Eitel Sonnenschein: Ausflug der Touristischen Runde nach Garmisch-Partenkirchen

Schon früh brannte die Sonne von einem durch keine Wolke getrübten blauen Himmel. Der Ausflug der Touristischen Runde nach Garmisch-Partenkirchen begann heiß, zwischendurch gab’s eine ordentliche Dusche und zum Ausklang am Riessersee schien uns wieder die Sonne. Ja, wenn Engel reisen…

Ein bisschen Verspätung ist immer drin bei so einem Ausflug: Stau, kein Navi, der Parkplatz zu groß. Zwei hatten abgesagt, einer kam gar nicht. Die anderen aber sind schwer motiviert und lassen sich nicht lange zum schweißtreibenden Anstieg über den besonnten Hügel zur Großschanze bitten. Während wir uns die Stufen hinauf mühen, hüpfen Springflöhe aus aller Welt über eine der kleineren Schanzen – bis zu 43 Meter weit. Mit fünf Jahren beginne ein Springer seine Karriere, erklärt uns Schanzenführerin Monika Maier, die kein Hehl aus ihrer Begeisterung macht und so unaufgeregt die vielen Stufen erklimmt, dass wir nur staunen. Zwei Mal am Tag mache sie so eine Führung, erzählt sie, manchmal auch drei Mal. Außer Puste gerät die rundliche Frau dabei nur selten, und die Themen gehen ihr auch nie aus. Von den Anfängen 1910 berichtet sie, als die „Naturburschen“ noch von einer Naturschanze aus sprangen, von der hölzernen Gudeberg-Schanze aus dem Jahr 1921, die 1935 für die Olympischen Winterspiele im Jahr darauf modernisiert wurden. 6000 000 Besucher, erfahren wir, kamen 1936 nach Garmisch-Partenkirchen, 130 000 standen im Stadion auf Erdhügeln und Holztribünen, um Willy Bogner sen. den olympischen Eid sprechen und Olympiasieger Birger Ruud springen zu sehen. 
Die monumentalen Steinfiguren im Stadion erinnern noch an diese Zeit. Doch sonst ist alles anders. Von den Nazi-Spielen hat man sich distanziert. Und die große Schanze hat ebenso wenig mit jener zu tun, von der Birger Ruud zum Sieg sprang wie Ruuds Springstil mit dem V-Stil unserer Tage. In acht Monaten wurde das futuristisch anmutende Bauwerk hingestellt, wo vorher die „alte Dame“ stand, 1950 noch die „modernste Sprungschanze der Welt“. Die Betonschicht der neuen Schanze, so die Schanzenführerin, „musste per Hand aufgetragen werden von Arbeitern, die in Klettergurten hingen“. Wir sehen nur eine grüne Matte fürs Sommerskispringen, die in ein grobmaschiges Gittergeflecht eingehängt ist. Im Sprungrichterturm, wo die fünf Sprungrichter in Einzelkabinen, die an Isolationshaft erinnern, über ihre Wertungen brüten, erfahren wir, dass bislang nur fünf Springer von allen Sprungrichtern die Bestnote 20 bekommen haben, darunter Sprungidol Sven Hannawald. Wir hören, dass die Weiten- und die Haltungsnote zu gleichen Teilen zählen und dass der Windfaktor bei der Bewertung mit eingerechnet werde. Bei uns wäre das nicht nötig. Kein Lüftchen weht hier oben und wir geraten ganz schön ins Schwitzen. Nur Monika Maier nicht – trotz ihrer schwarzen Dienstkleidung. 
In Schwitzen geraten sind wahrscheinlich 2007 auch die Arbeiter, die den 650 Tonnen schweren Anlaufturm vor Ort liegend montieren und dann aufrichten mussten. Und dann funktionierte beim ersten Springen der Aufzug nicht. Die Springer mussten – wie wir – zu Fuß hinaufgehen. Fünf Mal! Uns reicht das eine Mal. Doch allein der Blick von ganz oben lohnt die Mühe. Unter uns breitet sich Garmisch-Partenkirchen aus, die Doppelstadt, die ihre Hochzeit den Spielen von 1936 zu verdanken hat und deren Partner bis heute auf Eigenständigkeit beharren mit zwei Pfarreien, zwei Skiclubs, zwei Feuerwehren… Um den Siedlungsbrei herum stehen felsenfest die Berge bis hin zur Zugspitze. Noch eine kurze Rast im Konzentrationsraum der Springer – spätestens da würde ich wohl kneifen – dann geht’s bergab. Über die „Himmelsleiter“, 332 Stufen in die Tiefe. Am Ende erfahren wir, dass wir 1100 Stufen rauf und runter gelaufen sind – und manchen zittern noch nachträglich die Knie.
