safranfarbenen Roben, große und kleine, jeder mit einer Schale in der Hand. Die Thai-Gruppe faltet die Hände zum Gebet, Kameras klicken. Es wird gedrängelt und geschubst. Einige Gruppen haben Reis oder Gemüse gespendet und dürfen zur Belohnung ins unbeteiligt blickenden Mönchen bis in den Refektorium folgen, um noch mehr Bilder zu schießen. Nicht einmal beim Essen bleiben die Mönche ungestört.
Hinter dem Kloster warten die Ärmsten der Stadt darauf, dass von den Essens-Spenden auch für sie noch etwas abfällt. Und immer wieder leert ein Mönchlein seine Schale in die Schüssel eines der Bettler. So wie es die Tradition will. Himmlische Ruhe herrscht nach dem Abzug der Touristengruppen rund um den Klosterbezirk.
Doch schon bald umfängt uns wieder der ganze Wasserfest-Irrsinn. Wir sind auf dem Weg nach Amarapura. Unser Ziel ist die U-Bein-Brücke. Auch da sind wir nicht allein: Über die längste Teakholzbrücke der Welt, die den Taungthaman-See überspannt, wälzt sich ein scheinbar nie endender Menschenstrom. Erstaunlich, dass die uralte Brücke nicht unter dem Gewicht zusammenbricht! Wir blicken in martialische Gesichter mit schwarzer Schminke. Vampir scheint in. Tröten, gegen die südafrikanische Vuvuzelas harmlos wie Flöten klingen, starten einen Angriff aufs Trommelfell. Es wird beängstigend eng auf der Brücke. Aber auch im Wasser wimmelt es von Menschen, die auf dem „Büffelpfad“ durch den See waten, teilweise schauen grade noch die Köpfe aus dem Wasser. Nass werden darf hier alles – bis aufs Allerheiligste, das Handy. Zur Vorsorge gibt’s maßgeschneiderte Plastikhüllen.
An den Ufern haben Händler ihre Stände aufgeschlagen, an denen es alles zu kaufen gibt, was beim Wasserfest so viel Freude macht: Tröten und Wasserpistolen, spritzende Plastiktiere, Schminke und die unvermeidlichen Handyhüllen. Daneben Stände mit Essen, die dicht umlagert sind. Manche haben die Stühle in den See gestellt und schlemmen mit den Füßen im Wasser. Auf der Brücke ist der Menschenstrom inzwischen so angeschwollen, dass wir uns den Rückweg nicht mehr zutrauen. Pappa winkt ein Boot heran, und der Bootsmann rudert uns im Slalom durch Schwimmer und Wasserwanderer ans sichere Ufer. Ganz trocken erreichen wir das Auto auch hier nicht. Ein paar Kinder verfolgen uns johlend mit kleinen Gießkannen.
Wir fliehen auf den Sagaing-Hill, wo sich bei schönstem Ausblick die von goldenen Dächern gekrönten Pagoden und Stupas aneinanderreihen wie anderswo die Villen der Betuchten, von weitem schon ein spektakulärer Anblick. Pappa führt uns in die U Min Thonze-Pagode, die Pagode der 30 Höhlen, wo in Reih und Glied 45 überlebensgroße Buddhas stehen, einer wie der andere in eine goldene Robe gehüllt und mit rotgelackten Lippen. Meditative Ruhe umfängt uns hier trotz der Touristen, die den Weg hier herauf gefunden haben. Wir haben den Wasserfest-Trubel unter uns gelassen. Auf der Fahrt hinunter ins Tal allerdings erwischt uns doch noch ein satter Wasserstrahl. Der spritzende Wegelagerer ist ein diabolisch grinsender Mönch. So nah beieinander können in Myanmar Ekstase und Askese sein.
24Mrz. 2014