Der Flug von Hannover nach Larnaca auf Zypern zieht sich. Wir sind am Nachmittag gestartet – und bis wir am Flughafen ankommen, ist es dunkel – und eine Stunde später als bei uns. Nichts da von Sonnenuntergang am Strand von Agia Napa. Aber der Empfang ist freundlich, ein Drink tut jetzt gut und obwohl wir von TUIfly gut verpflegt worden sind, schmecken die Häppchen. Die Koffer sind schon auf die Zimmer gebracht worden. Elektro-Caddys warten, um uns zu unserer Unterkunft zu bringen. Ich habe das Gefühl, ich sei in einem Labyrinth gelandet, aus dem ich nie mehr rausfinde.
Achterbahnfahrt durch die Berge
Dabei muss ich am nächsten Morgen schon früh fit sein. Ein Ausflug übers Land steht an. Ich wusste ja, dass Zypern bergig ist, aber nicht, wie kurvenreich die Straßen in den Bergen sind. Eine Achterbahnfahrt ist nichts dagegen. Die Landschaft hat sich verändert, von der fruchtbaren Ebene mit den goldgelben Feldern in eine karge Landschaft, in der lilafarbene Zistrosen Farbakzente setzen. Inzwischen wissen wir viel über Zypern, diese noch immer geteilte Insel. Tatjana Paraskeva, schlank, blond und energisch, hat uns auf eine tour d’horizon mitgenommen. Wir sollen uns nach diesem Ausflug als Halb-Zyprioten fühlen, sagt sie. Und dafür müssten wir einiges wissen über Zypern, das sich lange Zeit als „Insel der Götter“ vermarktet hat, weil der Sage nach hier Aphrodite, die Göttin der Liebe und der Schönheit, als Schaumgeborene dem Meer entstiegen ist.
Die Zyprioten sind große Patrioten
Die griechische Mythologie hat Zypern geprägt aber mindestens ebenso die orthodoxe Religion. Diese Insel, auf der Phönizier, Ägypter, Assyrer, Perser, Römer, Osmanen und schließlich auch die Briten ihre Spuren hinterlassen haben, hat, da ist die blonde Tatjana sicher, eine ganz besondere Mentalität hervorgebracht. Die 42-jährige Mutter einer 16-jährigen Tochter, die in Passau und Nikosia studiert hat, ist da nicht anders als ihre Landsleute, die mit ausgeprägtem Patriotismus auf die Zumutungen des Inseldaseins reagierten und reagieren.
Geschichten aus der Zeit vor der Teilung
Seit 1974, als die Türken nach einem Putsch der griechischen Militärs gegen den ersten Präsidenten, Erzbischof Makarios, auf Zypern einmarschierten, ist das Land geteilt. 37 Prozent der Insel sind „unter türkischer Besatzung“, wie Tatjana betont. Und Nikosia ist „die einzige geteilte Hauptstadt der Welt“. Tatjana würde diesen Zustand gerne geändert sehen wie viele andere griechische Zyprioten. Aber die Gespräche sind zäh, beide Seiten kaum zu Zugeständnissen bereit, und der Konflikt über Gasvorkommen macht sie nicht leichter.
Ihre Oma, erzählt Tatjana, komme aus Famagusta. Die Familie habe dort alles zurücklassen müssen und sei bei Verwandten im griechischen Teil der Insel untergekommen. Als sie später nach der Grenzöffnung einmal ihre Heimatstadt reiste, sei die Großmutter beim Anblick der Kirche in ihrem Viertel „in Ohnmacht gefallen“. Die Türken verwendeten das Gotteshaus als Stadel.
Ein Dorf hinter den sieben Bergen
Seit 2004 ist der griechische Teil der Insel in der EU, seit 2008 wird hier mit dem Euro bezahlt. Wichtigster Wirtschaftszweig ist der Tourismus. Die Touristen sollen auch dabei helfen, die Landflucht, unter der Zypern genauso leidet wie andere europäische Länder, zu bremsen. Auch deshalb besuchen wir das Dörfchen Ficardou, das gefühlt hinter sieben Bergen liegt, weit abseits jeder Zivilisation. Der letzte Bewohner, so erzählt es Tatjana, ist vor ein paar Jahren gestorben. Er wurde 97 Jahre alt. Die jungen Leute sind weggezogen. Früher schon waren viele ausgewandert – oft nach London. Der Kulturschock zwischen diesem weltabgeschiedenen Dorfleben und der Metropole muss enorm gewesen sein.