Da kommt das Weißwurst-Frühstück in der nostalgischen Eckbauer-Bahn wie gerufen. Gemütlich lassen wir uns nach oben schaukeln und uns Weißwürste, Bier und Brezen schmecken. Alles ganz wunderbar! Die alten Gondeln schaukeln über Bergwiesen und durch Bäume, geben den Blick frei auf die Berge und kommen genau dann oben an, als wir den letzten Schluck getrunken haben. Weil die meisten müde Beine haben, fahren wir nach kurzem Rundblick mit den Gondeln wieder ins Tal. Nach dem doppelten Genuss heißt es wieder laufen: Bis zur Partnachklamm und durch die Klamm. Da wird’s dann endlich etwas kühler, von oben rinnt Wasser über die Felsen und in den dunklen „Tunnels“ steht die Feuchtigkeit. Sonst steht hier nichts. Alles ist in Bewegung und Fotografen haben es bei dem Gegenverkehr schwer, nicht abgedrängt zu werden. Offensichtlich hatten andere auch die Idee, an diesem Sommertag lieber in der kühlen Klamm zu wandern als in der Mittagshitze über den Berg zu kraxeln. 
Auf dem Rückweg lassen sich ein paar Teilnehmer nicht lange bitten und steigen in die Pferdekutsche, während die Unermüdlichen auch den Rest des Wegs zu Fuß zurücklegen – bis zum Auto. Denn nun geht’s hinein nach Garmisch. Zum Gasthof Mohrenplatz, wo wir dankbar sind für eisgekühlten Kaffee, kaltes Mineralwasser und sahnigen Kuchen. Dass sich genau jetzt die Sonne hinter einem dunklen Wolkengebirge versteckt und der Himmel  kübelweise Regen über Garmisch ausschüttet, stört uns kaum. Wir rücken drinnen im gemütlichen Gastzimmer eng zusammen, trinken noch ein Bier, noch einen Kaffee und brechen dann mit unserer geduldigen Stadtführerin Birgit Neuner auf zu einer klitzekleinen Stadtführung. 
Doch schon auf den ersten Schritten gerät die Gruppe ins Stocken. Eine Holzskulptur mit geteilten Olympischen Ringen zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Und als der Holzbildhauer York W. Beermann dazu kommt und erzählt, wie er aus dem eine halbe Tonnen wiegenden Holzstamm seine Skulptur geschnitzt hat und was er damit aussagen will (natürlich pro-Olympia!), spitzen alle die Ohren. Doch wir müssen weiter. Im Kurhaus wartet schon die Journalistin Lilian D. Edenhofer, die uns durch die Ende-Ausstellung führen will. Hier erfahren wir alles über Michael Ende. Warum er in Garmisch geboren wurde und wie er wieder nach Garmisch zurück kam, was er an Kinderbüchern geschrieben und welche Bücher er für Erwachsene verfasst hat, wie sein Vater, der Surrealist Edgar Ende, ihn beeinflusst hat und dass der erfolgreiche Schriftsteller Schildkröten gesammelt hat. Wir begegnen dem „Traumfresserchen“ und den „Grauen Männern“ aus Momo, Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer aus der Augsburger Puppenkiste, wir freuen uns über Ende-Einsichten, die Lilian Edenhofer zitiert und über einen Text, den die jüngste unserer Gruppe, Julia, vorliest. Und im Kurgarten, der heute als Michael-Ende-Garten firmiert und deshalb auch im Sinn seines Namensgebers immer fantastischer wird, ziehen ein paar von uns sogar die Schuhe aus, um den Barfußweg zu testen, während Julia über den Rücken der Riesengrasschildkröte springt. 
Danach bleibt grade noch Zeit für den Richard Strauß Brunnen mit seinen drei Grazien Elektra, Daphne und Salome, für einen kurzen Blick auf das Traditionscafé Krönner und auf zwei Häuser mit Lüftlmalerei. Birgit Neuner könnte uns noch viel erzählen. Aber die Zeit reicht nicht einmal mehr für die Alte Kirche mit ihren gotischen Fresken. Am Riessersee wartet schon das Hotel darauf, uns zu bewirten – und wir wollen die freundlichen Gastgeber nicht länger warten lassen. Die dicken Wolken sind inzwischen weiter gezogen und mit ihnen der Regen. Die Sonne wirft ihre letzten Strahlen auf den See und auf unser Floss, das fest am Ufer vertäut ist. Wir sitzen an weiß gedeckten Tischen, schauen über den goldgesprenkelten See, lassen uns den Schweinsbraten und die Knödel, die Schokoladenmousse und das Eis schmecken und sind uns alle einig, dass wir nicht fliegen müssen, um sagen zu können: „Heit is so a schöner Tag“.  
3 Kommentare
  • Georg Ahner
    Juli 31, 2013

    Schaut nach einem sehr gelungenen Ausflug aus 😉 Schöne Bilder!
    Gruß, Georg

  • Catherina Klotz
    September 23, 2013

    Ich habe gerade den netten Artikel über den Rundenausflug gelesen und die Fotos angeschaut: das schöne Gefühl des Tages kommt gleich wieder auf!
    Diese Ausflüge sind immer eine bleibende Erinnerung.

    Vielen Dank für die tolle Organisation.

    Herzliche Grüße
    Catherina

  • Lilo Solcher
    September 28, 2013

    Das freut mich, Catharina. Gerne mal wieder!

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert