Dass der reizvolle Weinort Iphofen in Franken einmal arm gewesen ist, mag man heute angesichts der adretten Häuser und der architektonisch herausragenden Vinothek nicht glauben. 3000 Einwohner hat das Städtchen, 20 Winzer, eine Stadtmauer, auf der man Iphofen umrunden kann, und einen Bürgermeister, der 28 Jahre im Amt ist.
Seit 28 Jahren auf dem Stuhl des Bürgermeisters
Josef Mende – grauer Haarschopf, Lachfältchen hinter Brillengläsern – ist die beste Werbung für seine Gemeinde: leutselig und engagiert. Für uns sperrt er sogar die Türen zum barocken Rathaus auf. Hier steht der Stuhl, auf dem er seit 28 Jahren sitzt. Noch zwei weitere Jahre will der 66-jährige Vater von zwei erwachsenen Kindern im Dienste Iphofens bleiben. Dann kann er sich vorstellen, sich wieder selbst um seine beiden Weinberge zu kümmern.
Weingeschichte am Alten Weinberg
In Iphofen hat fast jeder „was mit Reben“, erklärt die blonde Ruth Holfelder, die nicht nur als Gästeführerin für das Weinerlebnis Franken unterwegs ist, sondern auch als Dozentin für Wein- und Genusskultur arbeitet. Dass sie etwas von Wein versteht, beweist sie beim Besuch am Alten Weinberg, einer Art Freiluftmuseum. Auf drei Etagen wird hier in steiler Lage gezeigt, wie der Weinanbau in Franken sich verändert hat, vom frühen gemischten Satz bis zum Signatur-Wein Silvaner.
Wir erfahren, wie sich das Terroir, also der Boden, auf dem der Wein gedeiht, auf den Geschmack auswirkt. Hier ist es Muschelkalk, Buntsandstein oder Keuper. Wein zum Testen hat Holfelder auch mitgebracht, ein paar Meter weiter ist der Tisch schon für uns gedeckt, mit Knusperbrot vom Iphöfer Bäcker und Beeren aus dem eigenen Garten.
Eine moderne Vinothek im Zentrum
Satt gegessen haben wir uns schon in der Vinothek, wo die Häppchenplatte mit regionalen Spezialitäten aus Franken wie Schinken vom Eichelschwein, Mainthaler Käse und Keck, einer Art Mett, reich bestückt war. Das Haus, eine gelungene Mischung aus altem Fachwerk und modernen Elementen, war die erste Vinothek in Franken, wie der Bürgermeister nicht ohne Stolz berichtet: „Wir waren weintouristisch immer vorne dran.“
Der Wein ist wichtig für den Wohlstand der Gemeinde, die 741 erstmals erwähnt wurde und bis heute von der 1293 erbauten Stadtmauer umgeben ist. Und doch war Iphofen lange Zeit eher arm. „Da wollte niemand hin,“ sagt Ruth Holfelder. Das hatte auch sein Gutes: Weil der Ort im Schatten der industriellen Entwicklung lag, blieb die Altstadt als geschlossenes Ensemble erhalten.
Mit dem Gips kam der Reichtum
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam mit Knauf der Reichtum ins Städtchen. Die „Fränkischen Gipswerke“ profitierten vom Bauboom der Aufbaujahre – und Iphofen profitierte mit. Heute ist die Knauf Gips GmbH international aufgestellt und wird von der dritten Generation geführt. Im Herzen Iphofens hat Knauf ein Museum hingestellt, das noch bis 15. November die Ausstellung „Heinrich Schliemann – Troja“ zeigt. Die außergewöhnliche Ausstellung hat sich das Museum zum 35. Geburtstag geschenkt. Dank der Zusammenarbeit mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin sind hier einzigartige Original-Objekte zu sehen – zusätzlich zu den Gips-Repliken, für die das Museum bekannt ist. Das hölzerne trojanische Pferd auf dem Marktplatz ist ein echter Hingucker. Für Instagramer gibt‘s sogar einen Selfie-Point.
