Daran haben der kleine Tiger und der kleine Bär nicht gedacht, als sie sich – wegen einer Bananenkiste – im berühmten Janosch-Buch nach Panama aufmachten: Dass das Land eine Drehscheibe dunkler Geschäfte sein könnte. Die Panama Papers brachten es an den Tag: Panama ist noch immer eine „Bananenrepublik“. Aber in einem ganz anderen Sinn, als Tiger und Bär sich das ausgemalt hatten. In einem hatten sie jedoch recht: Schön ist Panama wirklich.
Guter Kaffee ist teurer als Champagner
Bananen gibt’s da auch, aber vor allem Kaffee. Riesige Plantagen, die wie ein grüner Teppich die Berge überziehen und dahinter Vulkane, auf denen weiße Wolkenberge sitzen. Die Hochlandlage macht den guten Kaffee aus, sagt die Amerikanerin Emily Janson, die mit ihrem schwedisch-stämmigen Mann eine Kaffeefarm betreibt. Und guter Hochlandkaffee ist teuer. Wie teuer, das habe ich mir nicht träumen lassen. Bis zu 300 Dollar wird für ein Pfund Geisha-Kaffee Natural bei Auktionen bezahlt. Im farmeigenen Shop muss man auch schon 100 Dollar dafür hinlegen. Denn die Herstellung dieses vor allem bei Japanern beliebten Kaffees ist aufwändig, erklärt Emily. Handverlesen muss er sein und in der Schale getrocknet. Nur dann entstehen die Aromen, die seine Güte ausmachen.
Wir dürfen’s probieren, schnüffeln an Bohnen, löffeln ein Pröbchen, schlürfen aus kleinen Kaffeetassen das duftende Getränk, „kauen“ den Geschmack wie bei einer Weinprobe. Denn für Emily ist ihr Geisha-Kaffee so etwas wie der Bordeaux-Wein Panamas. Vielseitige Aromen findet sie bei dieser Kaffeeprobe: Citrus und Bergamotte, Honig und Kakao, auch Beeren und Jasmin. Ich staune. Meine Geschmacksnerven sind ganz offensichtlich unterentwickelt. Für mich schmeckt der Geisha eher nach Tee als nach Kaffee. Mit der Einschätzung bin ich nicht allein. „Ich brauche eine neue Nase“, stöhnt ein Mittester. Wir sind wohl alle Espresso-verdorben.
In Panama riecht auch der Kaffee nach Geld
Die Kaffeepflücker haben andere Probleme. Zwischen acht und 12,50 Euro verdienen sie am Tag für ihre schwere Arbeit in den steilen Hochlagen. Die empfindlichen Kaffeekirschen – das sind die von einer Haut umgebenen Bohnen – werden einzeln von Hand gelesen, eine mühsame Prozedur. Um einen 40-Kilo-Sack mit den Kirschen zu füllen, braucht ein erfahrener Pflücker einen halben Tag. Den Sack muss er übrigens beim Pflücken auch noch mitschleppen. 100 Kilo Rohkirschen ergeben etwa 20 Kilogramm Rohkaffeebohnen. Normalerweise werden die Kirschen geschält, gewaschen und getrocknet. Zur Erntezeit kommen die meist indigenen Pflücker oft mit der ganzen Familie und leben dann in kleinen Häusern, manchmal auch in Verschlägen. Was sie hier in drei Monaten verdienen, muss für das ganze Jahr reichen. Deshalb helfen oft auch die Kinder beim Pflücken mit.
Auch auf der Finca Lerida sind indigene Erntearbeiter unverzichtbar, sagt Cesar Caballero – klein, schwarzhaarig und glutäugig. Er führt Touristen durch die Farm, die schon eine lange Kaffee-Geschichte hat: 1926 ging der erste Export-Kaffee nach Berlin. Cesar erzählt mit ansteckendem Enthusiasmus von Kaffeebäumen, die wie Menschen sind („Mit 80 sind sie ausgelaugt“) und von den Erntearbeitern, die von der „Wohltat des Kaffees“ lebten. Der teure Geisha-Kaffee ist für ihn ein „Marketing-Gag“, seiner Meinung nach wird die Pacamara-Bohne aus El Salvador bald zum teuersten Kaffee der Welt. Auch der Kaffeegeschmack unterliegt dem Zeitgeist. Wir sehen, wie Bohnen mit und ohne Schale trocknen und dann auch das Lager mit Säcken voller grüner Bohnen. Cesar hebt eine Handvoll Bohnen aus einem der Säcke und steckt die Nase hinein. „Riecht nach Geld“, sagt er.
