Im Netz der Fugger

Die Fuggerei kennen die meisten Deutschen. Die ummauerte Puppenstuben-Idylle in honiggelb ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Augsburg. Gegründet hatte die älteste noch bestehende Sozialsiedlung der Welt vor über 500 Jahren Jakob Fugger. „Ehrenhafte Arme“ hatte der Reiche im Sinn, und von seinen Schützlingen forderte er vor allem Fürbitten. Zinsen in Form von Gebeten sollte dem frommen Wohltäter die Stiftung bringen und so seinem Seelenheil förderlich sein.

Die Fuggerei ist bis heute ein ganz besonderes Refugium.

Neun Städte auf der Fuggerstraße

Berechnend war Jakob der Reiche wohl und – wenn es um die Mehrung des Fuggerschen Wohlstandes ging – auch nicht zimperlich. Er vernetzte Städte und Länder mit Handelsniederlassungen und schuf einen internationalen Montankonzern mit eigener Weltbank. Heute können Touristinnen und Touristen auf der Europäischen Fuggerstraße das Netz erkunden, das die Fugger über Europa gespannt hatten. Zu der von der Regio Augsburg ins Leben gerufenen Touristenstraße gehören mittlerweile neun Orte in Deutschland, Österreich, Südtirol und Spanien, aber auch in Polen und in der Slowakei.

Eine Faktorei in Breslau

Wie wäre es also mit einer Reise auf den Spuren der Fugger? Nicht in die Berge Österreichs und Südtirols, sondern in Richtung Osten, unter anderem zum Neuzugang Krakau? Doch zuerst Breslau, wo auf dem Rynek ein schmales rosafarbenes Haus steht. Es ist nicht mehr original, aber in diesem schmalsten Haus am Ring war wohl einst eine Faktorei beheimatet. Anton Fugger, der Neffe des reichen Jakob, könnte hier gewohnt haben. Der Standort in Breslaus guter Stube mit dem ikonischen Rathaus wäre für den Vertreter des Augsburger Handelshauses auch standesgemäß gewesen.

Beschaulich ist das Leben auf der Dominsel in Breslau, dem „kleinen Vatikan“

Liebesschlösser wiegen schwer

Und wenn man schon mal hier ist in der Stadt der Zwerge, einst Ausdruck des Studentenprotests gegen das kommunistische Regime, dann sollte man sich auch noch ein paar andere Dinge anschauen. Die Dominsel zum Beispiel, wegen ihrer vielen Kirchen „der kleine Vatikan“ genannt. Neben der Tumski Brücke, die hinüber zur Marienkirche auf der Sandinsel führt, steht schon so ein Zwerg mit schwerem Gerät und behängt mit Liebesschlössern. Er erinnert daran, dass die Brücke vor fünf Jahren von der Last dieser Liebesschlösser befreit wurde. Drei starke Männer hätten einen Monat daran gearbeitet, erzählt Stadtführerin Beata Muszynska.

Der Silberaltar im Dom

Es gäbe noch ganz andere Geschichten auf der Dominsel. Aber eine der wichtigsten ist wohl die vom Dom selbst, der einen Monat vor Ende des Zweiten Weltkriegs zu 70 Prozent zerstört wurde. Stehen blieben nur die fensterlosen Außenmauern. Doch 1954 konnte im wieder aufgebauten Dom die Messe gefeiert werden. Dem entleerten Gotteshaus schenkten andere polnische Kirchen einen Teil ihrer Schätze, Künstler der Kunstakademie Krakau gestalteten neue Glasfenster. Original erhalten geblieben waren nur die – ausgelagerten – Silberfiguren des Hochaltars.

Liebespaare auf der Tumski Brücke

Das goldene  Zeitalter

Womit wir wieder bei den Fuggern wären, die ihren Reichtum unter anderem dem Silberbergbau verdankten. Und natürlich profitierten sie auch vom Goldenen Zeitalter in Krakau, als die Stadt Drehscheibe des Handels zwischen Ost- und Westeuropa war. 1492 schloss Jakob Fugger einen Vertrag mit dem Bergbau-Experten Johann Thurzo über gemeinsames Betreiben von Bergwerken, der mit einer Doppelhochzeit Thurzo-Fugger besiegelt wurde. Nicht nur der mit Jakob Fugger befreundete Kaiser Maximilian I. wusste Heiraten für seine Zwecke zu nutzen…

Geschichte im Untergrund

Im Underground Market der Tuchhallen wird die Zeit in Szene gesetzt, als Kupfer die wichtigste Handelsware war und den Reichtum der Fugger mehrte. Hier unter der Erde ist auch die erste Krakauer Wasserleitung zu sehen, die schon im 14. Jahrhundert für eine funktionierende Wasserversorgung der Stadt sorgte. Das Wissen darum ging allerdings nach der schwedischen Besatzung verloren, bedauert Stadtführerin Sylwia Jeruzal, die im unterirdischen Labyrinth viel über Sitten und Gebräuche der damaligen Zeit zu erzählen weiß. Wieder an der frischen Luft blendet die Sonne, die vom blauen Himmel strahlt. Im Mariendom ist es trotzdem kühl. Im Hauptgang hängt ein großes Kruzifix über dem Altar. Georg Thurzo hat es gestiftet, der Sohn von Johann Thurzo, und verheiratet mit Anna Fugger.

