Otto Dix kommt nach Mexiko

Mit seinem Grafik-Zyklus „Der Krieg“ wurde der am 2. Dezember 1891 in Gera-Untermhaus geborene Otto Dix zum Chronisten des 1. Weltkriegs und der Grausamkeit der Schützengräben. Der Künstler hatte in Dresden an der Kunstgewerbeschule studiert und sich in den unterschiedlichsten Malstilen erprobt. Er konnte alles: Altmeisterliches und Expressionistisches und gehörte in den 1920er Jahren zu den herausragenden Künstlern des kritischen Realismus und der Neuen Sachlichkeit. Zum 125. Geburtstag des Ausnahmemalers unterstützt seine Geburtsstadt die erste Dix-Präsentation in Lateinamerika mit außergewöhnlichen Leihgaben.

Ausstellung zum Deutschland-Jahr in Mexiko

Für das Großprojekt „Otto Dix. Violencia & Pasión“ (Otto Dix. Gewalt und Leidenschaft“ von Juni bis Januar 2017 im mexikanischen Monterrey und in Mexiko City schickt die Kunstsammlung Gera 13 Gemälde und eine großformatige Zeichnung nach Mexiko, darunter das „Selbstbildnis als Raucher“ (1914) und „Der Heilige Christophorus“ (1939). Die Ausstellung ist Teil des Deutschland-Jahres in Mexiko.
Mit insgesamt über 150 Gemälden und Papierarbeiten vom Ersten Weltkrieg über die spannungsreichen „Goldenen Zwanziger“ bis zum Neoexpressionismus nach 1945 wollen die Ausstellungen in Mexiko einen umfassenden Einblick in das Œuvre des Otto Dix geben und dabei den Ausnahmekünstler als „Wirklichkeitsmensch, Zeitgenossen und Zeitzeugen“ feiern, so die Kuratorin Ulrike Lorenz, für die Dix Gesellschaftsszenarien „eine unerbittliche Chirurgie der Zeit“ sind und die Charakterporträts des Malers „wie Steckbriefe“ wirken.
Bis zum 125. Geburtstag des Künstlers im Dezember will Gera das Geburtshaus des Malers im Ortsteil Untermhaus sowie die Orangerie als künftigen Ort einer zusätzlichen Dauerausstellung sanieren. Beide Gebäude waren durch das Elster-Hochwasser 2013 stark beschädigt worden. Wegen der umfangreichen Bauarbeiten ist das Dix-Haus für mehrere Monate geschlossen, es soll im September wieder eröffnen. Ausgewählte Werke von Otto Dix werden bis dahin im Stadtmuseum gezeigt.

Auf Dix-Spuren am Bodensee

Doch nicht nur in Thüringen hat Otto Dix seine Spuren hinterlassen, auch am Bodensee stößt man auf den Maler. Sein Wohnhaus in Hemmenhofen ist seit zwei Jahren Museum ebenso wie der blühende Garten, über den die Malerfamilie auf den Bodensee blickte. Ein Privileg, um das ihn viele Künstler-Kollegen beneidet haben dürften. Und doch scheint sich der Geraer Arbeitersohn und Dresdner Kunstprofessor in dieser bukolischen Umgebung nie so recht heimisch gefühlt zu haben. Vielleicht vermisste er die großstädtischen Tanzsäle, durch die er als junger Mann mit seiner späteren Frau Martha geschwebt war. Womöglich aber war ihm, dem Kriegsveteran, der wie kein anderer die scheußliche Fratze des 1. Weltkriegs gemalt hat, die Idylle auch zu perfekt.
Trotzdem: Hier hat er bis zu seinem Tod 1969 gelebt, hier hat er gemalt, geliebt und gefeiert – und viele Gerüchte in die Welt gesetzt, die sich die Hemmenhofener noch heute hinter vorgehaltener Hand erzählen.
Da ist die Rede von unehelichen Kindern, die der virile Maler, der neben seiner Hemmenhofener Familie auch eine Familie in Dresden hatte, gezeugt haben soll. Von Bildern, mit denen er Holz und Fleisch bezahlt habe. Drei, so heißt es, hingen noch in einer nahen Metzgerei – und seien Millionen wert. Im Haus jedenfalls sind kaum Originale zu sehen, außer ein paar Leihgaben, die das Stuttgarter Kunstmuseum, zu dem das Wohnhaus gehört, zur Verfügung stellt. Man begnügt sich großenteils mit einem sepiafarbenem Schatten-Abdruck an den Wänden, zu dem ein innovativer Media-Guide die Erklärung liefert.

