Die ganze Welt ist Bühne, sagte der große Shakespeare. Seit der Antike ist es das Theater, das der Welt eine Bühne gibt. In unterschiedlichsten Formen. Am Anfang war die Arena, wo auch heute noch gern Theater gespielt wird.
Abgelöst wurde sie vom halbkreisförmigen Theater, bei dem die Schauspieler auf einer erhöhten Fläche und vor einer Art Wand agieren wie in Shakespeares berühmten Globe Theatre. Und schließlich fanden auch die sozialen Unterschiede Eingang ins Theater mit Logenplätzen. Nur, um im 20. Jahrhundert wieder aufgelöst zu werden. In visionären Projekten wie dem Totaltheater von Walter Gropius rückten Schau- und Spielraum wieder zusammen.
Theaterbauten sind auch immer ein Spiegel ihrer Zeit. Wir laden Sie ein zu einer Reise um die Welt zu berühmten und spektakulären Häusern, zu barocken Pracht- und minimalistischen Funktionsbauten, zum Theater im Regenwald und auf dem Wasser. Lassen Sie sich verführen!
London: Shakespeare‘s Globe
Die achteckige Fachwerk-Rekonstruktion des wohl berühmtesten Theaters der Welt an der Southwark Bridge Road, initiiert von dem amerikanischen Schauspieler Sam Wanamaker, wurde 1997 eröffnet. Wie sein Vorbild aus dem Jahr 1599 ist es ein Freilufttheater, wo im Innenhof gespielt wird. Der offene Hof ist von – überdachten – Galerien umgeben. Bei der Rekonstruktion wurde auf Historientreue geachtet bis hin zum Strohdach. Allerdings sorgen Sprinkleranlagen und Blitzableiter dafür, dass dieses Globe Theatre nicht so leicht abbrennen kann wie das ursprüngliche, das 1613 einem Feuer zum Opfer fiel. Zum elisabethanischen Globe soll sich 2013 ein –überdachtes – jakobinisches Theater gesellen, als Winterspielstätte. Dann hat Shakespeare das ganze Jahr über die Bühne für sich.
Paris: La Bastille
Erst 1989 wurde der charakteristische Rundbau der Opera Bastille, eines der „grands projets“ von Francois Mitterand, eröffnet – genau 200 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille. Gebaut hat das seinerzeit modernste Opernhaus mit seiner einmaligen Bühnentechnik und den fließenden Übergängen zwischen Innen und Außen der kanadisch-uruguayische Architekt Carlos Ott. Transparenz ist ein Leitmotiv des Gebäudes, das – als „Volksoper“ konzipiert – sich nach außen hin öffnet und im Inneren den berühmtesten Künstlern der Welt eine Bühne bietet.
Venedig: Teatro La Fenice
Wie Phönix (Fenice) aus der Asche ist dieses weltberühmte Theater immer wieder erstanden, zum letzten Mal 2003, nachdem es durch eine Brandstiftung in Schutt und Asche gelegt worden war. Schon mit seiner Ersteröffnung 1792 wurde La Fenice zu einem der bedeutendsten Theaterhäuser in Europa, wo Stücke mit aufklärerischem Inhalt ebenso auf die Bühne kamen wie Opern von Verdi. 80 Millionen Euro flossen in den Wiederaufbau, der die alte neoklassizistische Theaterherrlichkeit mit einer zeitgemäßen Infrastruktur und – vor allem – Akustik vereint.
Mailand: Teatro alla Scala
Die Mailänder Scala hat einen legendären Ruf, musste doch für das eher schlichte Opernhaus, das 1778 eröffnete, die Kirche Santa Maria della Scala weichen. Der eilig errichtete Wiederaufbau nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg war nicht mehr als ein Provisorium, sodass die – einsturzgefährdete – Scala bis auf die Außenmauern abgerissen wurde. Drei Jahre bis 2004 war das berühmte Opernhaus geschlossen. Der Schweizer Mario Botta, mit der Rekonstruktion beauftragt, gab dem Foyer und dem Zuschauerraum die originale Ausstattung von 1778 zurück und versah das Theater im neoklassizistischen Stil zugleich mit modernster Bühnentechnik und einem 38 Meter hohen Bühnenturm. Zeitgemäße Technik auch in den Sitzen: Auf dem Display auf der Rückseite der Lehne kann der Hintermann das Opernlibretto in mehreren Sprachen mitlesen.
Berlin: Schaubühne
Die Schaubühne, Deutschlands wohl bedeutendstes Theater, hat 1981 in dem Gebäude des Berliner Architekten Erich Mendelsohn, dem früheren Kino Universum, eine neue Heimat gefunden. Architekt Jürgen Sawade stellte zwar die äußere Hülle so wieder her wie sie einst war, richtete sich aber beim „Innenleben“ ganz nach den Wünschen und Bedürfnissen der Theaterleute und verzichtete auf repräsentative Elemente sowie auf die sonst übliche Distanz zwischen Schauspielern und Zuschauern. Der Zuschauerraum ist auch Bühnenbereich und umgekehrt. Zwei große Rolltore ermöglichen noch eine Unterteilung, so dass praktisch drei Vorstellungen nebeneinander stattfinden können. Für Theaterexperimente jeder Art ist die Schaubühne bestens gerüstet.
Essen: Aalto-Theater
Indigoblau und asymmetrisch präsentiert sich der von dem finnischen Star-Architekten Alvar Aalto konzipierte Theaterbau in Essen. Mit seiner fließenden Formensprache ohne Ecken und Kanten entspricht das Gebäude ganz dem Konzept der „humanen Architektur“, das Aalto vorschwebte. Bei der Gestaltung der Ränge ließ sich der Finne vom griechischen Theater in Delphi inspirieren. Den Plan für das Theater hatte er schon 1959 vorgelegt. Die Fertigstellung fast 30 Jahre später erlebte er nicht mehr. Das Aalto-Theater beherbergt das Opernhaus Essen.
