Mission impossible: Louis Jensens „33 Cent um ein Leben zu retten“

Er ist 14 Jahre alt – und er beschließt, den Kampf gegen den Hunger in der Welt aufzunehmen. Allein gegen alle. Nein, nicht ganz: Anne, seine große Liebe, weiht er in das Unternehmen ein und ein bisschen auch die Oma. Nicht aber die Eltern.  

Die Mutter, eine Lehrerin, ist ohnehin nur am reibungslosen Ablauf des Familienlebens interessiert. Und der Vater, ein selbstgerechter Richter, pocht auf das Gesetzbuch. Die kleine Schwester Sara dagegen, die in ihrem Kinderzimmer eine rosarote Scheinwelt um Ken und Barbie aufbaut, ahnt, dass ihr Bruder mit seinem Robin-Hood-Feldzug auch gegen die Eltern rebelliert und gegen eine Gesellschaft, die schweigend zulässt, dass jeden Tag Kinder verhungern, während sie in Luxus schwelgt.
Der Junge, von einem engagierten Lehrer darüber informiert, dass 33 Cent ausreichten, um ein Kind in Afrika einen Tag lang zu ernähren, will nicht länger zusehen. Er will handeln. Also geht er nicht mehr regelmäßig zur Schule, sondern arbeitet auch im Supermarkt. Das Geld spart er – für die hungernden Kinder. Bald ist ihm das zu wenig und wie sein Vorbild Robin Hood beginnt er zu stehlen, von den Reichen zu nehmen um es den Armen zu geben. Er überweist Geld vom Konto seines Vaters und entwendet schließlich einen Kühlwagen voller Lebensmittel, um damit nach Afrika zu fahren. Anne begleitet ihn. Dass die beiden unbehelligt bis Marokko kommen, ist ein Wunder. Aber dort ist ihre Reise zu Ende. Bei einem Überfall durch Jugendliche kommt Anne ums Leben. Die Mission ist gescheitert. Und weiter? 
Am Ende wacht der Möchtegern-Weltenretter im Krankenhaus auf, seine kleine Schwester schenkt ihm ein leuchtendes Herz, das ihn an die Engel erinnert, von denen er immer geträumt hat. Damals, als er sich noch die Frage nach der Gerechtigkeit in der Welt gestellt hat. Und vielleicht auch an die rätselhafte Weiße Frau, die Anne und ihm über die Grenze geholfen hat, die aber Anne nicht retten konnte. 
Louis Jensen, einer der wichtigsten dänischen Autoren, hat das Buch ganz aus dem Blickwinkel des pubertierenden Jungen geschrieben. Eines Rebellen, der in einer hohlen Welt auf der Sinnsuche ist und den das Mitleid mit den hungernden Kindern in Afrika in die Radikalität treibt. Ratschläge von Erwachsenen lehnt er ab. „Du kannst nicht die Welt retten“, sagt ihm sein Vater, „Du bist dabei, dein eigenes Leben zu ruinieren.“ Das will der Junge nicht hören, lieber denkt er an Jesus, der zu seiner Zeit auch die Gesetze der Juden brach und natürlich an Robin Hood: „Ein klein wenig bin ich ein Räuber. Aber mein Kampf ist gerecht. Niemand soll sterben. Johannes der Täufer und Jesus und Robin Hood halten zu mir.“ 
Louis Jensen will mit seinem Buch, das in Dänemark als „das wichtigste Buch des Jahres“ gefeiert wird, aufrütteln. Das gelingt ihm auch. Die Leser werden sich Gedanken machen, sie werden vielleicht helfen wollen. Nur: Wie das gelingen könnte – dabei hilft ihnen das Buch nicht weiter. Durch die Reduzierung auf die Vorstellungswelt eines pubertierenden Jungen bleiben die Charaktere klischeehaft, bleiben die Hintergründe für den Hunger in der Welt im Dunkeln. Am Ende rätseln die Leser, wie es dem 14-Jährigen gelingen konnte, den Kühlwagen durch ganz Europa zu steuern ohne aufzufallen, wer die „Weiße Frau“ war und warum die jugendlichen Räuber in Marokko zuschlugen. Darauf bleibt Jensen die Antwort ebenso schuldig wie auf die Frage, wie der Junge seine so dramatisch gescheiterte Mission verkraften wird. 
Info: Louis Jensen, 33 Cent um ein Leben zu retten, Hanser, 155 S., 12,90 Euro (ab 14) 

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