Der alte Dix hat sich mit seiner Wahlheimat angefreundet

Im Musikzimmer, wo noch der Flügel von Martha Dix steht, und Musik vom Grammophon die Zwanziger Jahre aufleben lässt, können sich die Besucher in die aufregende Zeit versetzen, als der ausgezeichnete Tänzer Otto Dix die elegante Frau des Urologen und Sammlers Hans Koch, Martha, kennen und lieben lernte. Otto heiratete Martha, blieb aber Hans Koch eng verbunden. Der tröstete sich schnell mit Marthas Schwester Maria. Und als Dix als einer der ersten von den Nazis von seinem Lehrstuhl vertrieben wurde, waren es die Kochs, die Otto und Martha in Schloss Randegg eine Zuflucht boten. Das Gemälde „Randegg im Schnee mit Raben“ erinnert an diese Zeit.
Vier Jahre später ließ Martha – sie hatte das Geld – das Haus in Hemmenhofen bauen, durch das heute die Besucher schlendern. Im Atelier im ersten Stock liegt noch der für Dix so typische Malerkittel, stehen eingetrocknete Farben, liegen Pinsel. In den Kinderzimmern von Nele, Ursus und Jan ist bis heute etwas vom familiären Zusammenleben zu spüren. Es wurde viel gelesen in diesem Haus, musiziert, gespielt und gemalt. Unterm Dach dann noch eine Filmstation mit Ausschnitten eines DDR-Films über Hemmenhofen aus dem Jahr 1966 – und einem knorrigen Künstler als Gesprächspartner.
Dabei scheint sich Dix mit zunehmendem Alter mit seiner Wahlheimat angefreundet zu haben. Er galt als gesellig und hatte auch in der Umgebung Freunde. In Gaienhofen, das vorwiegend von der Erinnerung an Hermann Hesse zehrt, hängt im Hermann-Hesse-Höri-Museum ein Selbstporträt seiner letzten Schülerin Roberta Holly-Logeans – im Malerkittel, wie Dix ihn immer trug.
In der nahen Petruskirche bei Kattenhorn hat der Künstler die expressiven Glasfenster gestaltet. Und in Singen hat er 1960 das moderne Rathaus mit einem Wandbild veredelt, „dem einzigen noch existenten Dix-Wandbild“, wie Christoph Bauer, Leiter des Kunstmuseums Singen, betont. Das Thema „Krieg und Frieden“ sollte, so planten es die stolzen Stadtväter für ihre imposante Vierflügel-Anlage, Picassos weltberühmten Anti-Kriegs-Bild „Guernica“ Konkurrenz machen. Dix lieferte ein von christlicher Ikonographie geprägtes neoexpressionistisches Großgemälde, in dem Hitler als Scherge auftaucht und eine Friedenstaube an Picasso erinnert. Und weil ihm die Wandmalerei Spaß zu machen schien, schenkte er der Stadt als Dreingabe noch einen Mal-Zyklus des menschlichen Lebens im „Trauzimmer“. In der überregionalen Presse fand beides damals keine Beachtung, wurde als „altbacken“ abgetan. Zu Unrecht, findet Christoph Bauer, für den Dix ein Künstler ist, „der immer aktuell bleibt“.

Dix war ein Unangepaßter und er blieb ein Suchender

„Entweder ich werde berühmt oder berüchtigt“, schrieb Otto Dix einmal. Er wurde beides. Und er hatte Zeit seines Lebens ein gespaltenes Verhältnis zu seiner Vaterstadt Gera. Der Jahrhundertmaler war ein Unangepasster und er blieb ein Suchender – auch in der Kunst. Den Nazis waren seine gesellschaftskritischen Bilder im Stil der Neuen Sachlichkeit ein Dorn im Auge, den Kommunisten blieb er suspekt, und der Kunstkritik hatte der späte Dix nichts mehr zu sagen. Für Ulrike Lorenz, die Kuratorin der Ausstellung in Mexiko, allerdings ist Otto Dix einer der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Sie ist überzeugt davon, dass „sein engagierter und ambivalenter Realismus“ heute „brisanter ist denn je“.

Info:
Dix in Mexiko: „Otto Dix. Violencia & Pasión“ (Otto Dix. Gewalt und Leidenschaft“ vom 16. Juni bis 18. September in Monterrey, Museo de Arte Contemporáneo (MARCO), Zuazua y Padre Jardon, Zona Centro und vom 11. Oktober bis 15. Januar in der Nationalgalerie von Mexico City (MUNAL), Calle Tacuba 8, Cuauhtemoc, Centro Histórico.

Dix-Haus in Gera: Bis September wegen Sanierungsarbeiten geschlossen: Mohrenplatz 4, 07548 Gera, Tel. 0365/8324927, E-Mail: kunstsammlung@gera.de

Dix-Haus in Hemmenhofen: Geöffnet vom  19. März bis 31. Oktober, Die bis So 11 bis 18 Uhr, Eintritt fünf Euro, ermäßigt vier Euro: Otto-Dix-Weg 6, 78343 Gaienhofen, Tel. 07735 937160, Führungen nach Vereinbarung über dix@kunstmuseum-stuttgart.de, www.museum-haus-dix.de

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert