Es ist eine ganz eigene Landschaft mit sanften Hügeln und viel Grün. Das Grün kommt von den Hopfengärten in der Hallertau. Bis zu zehn Meter hoch ragen die Stangen in den Himmel. Dazwischen die Drähte, an denen sich der Hopfen hochwindet. Immer stramm nach oben, in Reih‘ und Glied. Und gut einen Meter entfernt die nächste Reihe und wieder eine bis an den Horizont. Grüne Alleen, denen ein herber Duft entströmt.
Herkules und Callista
Sie heißen Herkules, Titan, Callista – nur drei der gut 25 Hopfensorten in der Hallertau. Der Herkules, sagt Hopfenbauer Johann Ostler – eckige Brille, Käppi, tiefe Stirnfalte – sei zuständig fürs Grundbittere im Bier. Fürs feine Aroma sorge die Sorte Perle, die er bevorzugt anbaut. Die Nachfrage nach modischen Flavour-Sorten wie Callista, die gern für die trendigen Craftbiere verwendet werden, sieht der 48-jährige Familienvater eher rückläufig. Die Brauer bevorzugten die alten Sorten und ließen sich nur schwer von Neuheiten überzeugen. Die Münchner Augustinerbrauerei etwa schwöre auf die Traditionssorte Hersbrucker Spät.
Männlich und unfruchtbar
Für uns Laien sehen die hell- bis dunkelgrünen Blätter alle gleich aus, aber der Fachmann zeigt uns die Unterschiede. Hopfensorten mit eiförmigen Blättern, mit dreifach bis fünffach gelappten Blättern. Die Blüten sind eher unauffällig grüngelb. Dabei müsste man noch zwischen männlichen (unscheinbaren) und weiblichen (auffälligeren) Blüten unterscheiden. Die bilden am Ende auch die Dolden. Die unfruchtbaren männlichen Pflanzen sind unerwünscht.
Das Bier der Mönche
Wir wandern durch eine der grünen Alleen des Hopfenhofs, der Boden ist uneben. Die Zwischenfrucht – Buchweizen, Klee, Luzerne, Roggen, Winterwicken – ist teilweise abgeerntet. Stickstoffsammler seien das, sagt der Hopfenbauer, „die Pflanzen sparen Dünger, lockern den Boden und stellen Nährstoffe für den Hopfen zur Verfügung“.
Eigentlich sei der Hopfen ja eine Auenpflanze, weiß er. Den wilden Hopfen hätten die Mönche im Mittelalter wohl gesammelt, um ihr Bier zu brauen. Und die Römer? Die waren doch auch hier. Und schon Julius Caesar soll seine Truppen mit Bier versorgt haben.
Zeitreise in Eining
In Eining, nicht weit von Ostlers Hof, befand sich ein römisches Kastell. Abusina ist seit 2005 Teil des Unesco-Welterbes Limes. 400 Jahre lang bis ins Jahr 403, als das Kastell einem Brand zum Opfer fiel, sicherten die römischen Soldaten hier die Nordgrenze des römischen Reichs. Heute ist Abusina mit seinen Ausgrabungen ein gepflegter Landschaftspark. Die Informationen zur Geschichte sind in frei stehenden Toren aus Cortenstahl untergebracht, die den Blick auf die Ausgrabungen öffnen. Die Bewohner hatten es ganz schön komfortabel, die Häuser waren teilweise mit einer Fußbodenheizung ausgestattet, und es gab eine eigene Thermenanlage.
Das nahe Bad Gögging hat sich mit der Limes-Therme die römische Bäderkultur zum Vorbild genommen. Und in den Kurhotels kann man nicht nur im Schwefel- oder Moorbad entspannen, sondern auch in einem Hopfenbad. Denn der Hopfen ist wie Cannabis eine Hanfpflanze und hat eine beruhigende Wirkung.