Ein Theater in einer Industriehalle: Wo einst Schiffe gebaut wurden, werden seit 2000 Dramen und Komödien aufgeführt. Das mit mehreren neuen Bühnen ausgestattete 80-Millionen-Franken teure Gebäudeensemble Schiffbau entstand nach Plänen der Wiener Architekten Ortner & Ortner Baukunst auf dem ehemaligen Industrieareal Sulzer-Escher-Wyss. Die Architekten ergänzten die 120 Meter lange Schiffbauhalle um einen schneeweißen, 400 Personen fassenden Kubus („Box"), ein schwarzes Bürogebäude im Winkel zwischen Schiffbau und Neubau sowie Verbindungs- und Zwischenbauten. Die denkmalgeschützte Halle selbst wurde zur Hülle – auch für das Studiotheater Box und das großzügig dimensionierte „Hallentheater“.
Ascona: Teatro San Materno
Es galt als Meisterwerk der modernen Theaterarchitektur, das 1928 von Carl Weidemeyer (1882–1976) realisierte Teatro San Materno. „Kaum eine andere moderne Architektur“, schwärmt die Neue Züricher Zeitung, füge sich so harmonisch in die Landschaft am Lago Maggiore ein wie dieser zartgelbe Flachdachbau. „Mit seinen Stützmauern, Außentreppen und loggia-artigen Balkonen scheint er aus dem Hang herauszuwachsen und gleichzeitig der lokalen Architektur Tribut zu zahlen.“ Das Bauhausjuwel, lange im Dornröschenschlaf, wurde erst 2006 saniert und den Ansprüchen unserer Zeit angepasst. Heute finden hier wieder Tanz- und Theateraufführungen statt.
Bregenz: Seebühne
Auf dem Bodensee befindet sich die größte Seebühne der Welt, berühmt durch ihre spektakulären Bühnenbilder und technischen Kabinettstückchen sowie eine einzigartige Akustik. Das erste Spiel auf dem See gab es 1946 noch in eher kleinerem Rahmen. Vier Jahre später wurde die Tribüne so vergrößert, dass sie Platz für 6000 Zuschauer bot. 1979 wurden die Plätze reduziert, inzwischen aber auf 7000 erweitert. Die schöne Kulisse des Bodensees zieht nicht nur Menschen aus aller Welt an, sie verlockte auch die Verantwortlichen für den James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“ – Regisseur Marc Forster ist Deutsch-Schweizer – und brachte Daniel Craig zur Seebühne, wo in der Kulisse der Oper Tosca gedreht wurde.
St. Petersburg: Mariinski-Theater
Schon 1860 wurde dieses weltberühmte Theater, benannt nach Maria Alexandrowna von Hessen-Darmstadt, der Ehefrau von Zar Alexander II., erbaut. 1935 nach dem 1934 ermordeten Vorsitzenden des Leningrader Sowjets, Sergej Kirow, in Kirow-Theater umbenannt, trägt das üppig dekorierte Haus seit 1992 wieder den ursprünglichen Namen. Beim Architekturwettbewerb um die Erweiterung des ehrwürdigen Theaters siegte Dominique Perrault mit dem Entwurf eines schwarzen Quaders, überzogen von einem goldfarbenen Netzgespinst. Inzwischen ist Perrault ausgestiegen und sein Plan liegt auf Eis.
New York: Metropolitan Opera
Die “Met” ist eines der wichtigsten Opernhäuser der Welt. Und – obwohl sie in der Neuen Welt steht – hat die Metropolitan Opera eine lange Geschichte. Das erste Opernhaus am Broadway, 1880 gegründet, wurde zwar zwölf Jahre später durch einen Brand schwer beschädigt, aber dennoch bis 1966 genutzt. Erst dann wurde das alte Haus abgerissen und die Metropolitan Opera Company zog ins neue Gebäude im Lincoln Center for the Performing Arts. Das Gebäude aus weißem Travertin mit den fünf 20 Meter hohen Bogengängen hat sich trotz der Wolkenkratzer-Umgebung etwas Monumentales bewahrt und gilt als Olymp der New Yorker Kulturwelt. Vor kurzem erst wurde dem imposanten Gebäudekomplex ein umstrittenes Facelifting verpasst.
Manaus: Teatro Amazonas
Ein Opernhaus im Regenwald? Möglich machten es die brasilianischen Kautschukkönige, die Ende des 19. Jahrhunderts so viel Geld verdienten, dass sie sich angeblich ihre Zigarren mit 100-Dollar-Noten anzündeten. Viel Geld gaben sie auch für das neobarocke Theater aus, mit dessen Realisierung sie Künstler und Architekten aus ganz Europa beauftragten. Gerade mal zehn Jahre dauerte der kulturelle Höhenflug. Mit dem Kurssturz des Kautschuk fiel der „rosarote Palast“ in einen Dornröschenschlaf, unterbrochen durch untaugliche Renovierungsversuche und Werner Herzogs Film Fitzcarraldo. Erst Ende der 1980er Jahre gelang die komplette Restaurierung und 1990 wurde das Teatro Amazonas mit viel Pomp und Placico Domingo wieder eröffnet. Einen wahren Mediensturm bescherte dem tropischen Bilderbuch-Theater 2007 die Inszenierung des Fliegenden Holländer durch Christoph Schlingensief.