„Kindheitsbilder stehen auf dem Prüfstand, Abbilder und Zerrbilder sind zu analysieren, ‚Facing Reality‘ bedarf des Diskurses“, heißt es bei der ASSITEJ (Association Internationale du Theatre pour l’Enfance et la Jeunesse), der Internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche, die in über 80 Ländern auf allen Kontinenten vertreten ist. Allein in Deutschland hat die ASSITEJ rund 370 Mitglieder. Und sie alle haben hehre Ziele, wollen jedem Kind und jedem Jugendlichen in Deutschland „die Möglichkeit eröffnen, mindestens zweimal im Jahr ein Kinder- und Jugendtheater zu besuchen.“
Initiiert von der ASSITEJ wurde 1989 das Kinder- und Jugendtheaterzentrum (Kjtz) in der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Berlin und Frankfurt am Main gegründet, das allen Kindern und Jugendlichen Theater näher bringen will – vor und auf der Bühne. Finanziert wird es durch das Bundesfamilienministerium aus Mitteln des Kinder- und Jugendplanes des Bundes, durch das Land Hessen und die Stadt Frankfurt.
Und es gibt ein Europäisches Kinder- und Jugendtheater mit Sitz in Diedorf bei Augsburg, das sich im eigenen internationalen Theaterhaus Eukitea mit Eigenproduktionen zu den Themen Prävention, Integration und Umweltbildung einen Namen gemacht hat. Dabei arbeiten die Künstler mit den unterschiedlichsten Nationalitäten und Theatergruppen zusammen, gastieren in Schulen und Kindergärten und unternehmen auch Theaterreisen in alle Welt. Weil es dem Team unter dem 54-jährigen Theatergründer Stephan Eckl gelingt, so schwierige Themen wie häusliche oder sexuelle Gewalt oder auch Mobbing mit sparsamsten Mitteln auf die Bühne zu bringen, wurde das Eukitea-Ensemble 2013 mit dem „Deutschen Förderpreis Kriminalprävention“ ausgezeichnet. Das klingt stark nach freudloser Reality-Show, doch die jungen Künstler treibt zwar viel Engagement an aber auch der Spaß an der Arbeit. Und der kommt auch bei den Präventionsstücken nicht zu kurz, bei denen mit viel Witz und künstlerischer Kreativität dem problematischen Alltag zu Leibe gerückt wird. „Ein bisserl verrückt“ müsse man schon sein als Theatermacher für die Jungen und die Jüngsten, sagt Stephan Eckl. Zum Ausgleich widmet sich das Ensemble alljährlich so dramatischen Schwergewichten wie Shakespeares „Sturm“ oder Goethes „Faust II“ – für Erwachsene.
Im Internet: http://www.eukitea.de
In der nahen bayerischen Landeshauptstadt residiert mit der Schauburg eines der renommiertesten Kinder- und Jugendtheater in Deutschland. 1953 von Siegfried Jobst als Münchner Märchenbühne gegründet, wurde das Theater 1969 von der Stadt übernommen und den Münchner Kammerspielen unterstellt. Mit der Intendanz von Dieter Dorn 1983 wurde die Schauburg künstlerisch selbständig. Hier wird gerne experimentiert mit Objekttheater wie im Geschichtsstück Salz, bei dem sich Theater über Papier entfaltet. Hier wird auch Geschichte aufgearbeitet wie in dem Stück zum 1. Weltkrieg „Weltenbrand“. Hier kommt aber auch die Fantasie nicht zu kurz wie in dem Figurentheater „Tiger und Bär“, die auf Janoschs Geschichte „Komm wir finden einen Schatz“ basiert und Kindern ab 4 zeigt, wie wenig nötig ist um glücklich zu sein.
