Da steht sie, die Pistole in der Hand und sie zielt – auf mich! Recht geschieht es mir, schließlich habe ich mich in die Krimihauptstadt gewagt, nach Hillesheim. Und hier ist man ganz auf Kriminelles eingestellt. Auch die 57-jährige Petra Denter, die bei einer Krimiführung schon mal in die Rolle des Bösewichts schlüpft. Die Waffe in ihrer Hand ist wirklich eine Schreckschusspistole. Die Frau mit dem tief in die Stirn gezogenen Hut könnte mich auch nicht aus Versehen erschießen, wie es wohl kürzlich bei Dreharbeiten in Hollywood passiert ist.
Petra Denter ist Krimi-Führerin in Hillesheim und als solche mit allen Wassern gewaschen. „Noch sind unsere Morde fiktiv“, sagt sie und verstaut die Spielzeug-Waffe in ihrem ausgebeulten Rucksack. An den Requisiten trägt die Führerin manchmal ganz schön schwer. Schließlich geht es ihr darum, die Krimis nicht nur zu erzählen, sondern sie auch realitätsnah zu inszenieren. Ein abgeschnittener Finger kann den Mitläufern schon mal das Gruseln lehren. Hella Blick nennt sich die 57-jährige Mutter zweier Söhne auch gern, wenn sie Krimisüchtige durch die Stadt führt.
Kommissar Zufall sei Dank
Kommissar Zufall habe sie zu dem Job gebracht, verrät sie. Die Bekanntschaft mit Ralf Kramp, seines Zeichens Krimiautor und Krimi-Sammler, tat ein übriges. „Ich wollte einfach meine Heimat mal anders kennen lernen“, erklärt die Führerin und deutet auf den 28 Meter tiefen Burgbrunnen vor der Kirche: „Da unten gab‘s garantiert Leichen.“ Und an der schön erhaltenen Stadtmauer klärt sie darüber auf, dass hier 26 Frauen als Hexen umgebracht wurden – verbrannt, ertränkt, erschlagen. Keine schöne Vorstellung. Weshalb Hella Blick schnell einen Heinz-Erhardt-Sketch einschiebt.
Viel kriminelle Energie
Vor allem komisch sollen die Kurzkrimis sein, die sie erzählt. Hinterhältig, das schon. So wie dieser Kürzest-Krimi: „Sollte einst dein Mann dir aus dem Maare winken, wink‘ zurück und lass‘ ihn sinken“. Sowas mag Hella Blick ganz besonders, vergnügt berichtet sie davon, dass ihre Gäste auch gern selbst aktiv werden, wenn es darum geht, eine mörderische Szene zu inszenieren. Etwa wenn im Kurzkrimi „eine Dame übers Geländer gehievt“ werde.
An krimineller Energie mangelt es hier offenbar nicht. Auch der neue Krimi-Trail „Eifel-Tatort“ erfreut sich größter Beliebtheit. „Am Anfang haben uns die Leute die Bude eingerannt“, erinnert sich Laura Groß von der Touristik GmbH Gerolsteiner Land. Und das, obwohl die kriminelle Schnitzeljagd nur mit einen Internet-fähigen Smartphone möglich ist und die Akte für die rund zweieinhalb-stündigen Ermittlungen 25 Euro kostet. Den Erfolg erklärt sich Groß auch damit, dass man das populäre Prinzip „Escape Room“ ins Freie transponiert habe.
Öfter mal was Neues
„Wir versuchen immer wieder Neues zu machen“, sagt auch Manfred Schmitz, Leiter der Tourist Information Hillesheim. Der Touristiker ist sichtlich stolz auf das Alleinstellungsmerkmal Krimihauptstadt. Er erinnert sich noch an die Anfänge im Jahr 2000 und an den ersten Eifel-Krimi von Jacques Berndorf, den „Vater aller Regionalkrimis“. Dem ersten folgten viele weitere. Nun, nach dem 40. Eifelkrimi, will der Journalist Michael Preute den Krimi-Autor Jacques Berndorf in den verdienten Ruhestand schicken. Preute hatte es in die Eifel verschlagen – nach Berndorf in der Nähe von Hillesheim.
Hauptsache authentisch
Bodenständig wie das Pseudonym des Krimi-Autors soll auch in Hillesheim alles ein. „Es gibt jeden Stock und Stein, jeden Baum und jede Katze“, garantiert Tourismuschef Schmitz. Da will er keine Abstriche machen und die Krimischreiber sollen es auch nicht. „Wir leben von der Authentizität der Krimis“. 50 Autoren schreiben inzwischen Eifelkrimis – und die Begeisterung dafür scheint nicht abzuebben.