Im verlassenen Dorf blühen die Blumen
Wir wandern durch die engen Gässchen, streicheln die Katzen, die um die verlassenen Häuser streichen und kläglich miauen, und bewundern die Blumen, die überreich zwischen den grauen Steinen blühen. Dimitra, die „Wächterin“ dieses Freilichtmuseums, das von der Antikenverwaltung restauriert wurde, hat sie gepflanzt, verrät Tatjana. Vorausschauend. „Bald,“ habe die Frau gesagt, „leben hier keine Menschen hier aber wenigstens Blumen“. Das Haus des damals reichsten Mannes im Dorf ist heute Museum. Wir sehen die kleinen dunklen Räume, die zweckmäßige Einrichtung, die Vorratshaltung. Auf dem Friedhof vor der kleinen, wunderschönen Kirche fühle ich mich wie ein Eindringling in dieser stillen Welt.
Im Machairos-Kloster leben noch 30 Mönche
Nicht weit von hier liegt das Machairos-Kloster, wie eine Festung in den Berg hinein gebaut. Natürlich gibt es zu seiner Entstehung eine Legende, die sich um die wundertätige Ikone der Muttergottes rankt. Und es gibt noch 30 Mönche, die in dieser Einsamkeit leben, die nur durch die Ankunft neugieriger Touristen unterbrochen wird. Wir bestaunen die Schönheit der Kirche, die eindrucksvolle Ikonostase und lassen uns von Bruder Joseph, den der lange, von grauen Haaren durchzogenen Bart deutlich älter aussehen lässt als seine 35 Jahre, vom Leben im Kloster berichten. Vom frühen Aufstehen um 3 Uhr morgens, von dem vierstündigen Gottesdienst, von den Pflichtarbeiten der Brüder zwischen Garten und Bibliothek, den Gebeten, der Askese. Kein Fleisch, kein Alkohol – außer dem Messwein bei der Kommunion. Trotzdem ist Bruder Joseph glücklich. Die Spiritualität des Klosters habe ihn schon früh fasziniert, erzählt er. Gleich nach seinem Theologiestudium ist er eingetreten, da war er 24 Jahre alt. „Man muss zu sich finden, ehe man anderen helfen kann,“ sagt er und seine Augen leuchten. Ich spüre, dass dieser Mann ganz bei sich ist, aber kaum mehr von dieser Welt.
Die zypriotische Küche steckt voller Verführungen
Wir sind weit entfernt von Askese. In der urigen Taverne Vavatsinia mitten im gleichnamigen Dorf ist der Tisch reichlich gedeckt mit Meze, den traditionellen Vorspeisen auf Zypern: Oliven und Halloumi, Bauernsalat und gebratene Kartoffeln, Zicklein und Schweinefleisch, Knoblauchbrot und überbackene Tomaten. Ich kann gar nicht alles probieren. Dazu fließt der Wein in Strömen. Aber uns steht ja noch eine kurvenreiche Rückfahrt bevor – und ein üppiges Dinner am Strand von Agia Napa. Natürlich habe ich abends keinen Hunger. Aber die vielen Köstlichkeiten, die auf dem Büfett ausgebreitet sind, lassen mich doch nicht kalt. Abnehmen werde ich in diesen Tagen auf Zypern sicher nicht!
Marilena hat vergessene Genüsse wieder entdeckt
Erst recht nicht, wenn man wie wir von Marilena bekocht wird, der Spitzenköchin, deren Rezepte Grundlage für den opulenten Bildband „Verführerisches Zypern“ waren. Wir werden schon erwartet im Haus der Köchin in einem Vorort von Nikosia. Kunst an den Wänden, Blumen auf den schön gedeckten Tischen, eine große Bibliothek und eine noch größere Küche. Es ist eine schöne, einladende Wohnung, in der wir uns gleich wohlfühlen. Und Marilena Joannides, blond und voller Temperament, trägt das Ihre dazu bei.