Im Internet: http://www.schauburg.net
Mit sozialkritischen Kinderstücken wie „Stokkerlok und Millipilli“ machte sich das 1966 in Berlin gegründete Grips Theater einen Namen und politische Feinde. Fast 20 Jahre später wurde die musikalische Revue „Linie 1″ zum größten Erfolg der Bühne. Bis heute ist sie nach Brechts „Dreigroschenoper“ das erfolgreichste deutsche Musical. Bis heute auch hat das Grips Theater, in dem auch einige T- Stars von heute ihre Lehr- und Wanderjahre erlebten u.a. Tatort-Kommissar Axel Prahl oder Schauspieler Heinz Hönig, sein emanzipatorisches Konzept beibehalten und dafür einige Preise eingeheimst. Das heißt allerdings nicht, dass man in Berlin nicht auch immer wieder Neuland betritt wie mit dem Stück „Das Blaue Gold oder Wem gehört die Welt?“ über den Umgang mit Trinkwasser oder mit Sonderformaten wie der „Berliner Kinderkongress“. Auch Erfolgsregisseur Sönke Wortmann inszeniert am Grips.
Im Internet: http://www.grips-theater.de/
Mehr auf die heile Kinderwelt konzentriert sich das 1969 gegründete Kinder- und Jugendtheater Frankfurt, das mit dem „Kleinen Muck“ Premiere feierte und seit 1999 auch Kinderfestspiele im Nidda-Park veranstaltet. Aber auch das Raumschiff Enterprise kam hier neben klassischen Märchen-Inszenierungen schon auf die Bühne. Aktuell im Programm sind das „Dschungelbuch“, Janoschs „Post für den Tiger“ und eine Begegnung mit Friedrich Schiller für Menschen ab 12.
Im Internet: http://www.kiju-theater.de/
Eine ganze Nacht im Theater verbringen können Kinder ab neun einmal im Monat im Dschungel Wien. Nach der Theatervorstellung und einem Abendessen werden gemeinsam Geschichten und Figuren entwickelt, die um Mitternacht auf der Bühne präsentiert werden. Geschlafen wird in den Theatersälen. Das „Theaterhaus für junges Publikum“ (von 18 Monaten bis 25 Jahre) wurde im Oktober vor zehn Jahren eröffnet und hat sich vorgenommen, „die ganze Verrücktheit und Spontaneität von jungen Menschen“ erlebbar zu machen. Das Spektrum reicht aktuell vom Bewegungstheater nach Janoschs „Frosch und Tigerente“ über das Tanztheater „Lovesongs“ bis zum Schauspiel „Ein Schaf fürs Leben“ nach dem gleichnamigen Kinderbuch über eine ungewöhnliche Freundschaft.
Im Internet: http://www.dschungelwien.at/
„Brauchen Kinder Märchen?“ heißt es auf der Website des Vereins Schweizer Kinder- und Jugendtheater. Eine rhetorische Frage, denn das 1966 gegründete Kinder- und Jugendtheater Zürich ließ sich von Anfang an von den Märchen der Brüder Grimm inspirieren. Werden doch Märchenstoffe „so erzählt, wie Kinder denken und die Welt erleben“. „Dialektmärli-Vorstellungen“ wie derzeit Frau Holle sollen der ganzen Familie Gelegenheit bieten, „gemeinsam in fantasievolle Märchenwelten abzutauchen“.
Im Internet: http://www.maerli-theater.ch/
Weitere Informationen
Vom 23. Bis 31. Mai findet in Warschau der 18. ASSITEJ Weltkongress und Internationales Theaterfestival für junges Publikum „Facing the audience“ statt, bei dem sich Kinder- und Jugendtheatermacher aus aller Welt treffen und ihre Produktionen präsentieren. Gastgeber ist dieses Jahr das Internationale Festival des Theaters für Kinder und Jugendliche „Korczak“. Infos unter
http://www.assitej2014.pl
Mehr zur ASSITEJ International unter http://www.assitej-international.org
Webseiten zu Kinder- und Jugendtheater
http://www.Kjtz.de, http://www.jugendtheater.net, http://www.interplay-europe.net/