Ein Paradies mit dem Namen Dracula
Natürlich gibt’s in Panama nicht nur Kaffee, hier wachsen auch die schönsten Pflanzen: Bäume wie grüne Geister, tote Stämme, auf denen neues Leben blüht in Form von Sukkulenten, vielfarbige Bougainvilleas, Tulpenbäume und Hibiskus, Riesenfarne und Orchideen. Da gehen einem Naturliebhaber die Augen über. Winzige Kolibris umschwirren die Blüten, der Legenden umwobene Quetzal mit der scharlachroten Brust und dem grünen Gefieder findet im Nebelwald seinen Garten Eden.
„Wir haben einige Paradiese hier“, sagt Raoul Velasquez, 31 und Vater einer fünfjährigen Tochter. Die Finca Dracula ist trotz des irreführenden Namens eines dieser Paradiese. Sie heißt auch nicht so, weil der Vampirfürst Dracula nächtens hier sein Unwesen treibt, sondern weil hier der Dracula-Orchidee eine große Bühne bereitet wird. Im Gewächshaus zeigt uns Vanessa Bitty (30) die vielen Gesichter dieser eigenartigen Pflanze, die tatsächlich etwas von einem Vampir oder eher von einer Fledermaus hat. Es gibt große Dracula-Orchideen und winzig kleine, solche in rot und schwarz, andere in sonnengelb oder orange. „Orchideen gelten als Betrüger, weil den zur Bestäubung notwendigen Insekten vorspiegeln, Nektar zu erzeugen“, erzählt die bildschöne Vanessa mit leuchtenden Augen. Eigentlich ist sie Anwältin, aber die Welt der Orchideen fasziniert sie so, dass sie regelmäßig Besucher durch die Finca führt – auch um ihr Englisch zu verbessern. Von den gemeinen Tricks der Orchideen kann sie nicht genug bekommen. Eine Art halte die Insekten sogar so lange gefangen, bis sie genug Pollen gesammelt haben, berichtet sie und macht sich mit einer Lupe daran, eine der Micro-Blüten aufzuspüren. Im Paradies-Garten der Finca fehlt nur noch „ein Sofa aus Plüsch, ganz weich“, damit sich der kleine Bär und der kleine Tiger wohlfühlen könnten. Sonst stimmt alles, und der kleine Tiger würde ausrufen: „Panama ist so wunderbar, wundervoll schön!“
Die Durchfahrt durch den Panama Kanal kostet ein Vermögen
Aber natürlich ist Panama nicht vorstellbar ohne den Panama-Kanal. An der Schleuse Miraflores kann man im Museum sehen, wie wichtig die Wasserstraße ist, die seit 102 Jahren den Atlantik mit dem Pazifik verbindet und als achtes Weltwunder gilt. Doch das Wunder war teuer bezahlt: In zehn Jahren Bauzeit verloren 20 000 Menschen ihr Leben. Die schwierigste Passage war der „Culebra Cut“, mit Dynamit wurde eine 13 Kilometer lange und 80 Meter tiefe Strecke in den Fels gesprengt. Schaut man von der Aussichtsplattform Miraflores hinunter auf den Kanal, sieht man, dass er keine gerade Wasserstraße ist, sondern eine Abfolge von Seen und Engstellen.
Hier an der Schleuse wird’s gerade spannend. Zwei große Containerschiffe warten auf die Durchfahrt, dazu zwei Katamarane und ein Segler. Die Menschen drängen sich an der Balustrade, suchen den besten Platz für Fotos und halten ihre Apparate schussbereit. Doch es dauert. So eine Schiffspassage muss vorbereitet werden, der Kanal ist hier so eng, dass gerade mal 60 Zentimeter bis zur Schleusenwand fehlen – rechts und links. Deshalb werden die Schiffskolosse von speziellen Lotsenbooten auf Kurs gehalten, bei den kleinen Booten reichen Seile. Und dann ist es soweit: Alle Schiffe sind in der Schleusenkammer. Die Spannung steigt, ein Stöhnen geht durch die wartende Menge – fast wie bei einem Krimi. Gaaanz langsam senkt sich der Wasserspiegel und die Schiffe sinken mit ihm. Dann öffnen sich wie von Zauberhand die gewaltigen Schleusentore. Videokameras filmen die Durchfahrt, Fotoapparate klicken. Gleich zwei große Frachter auf einmal in den beiden Schleusenkammern, das muss festgehalten werden!