Ganz offen erzählt sie, wie sie 2002 ihr „Business“ begann, weil sie sich für Großmutters Rezepte interessierte – und damit auch für die traditionelle Küche ihrer Insel. Sie ging nicht nur zu den Dorfbewohnern, um den Frauen ihre Küchengeheimnisse zu entlocken, sie suchte das Wissen auch in Büchern und notierte die Rezepte. 2007 war es soweit, dass andere auf sie aufmerksam wurden und sie baten, ihr Wissen weiterzugeben. Mit „forgotten delicacies“, den vergessenen Genüssen, nahm Marilenas Karriere Fahrt auf. Eine kam zum anderen, inzwischen ist auch ihr neues Kochbuch „Cyprus Treasures“
erschienen, wo man ganz ursprüngliche Rezept findet.
Vom intensiven Geschmack der einfachen Küche
„Die zypriotische Küche ist eigentlich ganz einfach,“ sagt Marilena, während sie in ihren Töpfen rührt. Aber der Geschmack sei eben sehr intensiv – auch dank der Gewürze und nordafrikanischer Einflüsse. Koriandersamen verwendet sie gerne, Minze, Zimt, Cumin, Blutpfeffer aber auch Kapernblätter und natürlich Wein. Wir dürfen alles kosten, den Salat mit Rosenwasser-Essig, den Blumenkohl in Rotwein, das lange im Ofen gebackene Zicklein. Wem da nicht, das Wasser im Mund zusammenläuft…
Nikosia hat sich gemausert
Wir würden am liebsten den ganzen Nachmittag bei Marilena in der Küche sitzen und mit ihr über ihre Rezepte plaudern, aber wir wollen ja auch noch etwas von Nikosia sehen, „der letzten geteilten Hauptstadt der Welt“. Ich kann mich gar nicht mehr so recht erinnern an meinen letzten Besuch. Auf jeden Fall hat sich die Stadt gemausert, wie wir auf einem Spaziergang durch die – restaurierte – Altstadt feststellen, wo sich Boutiquen, Bars und Restaurants aneinander reihen. Hier hätte ich einiges gefunden, was ich gerne mit nach Hause genommen hätte. Aber die Zeit rast.
Ein Künstler sucht die Inspiration
Wir schauen noch kurz in der Studio Gallery von Nicholas Panayi vorbei, die sich in einem unscheinbaren Haus befindet. Der Künstler hat die private Kunstschule gegründet, um seine Landsleute an die Kunst heranzuführen. Auch viele türkische Zyprioten, sagt Panayi mit feinem Lächeln im markanten Gesicht, zählten zu seinen Schülern. Die beste Inspiration böte Zypern selbst: „Wir reisen über die ganze Insel.“ Dabei könne jeder Teilnehmer ganz nach eigenen Ideen arbeiten, abstrakt, realistisch, impressionistisch. Panayi, der in der Kunstakademie Prag studiert hat, sieht sich als Mentor. Der 57-Jährige nimmt aber seine Schüler auch gerne mit auf Reisen in die Welt, um neue Inspirationen zu bekommen. „Wir sind hier etwas isoliert,“ meint er, „wir müssen auch andere Kulturen kennenlernen.“ Die Gruppe war schon in St. Petersburg und in Portugal, auch in Berlin. Die Atelier-Wohnung ist voll von Fotos und Gemälden, fertigen und unfertigen. Auf manchen erkenne ich Gegenden von Zypern, die ich bereist habe oder auch Eindrücke von Nikosia.
Im Café an der Grenze
Von der geteilten Stadt können wir uns unser eigenes Bild machen – an der Grenze, die die Fußgängerzone abrupt beendet. Auf der Ledra Straße findet man dieselben Geschäfte wie überall in der Welt: McDonald, H & M und Konsorten. Gleich neben dem Grenzübergang, wo man schnell und unkompliziert in den anderen Teil der Stadt kommt, hat sich das Café Jaja Victoria etabliert. Hier sitzt man gemütlich im Freien, lässt sich die Spezialität Bugatsa schmecken, einen mit Vanillepudding gefüllten Kuchen, und blickt auf aufeinander getürmte Fässer und Sandsäcke. Die Grenze ist hier spürbarer als am Grenzübergang, wo ein Denkmal an die Teilung erinnert.