Georg Thurzo hat das Kruzifix über dem Altar im Mariendom gestiftet

Veit Stoß und der Gekreuzigte

Doch die Attraktion im Dom ist natürlich der elf Meter breite und 18 Meter hohe Marienaltar, den Veit Stoß in zwölf Jahren Arbeit schuf. 2808 Goldmünzen soll der Meister für die Mammutarbeit erhalten haben. Die kniende Muttergottes im Zentrum ist aus dem Holz einer 500 Jahre alten Linde geschnitzt und eindrucksvolle zwei Meter hoch. Doch Sylwia Jeruzal ist noch mehr beeindruckt von dem Triumph-Kruzifix an einem der Nebenaltäre. Veit Stoß habe den perfekten Körper des Gekreuzigten zusammen mit dem Kreuz aus einem 17 Tonnen schweren Steinblock herausgemeißelt, sagt die Stadtführerin, und dabei auf die kleinsten Details geachtet – nur der Bauchnabel fehlt. Für Sylwia ein Hinweis des Bildhauers auf die Göttlichkeit des Gekreuzigten.

Geld und gute Kontakte

19 Jahre lebte Veit Stoß in Krakau – von 1477 bis 1496. Gestorben ist der Künstler 1533 in Nürnberg, da, wo sich Georg Fugger, der Bruder Jakobs des Reichen, mit dem Bergwerksingenieur Georg Thurzo getroffen hat, um gemeinsame Pläne zu schmieden. Thurzo brachte das nötige Wissen um Bergwerkstechnik mit, und er hatte gute Kontakte zum ungarischen Königshof. Auch die Fugger hatten gute Kontakte und – Geld. Gemeinsam sorgte man für ein ausgedehntes Faktoreien-Netz, gründete Hüttenwerke in der heutigen Slowakei.

Mit seinen Kupfervorkommen trug Neusohl, das  heutige Banska Bystrica, wesentlich  zum Reichtum der Fugger bei.

Das Kupfer von Neusohl

Kupfer aus Neusohl, dem heutigen Banska Bystrica, trug wesentlich dazu bei, dass die Fugger bald den profitablen Kupfermarkt dominierten. Denn in Neusohl befanden sich die größten Kupfervorkommen Europas, wie Stadtführer Branislav Stancik vor Ort erläutert. Durch die Geschäfte der Familien Fugger und Thurzo wurde die Stadt reich. Im Thurzo-Haus, einem Renaissancebau mit Sgraffitofassade am repräsentativen Marktplatz, ist heute ein Museum zur Stadtgeschichte untergebracht. Besonders sehenswert ist aber der mit Fresken ausgestattete „grüne Salon“, womöglich eine ehemalige Badstube ähnlich denen der Fugger in Augsburg.

Zeitreise im Erlebnismuseum

So richtig eintauchen in die damalige Zeit kann man in der Thurzo-Fugger Erlebnisausstellung im Barbakan, die ganz offensichtlich vom Fugger-Welser Erlebnismuseum in Augsburg inspiriert ist. Mit Hilfe von virtueller Realität und Videoprojektionen unternehmen die Gäste eine Zeitreise, treffen in „sprechenden Bildern“ Jakob Fugger und seinen Geschäftspartner Thurzo auf Augenhöhe und können über eine 3D-Brille die Produktionsräume des Kupferhammers „begehen“. Wer‘s lieber analog mag, kann auch versuchen, einen echten Kupferbarren zu heben.
Für Museumsleiterin Marta Mlíchová ist ein anderer Aspekt wichtig, das harte Leben in den Bergwerken: zwölf Stunden, sieben Tage die Woche schufteten ganze Familien in den heißen Kupferhütten. Schon die Kleinsten mussten mithelfen. Kein Wunder, dass die Menschen nicht alt wurden – das Durchschnittsalter der Männer lag bei 32 Jahren.