Wenn man übrigens genau hinschaut, dann kann man weit hinten die Baustelle der Kanalerweiterung mit einer dritten Schleusenanlage sehen. Eigentlich sollte der 2007 begonnene Ausbau schon fertig sein, aber Streiks und die Explosion der Kosten bremsen bis heute die hochfliegenden Pläne. Dabei muss sich Panama sputen, denn in Nicaragua baut eine chinesische Betreibergesellschaft einen Konkurrenzkanal, der noch für deutlich größere Containerschiffe geeignet sein soll als der erweiterte Panamakanal. Würden die Schiffsriesen abwandern, verlöre Panama seine Haupteinnahmequelle. Denn die 80 Kilometer lange Durchfahrt durch den Kanal, die immerhin rund 15 000 Kilometer Seeweg erspart, kostet richtig Geld: 2000 Dollar müssen die Skipper der Katamarane berappen, für den Frachter werden 380 000 Dollar fällig. Da kommt schon einiges zusammen.
Wo die Geldströme fließen
So, jetzt aber noch schnell nach Panama City, der Hauptstadt des Landes, die auf der einen Seite aussieht, als wäre sie direkt aus den USA importiert und auf der anderen Seite ein bisschen an das kubanische Havanna erinnert. Die Skyline von Downtown ist von teils futuristischen Wolkenkratzern geprägt, die Altstadt (Casco Viejo) hingegen von verfallenden Kolonialbauten, die gerade teuer saniert werden.
Die Panama Papers haben die Geldströme, die ins Land fließen, in ein neues Licht gerückt. Dabei sind illegale Transaktionen, wie sie unter dem Diktator Noriega, der 1992 in Miami wegen Drogendelikten und Geldwäsche verurteilt wurde und derzeit in der Haftanstalt „El Renacer“ in der ehemaligen amerikanischen Kanalzone einsitzt, offiziell längst verboten, wie die Anti-Geldwäsche-Plakate am Flughafen zeigen. Doch nun wird das Land, das man bisher mit den Hüten, dem Kanal und dem Janosch-Buch in Verbindung brachte, zum Synonym von Geldwäsche und Offshore-Spekulation. Oh, wie reich ist Panama, müsste der kleine Tiger heute wohl ausrufen.
Info
Einreisen: Kein Visum nötig, der Reisepass muss noch mindestens sechs Monate gültig sein. Aktuelle Reisehinweise unter www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PanamaSicherheit.html
Anreisen: Seit kurzem fliegt Lufthansa direkt von Frankfurt nach Panama City. Billigster Tarif 719 Euro: www.lufthansa.com/flug/flug-frankfurt-panama_stadt
Bezahlen: Es gibt zwar die panamaische Währung Balboa, die an den Dollar gekoppelt ist, bezahlt wird aber vorwiegend mit US-Dollar. Das Preisniveau in Hotels und Restaurants entspricht in etwa dem unseren. Auch die Eintrittspreise sind relativ hoch – für Touristen. Einheimische bezahlen meist deutlich weniger. Die soziale Ungleichheit ist groß, der gesetzliche Mindestlohn liegt bei 500 Dollar.
Tipp: Unbedingt sehenswert in Panama City ist das von Frank Gehry erbaute Museum der Biodiversität, das von Ferne aussieht als wäre es aus einem bunten Holzbaukasten zusammengestellt und im Inneren viel Raum bietet für Ausflüge in die schöne Natur und die wechselvolle Geschichte des Landes. Der Eintritt ist mit 22 Dollar nicht gerade günstig, lohnt sich aber: http://www.biomuseopanama.org/en
Informieren: Im Reisebüro oder unter www.visitpanama.com, www.panamainfo.com