Gegensätzliche Eindrücke eines Tages
Wir werfen noch einen Blick auf die imposante venezianische Stadtmauer und in die „kleinste Kathedrale der Welt“, deren mit Freskos bemalte Wände wie eine illustrierte Bibel wirken. Gleich nebenan vor dem Palast des Erzbischofs steht eine Statue von Makarios, lange Jahre Staatschef und geistliches Oberhaupt Zyperns. Es sind viele Eindrücke, die ich an diesem Tag mit zurück ins Hotel nehme. Der Eindruck von Agia Napa, dem Urlaubsort aus der Retorte, gehört dabei nicht zu den besten. Zu künstlich erscheint mir nach unseren Ausflügen ins Landesinnere und nach Nikosia diese Ferienwelt mit ihren Souvenirläden und Bars, ihren Restaurants und Funparks. Da bin ich doch lieber in unserem schönen Hotel abseits des Trubels.
Ein Feuerwerk zum Abschied
Es ist windig geworden und kühl, aber wir stehen den Abend im Freien durch. Denn das Atlantico Mare Village hat für uns am Strand gedeckt. Auf den weißen Tischtüchern liegen Blumengebinde, in den Gläsern funkelt der Wein und über uns schaukeln die Kronleuchter im Wind. Das Büfett ist wieder reichlich bestückt. Frische Austern gibt es und Garnelen, Lammbraten und allerlei Gemüse, natürlich auch Meze und zum Dessert verführerische Torten, Cremes und eine Früchte. Wer will da widerstehen? Zum Abschluss macht ein Feuerwerk die Nacht zum Tag und entlockt uns viele Ah‘s und Oh‘s. Später wird noch getanzt, und ich nutze die Gelegenheit, ein paar Kalorien loszuwerden.
Zypern will ein Ganzjahresziel werden
Und wie sieht die Zukunft Zyperns aus? Auch darüber wurde auf dieser Tour gesprochen. Die TUI wolle dabei helfen, die Insel aus dem Dornröschenschlaf zu wecken, in dem sie bei den deutschen Reisenden immer noch liegt, sagt Pressesprecher Mario Köpers. Und Patrick Hogreve, Leiter des Produktmanagements Sun & Beach, ergänzt, dass die Deutschen Zypern „nicht auf dem Zettel haben, weil ein echtes Profil fehlt“. Daran müsse man arbeiten. „Zypern ist nicht teurer als Griechenland,“ wirbt der TUI-Manager, für den die Insel ein ideales Ganzjahresziel ist. Ab Sommer 2019 stünden alle Zeichen auf Programmausbau, vor allem bei den eigenen Hotelmarken und bei den Flügen. Das freut Ekavi Charalambidou, die Direktorin der Fremdenverkehrszentrale Zypern in Frankfurt. Sie empfiehlt vor allem die zypriotische Küche, denn „auf einem Tisch findet man die Geschichte Zyperns“. Wir haben sie in ihrer ganzen Vielfalt kosten dürfen.
Kurz informiert
Anreisen TUIfly fliegt zu bestimmten Zeiten von Hannover, München, Köln/Bonn oder Stuttgart nach Larnaca (ab 132 Euro). Der gut dreistündige Direktflug mit Lufthansa ab München kostet ab 154 Euro.
Wohnen Das Atlantica Mare Village, wo wir untergebracht waren, ist ein Fünf-Sterne-Haus. Viele der Suiten haben einen eigenen Zugang zu einem Pool. Bei TUI sind fünf Nächte mit Flug ab 716 Euro zu buchen: www.tui.com/hotels/mare-village-by-atlantica-5027/hotelinformation/
Natürlich gibt es auf der Insel auch kleinere Hotels, Pensionen und B&B-Häuser für Individualreisende, die lieber mittendrin wohnen wollen. Infos z.B. unter www.zypern.de
Unterwegs Wer in Agia Napa wohnt und mehr von der Insel sehen will, kommt mit einem Mietwagen ans Ziel. Bei www.billiger-mietwagen.de ist ein Auto ab 12 Euro/Tag im Angebot. Der Linksverkehr ist das Erbe der britischen Kolonialzeit.
Informieren Fremdenverkehrszentrale Zypern, Schillerstraße 31 (Eingang Taubenstraße 1) 60313 Frankfurt, Tel. 069/251919, www.visitcyprus.com/