Wirsching-Weine zum feinen Menü
Wir bleiben lieber beim Wein und lassen uns in der Iphöfer Kammer mit einem Weinkulinarium verwöhnen. Bei einem feinen Essen mit Weinbegleitung kommen unterschiedlichste Weine vom Weingut Wirsching zur Geltung: Die Scheurebe zum Sardinenfilet auf lauwarmer Ratatouille, ein Grauburgunder Alte Reben zum Kalbskopf mit Pfifferlingen; die Sister Act Silvaner Spätlese veredelt den Kalbsrücken, und zum Topfenstrudel mit Beerenragout schmeckt ein Riesling Süßwein genauso gut wie der süße Silvaner. Zum Abschluss empfiehlt der Bürgermeister noch den trendigen Gin aus dem Hause Wirsching, den Wirgin. Das Weingut, seit 1630 im Familienbesitz, ist mit 90 Hektar eines der größten Privatweingüter in Franken, und die junge Geschäftsführerin Andrea Wirsching wurde 2018 zur „Winzerin des Jahres“ gekürt. So etwas freut natürlich den Bürgermeister. Denn Iphofen will mit der Zeit gehen. „Wir sind kein Museum,“ betont Josef Mende.
Nach Volkach zur Gourmet-Häppchen-Tour
Auch Volkach will kein Museum sein – und hat doch mit zwei Stadttoren, dem Renaissance-Rathaus samt Marienbrunnen und dem barocken Schelfenhaus viel Museales zu bieten. Das 5500-Einwohner-Städtchen an der Mainschleife können Genießer bei einer rund zweistündigen Gourmet-Häppchentour entdecken.
Für uns hat sich die Weindozentin, Schnapsbrennerin und Winzerin Martha Gehring Zeit genommen. Fünf Stationen werden wir mit der 56-Jährigen besuchen und drei Weine verkosten.
Restaurant in den alten Gerichtsstuben
Schon die erste Station, das Hotel Vier Jahreszeiten könnte Geschichten erzählen. Das ehemalige Land- und Amtsgericht wurde vom Würzburger Fürstbischof Julius Echter erbaut, der nicht nur für eine Weinlage sondern auch für das Weingut Juliusspital Würzburg Pate stand. Heute gehört das Hotel mit 20 Zimmern und sorgfältig ausgesuchten antiken Stücken einem Schweizer Unternehmensberater. Das Restaurant ist in den alten Gerichtsstuben untergebracht, und da, wo früher Gefängniszellen waren, übernachten heute Hotelgäste in luxuriösem Ambiente. „Früher dienten die Zellen zur Zeit des Volkacher Weinfestes als Ausnüchterungszellen,“ erzählt Pächterin Marion Hofmann, und fügt schmunzelnd hinzu: „Das ist heute auch noch manchmal so.“ Im Garten serviert sie uns Schafskäse in Walnussöl mit mariniertem Gemüse und Brotchips, im Glas funkelt ein Silvaner.
Aus dem Schweinestall wurde das Schoppenhäusle
Der nächste Wein ist ein Bacchus Halbtrocken vom Weingut Erhard, dazu hat der Neffe Mathias, Chefkoch im Schoppenhäusle, einen Garnelenspieß mit Chili-Dip kreiert. Bacchus sei eine relativ neue Rebsorte in Franken, erfahren wir, gut geeignet für Einsteiger. Sie schmeckt aber auch Fortgeschrittenen wie uns. Das Schoppenhäusle war ganz früher ein Schweinestall, der zu einem Weinbetrieb und später zu einer Heckenwirtschaft umfunktioniert wurde, erzählt Mathias Erhard. Und schon geht‘s weiter auf unserer Häppchen-Tour.
Schelfenhaus und Hotel Zur Schwane
Zum barocken Schelfenhaus, in dem heute die Akademie für Kinder- und Jugendliteratur residiert, hat Marion Hoffmann die Geschichte parat. Anfang des 18. Jahrhunderts ließ Johann Georg Adam Schelf, damals wohl einer der reichsten Bürger Volkachs, das repräsentative Gebäude für seine Frau errichten. Heute im Stadtbesitz ist das Schelfenhaus Ausdruck von Bürgerstolz. Bei einer Stippvisite könnten wir drinnen auch ein Glas Prosecco genießen.