Ralf Kramp und das Café Sherlock
Einer der erfolgreichsten Autoren neben Berndorf ist Ralf Kramp, der auch in Hillesheim wohnt und seiner Sammelleidenschaft gleich ein ganzes Haus gewidmet hat. Das Kriminalhaus mitten in der Stadt beherbergt nicht nur ein gut geführtes, riesiges Krimi-Archiv, sondern auch das Café Sherlock, wo die Gäste sich an Thementischen so leckere Dinge servieren lassen können wie Tomatensuppe Corleone oder einen KillerMax. Der Hausherr, grauhaarig mit Bart und Brille, sieht so gar nicht nach Ganove aus. Kriminelle Energie hat der gelernte Schilder- und Lichtreklame-Maler allerdings schon vor 26 Jahren bewiesen, als er seinen ersten Krimi veröffentlichte. Da war er 32 Jahre alt. So richtig in Fahrt kam seine kriminelle Laufbahn im Jahr 2000, als er seine zweite Frau kennenlernte, die als Buchhändlerin seine Passion teilt.
Reiche Beute aus Flohmärkten
„Ohne meine Frau wäre das Ganze nicht möglich“, sagt Kramp und führt seine Besucher durch Labyrinthe von Decken hohen Bücherregalen bis hinauf unters Dach. Hier wartet seine neueste Idee, die Soko Dachkammer. „Lüften Sie das finstere Geheimnis um den spektakulären Mordfall aus dem Jahr 1978“ fordert ein Plakat die Besucher auf. 25 Euro kostet die „Fallakte“ für zwei Personen. Dafür finden sie sich mit einer aufwändigen Inszenierung konfrontiert, in der alles bis aufs kleinste Detail stimmt. Die Kramps haben für die Szenerie Flohmärkte nach authentischen Requisiten aus den 1970iger Jahren durchkämmt.
Faible für Agatha Christie
Dabei und auf Sammlerbörsen finden sie auch immer wieder Dinge für die Thementische im Café: Brillen, Briefe, Ansichtskarten, Tickets und vieles mehr. Der erfolgreichen Fernsehserie „Mord mit Aussicht“, die in der Eifel spielt, hat Kramp einen eigenen Thementisch gewidmet wie auch den großen Krimi-Heldinnen und Helden Miss Marple, Colombo, Maigret oder Sherlock Holmes.
Für Agatha Christie hat Kramp ein ganz besonderes Faible. Ihr hat er nicht nur eine Spezialsammlung gewidmet, sondern im Café auch noch eine Orient-Express-Inszenierung.
Alles ist möglich
Ich bestelle mir erstmal einen „Schwarzen Tod“, wie die Kaffeemischung hier heißt. Soll ich mir noch ein Buch aus dem Archiv dazu holen? Oder besteht dann die Gefahr, dass ich über die spannende Lektüre ergraue wie die Dame im Lehnstuhl, die wohl schon seit Jahren dort sitzt? Sterben werde ich am Schwarzen Tod wohl eher nicht. Allerdings: In der Krimihauptstadt Hillesheim ist so manches möglich.
Kurz informiert
Anreisen Am Autobahnkreuz Koblenz den Schildern A 48 Luxemburg/Trier folgen bis zum Autobahndreieck Vulkaneifel. Hier den Schildern A 1 Richtung Gerolstein/Daun bis zur Ausfahrt Gerolstein folgen, weiter auf der B410 Richtung Köln/Gerolstein nach Hillesheim.
Krimi Hillesheim wird seinem Namen als Krimihauptstadt mit zahlreichen Aktivitäten rund ums Thema gerecht. Es gibt eigene Krimiführungen, für die ein dreiköpfiges Ermittlerinnenteam bereit steht, Krimi-Wanderungen und einen Krimi-Bus, der allerdings wegen der Corona-Beschränkungen bislang nicht fahren konnte. Neu ist der Krimi Trail mit einer eigenen Fall-Akte für 25 Euro. Infos dazu unter www.krimiland-eifel.de
Das Krimihotel wurde von der Jahrhundertflut stark in Mitleidenschaft gezogen und wird wohl nicht vor Jahresende wieder öffnen. Im Zentrum des Geschehens steht das Kriminalhaus mit dem Café Sherlock, dem Deutschen Krimi-Archiv und der Buchhandlung. Hobby-Kriminalisten können hier für 25 Euro „Das Geheimnis der Dachkammer“ lösen: www.kriminalhaus.de
Informieren Tourist Information Hillesheim, Am Markt 1, 54576 Hillesheim, Tel. 06591/133300, E-Mail: hillesheim@gerolsteiner-land.de