Erst die schlechte Nachricht. Die Luftfahrt ist dabei, ihr Ziel, bis 2050 klimafreundliches Fliegen umzusetzen, krachend zu verfehlen. Laut dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) könnten 2050 bereits 60 Prozent mehr CO2-Emissionen entstehen als 2019. Keine derzeit möglichen Strategie sei für sich genommen ausreichend, um die Emissionsziele zu erreichen, heißt es in einer kürzlich vorgestellten Analyse, in der innovative Antriebe für einen klima-verträglicheren Luftverkehr untersucht wurden. Dazu zählen dem TAB zufolge elektrische Antriebe, nachhaltigere Kraftstoffe aus Abfall oder Biomasse, grüner Wasserstoff (H2), die Optimierung von Kraftstoffen, ein nachhaltigerer Flugzeugentwurf sowie eine Emissionsreduktion durch Effizienzsteigerungen.
Der Luftverkehr wächst weiter
Weltweit stehen die Zeichen auf Wachstum im Luftverkehr, obwohl Schätzungen zufolge 80 bis 90 Prozent der Weltbevölkerung noch nie geflogen sind. Auch die globale Flugzeugflotte wächst und wird sich 2042 voraussichtlich auf rund 47 000 Jets verdoppelt haben. Und noch gibt es keinen überzeugenden klimafreundlichen Antrieb. SAF (Sustainable Aviation Fuel) ist teuer und knapp. Laut Experten müsse man mit mindestens 20 bis 30 Jahren bis zum erfolgreichen Einsatz rechnen. E-Fuels ähneln in ihrer chemischen Zusammensetzung fossilen Kraftstoffen wie Kerosin und werden durch Elektrolyse von Wasser in Wasserstoff und die anschließende Umwandlung von Wasserstoff mit CO₂ in synthetische Kraftstoffe hergestellt. Allerdings wäre für die Deckung des Strombedarfs von E-Fuels laut TAB ein massiver zusätzlicher Ausbau der erneuerbaren Energien nötig.
Schnelle Lösungen seien weder bei Antrieben noch bei neuen Kraftstoffen zu erwarten, so TAB. Gefordert sei ein Mix aus Maßnahmen: Effizientere Routen, eine bessere Auslastung der Flugzeuge, eine geringere Reisegeschwindigkeit und langsamere Sinkflüge sowie die Vermeidung von Umwegen.
Effektive Routenplanung
In Zeiten von Kriegen und Krisen sind Umwege allerdings kaum vermeidbar. Aber, und das ist die gute Nachricht, es gibt auch eine andere Möglichkeit, umweltfreundlicher zu fliegen: die Vermeidung von Kondensstreifen durch geänderte Routenplanung. Laut Prof. Dieter Scholz, der an der HAW Hamburg zum Umweltschutz in der Luftfahrt forscht, lassen sich die Emissionen so um 50 Prozent verringern – und das schon morgen.
Was sind Kondensstreifen?
Kondensstreifen sind anthropogene, also vom Menschen gemachte Wolken. Sie haben einen wärmenden Effekt, weil sie die Wärmestrahlung, die von der Erde ausgeht, daran hindern, ins Weltall zu gelangen. Kondensstreifen entstehen auf 11 000 Metern Höhe in „eisübersättigten Regionen“. Hier kondensiert Wasserdampf mit Rußpartikeln aus dem Abgas zu Eiskristallen. Als Kondensstreifen bleiben sie bis zu 17 Stunden sichtbar und wirken wie Glasscheiben in der Nacht – wärmend. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat bereits 2011 die unterschiedlich wärmenden und kühlenden Kondensstreifen errechnet. Demnach produziert nur ein Fünftel der Flüge langlebige Kondensstreifen, nur fünf Prozent sorgen für wärmende Kondensstreifen.
Keine großen Kosten
Man müsse also nur fünf Prozent der Flüge umleiten, folgert Prof. Scholz und fordert, dass Airlines das Über- oder Unterfliegen „eisübersättigter Gebiete“ von vornherein in ihre Routenplanung einbeziehen sollten. Solche Umroutungen könnten laut dem Flugplanungsunternehmen Flightkeys sofort umgesetzt werden. Ohne große Zusatzkosten: Bei einem Flugticket für 100 Euro würde die Kondensstreifenvermeidung demnach acht Cent kosten. Bei der Internationalen Transport Association (IATA), dem Dachverband der Fluggesellschaften, sticht das Argument allerdings nicht. Die klimafreundlichen Flugziele seien noch zu wenig ausgereift, heißt es lapidar.
Die Frist der EU
Dem hält Prof. Scholz die Tatsache entgegen, dass die Emissionen nach der EU-Forderung „Fit for 55“ schon bis 2030 um 55 Prozent reduziert werden müssen „und das bezogen auf 1990“. Technik könne das nicht leisten. „Wir haben nur eine Chance – über den Flugbetrieb und zwar durch die Vermeidung von wärmenden Kondensstreifen. Das geht mit bis zu 50 Prozent Reduzierung bereits morgen.“ Hinzu komme, dass das CO2 aus dem Flugzeugkrafststoff nur ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen beim Fliegen ausmache. Kondensstreifen verursachten mehr als die Hälfte.
Besser als CO2-Kompensation
Die Forscher hofften, dass die Airlines in Kürze ihre Flugroute für die Passagiere unmerklich ändern werden, um so während der Nacht wärmende Kondensstreifen zu vermeiden. „Das ganze kostet praktisch nichts“, so Scholz, habe aber einen großen kühlenden Effekt. „Die Wirkung ist so groß, dass man dagegen (zweifelhafte) CO2-Kompensation vergessen kann.“