Doch unser Ziel ist das Romantik Hotel Zur Schwane. Eva Pfaff-Dücker, die das Traditionshaus in der dritten Generation führt, kredenzt zur Karotten-Griesschnitte einen Blanc de Noir – natürlich vom eigenen Weingut. Schaut man sich in dem 600 Jahre alten Haus um, das ursprünglich wohl eine Schildwirtschaft war, kann man sich kaum vorstellen, dass die Großeltern der heutigen Besitzerin eine „verfallene Burg“ übernommen haben. Heute glänzt das Hotel mit einer Mischung aus romantischem und modernem Ambiente. Auch der Wein – das Weingut ist Mitglied im VdP – entsteht im Haus, versichert die Önologin.
Bürger stoppen Bauprojekt am Main
Zusammen mit ihrem Mann Ralf Düker hatte sie große Pläne. Am Mainufer wollte das Ehepaar ein zweigeschossiges Hotel auf Betonstelzen bauen, das bei Hochwasser über einen Steg erreichbar sein sollte. Gegen den – vom Stadtrat gebilligten – Neubau an der Mainschleife regte sich Bürgerprotest. Jetzt haben die Gegner das Vorhaben per Bürgerbegehren gestoppt. Damit hat Eva Pfaff-Dücker nicht gerechnet. Sie wollte mit dem Hotelprojekt auch 30 neue Arbeitsplätze schaffen.
Schnitzelvariationen und Eiskaffee
Doch wir müssen weiter. Die Zeit drängt. Schließlich haben wir nur zwei Stunden zur Verfügung, und die vierte Station steht an. Diesmal wird‘s gut bürgerlich im Garten des Leipold‘s, das für seine Schnitzel berühmt ist. Auch wir bekommen eine Auswahl von „Schnitzelvaritionen“ und dazu einen Saft oder Wasser. Das Fachwerkhaus aus dem Mittelalter zeigt sich frisch renoviert und einladend.
Jetzt noch ein Dessert! Weit ist der Weg vom Schnitzelparadies zu den Eismachern nicht. Das Eiscafé am historischen Marktplatz bietet täglich 20 Sorten Eis, alle selbst hergestellt, wie uns versichert wird. Das junge Team ist kreativ und setzt auf regionale Aromen aus Franken und natürliche Zutaten. 100 verschiedene Sorten wurden in diesem Jahr schon produziert, darunter auch Eis von der fränkischen Quitte. Für uns gibt‘s einen Eiskaffee mit feinem Vanilleeis. Ein köstlicher Abschluss für den kurzweiligen Abstecher nach Volkach.
Kurz informiert
In Iphofen haben wir im traditionsreichen Romantikhotel Zehntkeller gewohnt: DZ ab 135 Euro: https://zehntkeller.de
Tipp. Zur Iphöfer Kirchweih Ende September öffnen die Winzer ihre Höfe, Einzelhändler ihre Geschäfte, und die Gastronomen servieren traditionelle Kirchweihgerichte. Die Altstadt wird zur Genuss- und Flaniermeile.
Informieren. Die Tourist Info ist am Marktplatz 26 in einem modernen Gebäude untergebracht: www.iphofen.de
Weinproben und Auskunft zum Wein gibt‘s in der Vinothek, Kirchplatz 7: www.vinothekiphofen.de
Iphofen und Volkach sind Teil des Weinlands Franken www.franken-weinland.de In der „roten Bibel“ von Franken Tourismus „Wein.Schöner.Land!“ finden sich nicht nur Winzer und Weingüter, sondern auch Gasthäuser, Hotels und Weinfeste. Näheres bei Franken Tourismus Marketing, Wilhelminenstr. 6, 90461 Nürnberg, Tel. 0911/94151-20, E-Mail: ftm@frankentourismus.de
Die zweistündige Volkacher Gourmet-Häppchentour kann ab zehn Personen gebucht werden und kostet 29 Euro pro Person.
Tipp. In der Stadt gibt es auch eine Vinotheken-Tour unter dem Motto „Ganz in Weiß“, einen „Schnupper-Bummelpass gegen mögliche Schwellenängste“, so Marco Maiberger, Tourismuschef in Volkach. Das Ticket für 14 Euro ermöglicht es Besuchern, maximal zwölf Weine zu verkosten, zwei in jeder Vinothek: www.volkach.de