Kein Regen in Sicht
Doch zurück zum Hopfenbauern, der seinem Hopfen in den heißen Sommertagen gern mehr Feuchtigkeit gönnen würde. Gerade schaut Johann Ostler besorgt in den blauen Himmel mit den wenigen weißen Schäfchenwolken. Kein Regen in Sicht. Doch der Hopfenbauer hat vorgesorgt. Zehn Hektar rund um den Hof kann er bewässern – mit wassersparenden Tropfschläuchen. Die sommerliche Wärme hat allerdings auch Vorteile. Es gibt weniger Probleme mit Schädlingen. Denen rückt Ostler mit der Giftspritze zu Leibe. „Ohne geht es bei der Monokultur Hopfen nicht“, ist er überzeugt. Gespritzt werde allerdings so wenig wie möglich nach „Schadschwellen“. Dafür müssten Schädlinge wie Blattläuse ausgezählt werden.
Hopfenbauer aus Tradition
Ostlers Sohn Johannes ist mit seinen 15 Jahren schon fast ein Fachmann, was den Hopfenanbau angeht. Das liegt in der Familie. Schon der Uropa war Hopfenbauer. Und Vater Johann führt seit 24 Jahren den Familienbetrieb mit Saisonarbeitern aus Polen. Johannes hilft mit, wo er kann. Und natürlich weiß der Junior, dass die rauen Stängel der Hopfenreben „rechtswindend“ sind. Am Draht eingedreht werden müssen die Triebe noch immer per Hand – von Ende April bis Mitte Mai. Und wenn die Rebe nach oben wächst, wird sie von unten bis zu einem Meter hoch entlaubt, weil sich im Boden Schädlinge entwickeln könnten.
Arbeit fürs ganze Jahr
„Hopfenbauer ist man das ganze Jahr über“, sagt Johann Ostler. Nur zwischen Neujahr und Drei König nehme sich die Familie Zeit zum Skifahren. Schon im Januar geht die Arbeit wieder los: Gerüste aufstellen, Draht aufhängen, Draht einstecken … und so weiter bis hin zur Ernte. Dann liefern Traktoren mit Abreißgeräten die Reben zur Hopfenernte-Maschine an der Hofstelle. Johann Ostler hat einen ganzen Maschinenpark in seinen Hallen.
Denn das meiste bei der Ernte geht heute maschinell – auch die Trennung der Dolden von der Rebe und den Blättern. In der Darre werden die Dolden danach getrocknet. Ein komplizierter Prozess, weil vor der Lagerung in Ballen noch eine Homogenisierung per „Frischluftzufuhr“ notwendig ist. Spätestens bis April muss der Hopfen verarbeitet werden, sagt Ostler, „sonst kaselt er“. Der Hopfenbauer verkauft seine Ernte an den klassischen Hopfenhandel, der daraus Hopfenextrakt oder Pellets herstellt.
Hopfen und Malz
„Mit dem Hopfen kommt die Seele ins Bier“, sagt der Braumeister in der Brauerei Kuchlbauer in Abensberg. Hier hat der Brauereibesitzer der Braukunst mit einem von Friedensreich Hundertwasser geplanten Turm ein Denkmal gesetzt. „Hopfen und Malz, Gott erhalt‘s“ besagt ein altes Sprichwort und räumt damit dem Hopfen eine wichtige Rolle beim Bierbrauen ein. Die hat die Kletterpflanze auch im Bayerischen Reinheitsgebot von 1516, in dem festgelegt wird, dass Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden dürfe.
Doch vor allem beim Craft Beer experimentieren die jungen, wilden Brauer gern mit anderen Zutaten wie Gewürzen oder Früchten. Kaffee, Kakao, Vanille, sogar Chili sorgen für ungewohnte Aromen. Und der Hopfen. Flavour Hops etwa, neue Hopfenzüchtungen, die im Geschmack an Mandarine erinnern oder an Gletschereis. Hopfenbauer Ostler sieht bei solchen Aussichten noch lange nicht Hopfen und Malz verloren, auch wenn er selbst lieber der Familientradition und seiner Perle treu bleibt.
Ein Prost auf die Ernte
„Wenn‘s laft, is sche“, sagt er und greift sich ein Blatt, über das gerade ein Marienkäfer krabbelt. „Ich mach‘s eigentlich gern.“ Und das Getränk, für das sein Hopfen so wichtig ist, mag der Hopfenbauer auch – am liebsten in seiner reinsten Form ohne Schnickschnack, dafür mit einem guten Hopfenaroma. Mit einem frischen Hellen stoßen wir auf eine gute Ernte an. Prost!