Eines der Fresken im grünen Salon des Thurzo Hauses

Bier einst und heute

Das Wasser war so kontaminiert, dass selbst die kleinen Kinder Bier zum Trinken bekamen.  Bier ist auch heute noch wichtig in der Stadt. Im historischen Restaurant Davaj Het, dem ersten der Stadt mit Bierausschank, wird zu den typischen Langos – das Fugger-Langos ist die luxuriöse Ausführung – selbst gebrautes Bier serviert. Unter anderem Jahodovi Porter, ein dunkles Bier mit Erdbeergeschmack. Auch im Kellerrestaurant Roter Krebs in einem der ältesten Häuser von Banska Bystrica, gibt es eine eigene Brauerei. 1507, so erzählt es Wladislaus Lukas beim Bier-Tasting, war Jakob Fugger hier zu Gast. Denn schon zu seiner Zeit hatte Neusohl das Recht zum Bierbrauen.

Eine Burg zur Begleichung der Schulden

Bei so viel Fugger-Erinnerung ist es kein Wunder, dass die slowakische Stadt ein Impulsgeber für die Europäische Fuggerstraße ist. Und weiter geht‘s. Rund zwei Stunden Autofahrt von Banska Bystrica steht die mächtige Burg Cerveny Kamen, deutsch Bibersburg, die über die Thurzo an die Fugger kam. Königin Maria von Ungarn hatte Schloss und Herrschaft 1522 zur Hochzeit erhalten und beides ein Jahr später Alexis Thurzo übereignet. 1535 trat er die Herrschaft zur Begleichung von Schulden an Raymund, Anton und Hieronymus Fugger ab, die zuvor von König Ferdinand in den Adelsstand erhoben worden waren.

Die eindrucksvollen  Kelltergewölbe in der Burg Cerveny Kamen

Neue Verwandte

Die Fugger leisteten sich eine kostspielige Instandsetzung der repräsentativen Immobilie und verkauften sie 1583 an die Familie Pálffy – auch Verwandtschaft, denn Nikolaus Pálffy war mit Maria Magdalena Fugger verheiratet. Ihr Porträt ist im Renaissance-Trakt der Burg zu sehen. Auch sonst hängen einige wichtige Persönlichkeiten an den Wänden. Und in den Räumlichkeiten ist Mobiliar aus Renaissance und Empire zu bewundern. Wer tiefer eindringen will in die Geschichte, muss jedoch in den Keller. Die gigantischen Hallen mit den mächtigen Mauern dienten den Fuggern als Lager für Rohstoffe. Auch Wein und Lebensmittel wurden hier aufbewahrt. Der Weg zurück zum Parkplatz führt durch eine Baumallee, gesäumt von alten Linden und ebensolchen Kastanien, die womöglich schon da standen, als die Fugger hoch zu Roß ihre imposante Außenstelle besuchten.

Der Charme von Bratislava

Man war ja in ständigem Kontakt mit dem damaligen Oberungarn, auch familiär durch die Verbindung mit den Pálffy. Schon deshalb lohnt sich noch ein Kurzabstecher nach Bratislava zur Pálffy-Gruft im Dom St. Martin.

Der – versteckte –  Eingang zur Palfi-Gruft

Aber natürlich hat die slowakische Hauptstadt, die 300 Jahre lang Hauptstadt von Ungarn war, noch einiges mehr zu bieten als ein Fädchen im Netz der Fugger. Eine lebendige Altstadt, in der am Abend das (junge) Leben tobt, die fantastische Aussicht vom Burgberg aus auf die Donau und die spektakuläre asymmetrische Hochseilbrücke mit dem Drehrestaurant UFO, die Oper im Stil des Historismus, das Präsidentenpalais aus dem 18. Jahrhundert, wo Kaiserin Maria Theresia das Hochzeitsfest für ihre Lieblingstochter Maria veranstaltete. Für die Neustadt, wo die Türme in den Himmel wachsen, hat Zara Hadid drei Hochhäuser entworfen. Womöglich hätten die Fugger hier einen neuen Außenposten etabliert. Sie waren ja eigentlich immer ihrer Zeit voraus.

Europäische Fuggerstraße. Neben Augsburg und dem slowakischen Banska Bystrica gehören Bad Hindelang, Bad Gastein, Schwaz, Hall in Tirol, Sterzing, das spanische Almaden und neuerdings Krakau dem Netzwerk an: www.fuggerstrasse.eu/de

Die Europäische Fuggerstraße schlägt eine Brücke von Augsburg zu den Handelsplätzen und Bergwerken der Fugger.  Das Bild zeigt die  Pater Bernatek Fußgängerbrücke in Krakau.

Hinweis
Die Autorin war auf Einladung der Regio Augsburg und Hörmann Reisen auf den Spuren der Fugger unterwegs.

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