Unesco verändert die Perspektive

Das Unesco Welterbe ist ein begehrter Titel. Viele denken dabei zuallererst an traditionsreiche Geschichte wie sie sich in Salzburg präsentiert. Doch auch die Gegenwart ist preiswürdig wie Linz zeigt, das den Titel „Unesco City of Media Arts“ trägt und damit dazu einlädt, Neuland zu betreten und in die Zukunft zu blicken. Zwei österreichische Städte, zwei gegensätzliche Perspektiven.

Salzburg  wurde zum „Rom des Nordens“

Das Bewusstsein für das Unesco Weltkulturerbe und der Respekt dafür ist Susanne Zauner wichtig. Die Salzburgerin mit der blonden Haarmähne, die auch mal gern Dirndl trägt, vermarktet ihre Stadt in Deutschland und der Schweiz, und sie ist froh um das Altstadterhaltungsgesetz, das Salzburg vor größeren architektonischen Sünden bewahrt.

Salzburg Mirabellgarten Pegasus

Auch die junge Kunsthistorikerin Carola Schmidt weiß den Titel Weltkulturerbe  zu schätzen. Schließlich verdankt Salzburg seine internationale Anziehungskraft neben Mozart vor allem dem harmonischen Erscheinungsbild der Altstadt. Durch die Einkünfte aus dem Salzhandel hatten die Salzburger Fürst-Erzbischöfe die Möglichkeit, über die Jahrhunderte ein fast italienisch anmutendes Ensemble aus kirchlichen und sakralen Bauten zu errichten, das der Stadt den Titel „Rom des Nordens“ eingebracht hat. Überragt von den Türmen und Kuppeln der zahlreichen Kirchen stehen bis heute die geschlossenen Fassaden der Bürgerhäuser an den Plätzen und verwinkelten Gassen links und rechts der Salzach Spalier.

Was ist ein ehrenwertes Haus?

Doch trotz Unesco,  auch in Salzburg ist nicht alles perfekt, wie Carola Schmidt bei einem Stadtspaziergang erläutert. Das unter Denkmalschutz stehende Haus am Platzl 5 etwa habe der Eigentümer innen so ausgehöhlt, dass es nun einsturzgefährdet ist. Um so etwas zu vermeiden müsse der Denkmalschutz auch das Innenleben der Häuser berücksichtigen, fordert die Kunsthistorikerin und erzählt, dass der Altstadtfonds die Erhaltung traditionsreicher Gebäude durch Zahlungen an die Eigentümer fördert. Dass nicht immer sensibel mit dem architektonischen Erbe umgegangen wurde, sieht man am Gebäude in der Linzer Gasse 1. Wo früher eine Kirche war, sollte ein „ehrenwertes Haus“ entstehen. Hinein kam – wie man an der Fassadenmalerei sieht – ein Casino. Das war 1848. Heute beherbergt das Haus einen „Foot Locker“- Laden. Am Eingang des Hauses gegenüber kann man noch Spuren des ehemaligen Kreuzwegs ausmachen.

Im „ehrenwerten Haus“ residiert heute ein Foot Locker.

Alt und Neu in reizvollem Kontrast

Gleich ganz abgerissen wurde der Stahlbetonskelettbau, der das Collegium Borromäum am Mozarteum ersetzt hatte. Im Turnsaal des ehemaligen Gymnasiums hat das weltberühmte Salzburger Marionettentheater seine Geburtsstunde erlebt. Jetzt steht ein grauer Kubus mit großzügiger Fensterfront am Rand des barocken Mirabellgartens – ein durchaus reizvoller Kontrast.  „Man kann nicht am Alten hängenbleiben,“ kommentiert Carola Schmidt den Einbruch der Moderne in die Barock-Idylle. Erhalten, bewahren, aber auch – wo nötig – der Zeit anpassen, so versteht sie die Welterbe-Verpflichtung. Auch im modernisierten und durch neue Zubauten ergänzten Justizgebäude habe man den Spagat zwischen Denkmalschutz und aktuellen Anforderungen gemeistert. Sogar eine der ehemaligen Zellen sei erhalten worden.

Vergleiche zwischen Gestern und Heute

Und dann zeigt sie noch ein schönes Beispiel zum Thema „Bewahren“: Die „Sala terrena“ in der juristischen Fakultät, eine hohe Durchgangshalle mit zwei freistehenden und zwei Halbsäulen aus Marmor sowie einer filigran bemalten Stuckdecke aus der Zeit der Fürsterzbischöfe, die inmitten des Studentenalltags wie aus der Zeit gefallen wirkt.
Zu mehr Vergleichen zwischen dem Gestern und dem Heute lädt das Stadtpanorama ein. Von einer Besucherplattform aus können Besucher auf dem 130 Quadratmeter großen Rundgemälde von J. M. Sattler Einblick in das Salzburg des ausgehenden 18. Jahrhunderts und den Alltag der Bürger gewinnen. Touchscreens laden dazu ein, die Entwicklung einzelner Gebäude oder Stadtteile nachzuvollziehen. Da hat sich doch so einiges verändert, nicht nur in der Landschaft.

Der Fürsterzbischof und das Fake-Porträt

Natürlich nimmt Carola Schmidt die Besucher auch mit auf den 1,3 Kilometer langen Rundgang durchs prächtige Domquartier mit den Prunkräumen der Residenz, dem Dommuseum, der langen Galerie und dem Museum St. Peter  – schöne Ausblicke auf die Stadt inklusive. Und die Kunsthistorikerin erzählt mit Begeisterung nette Anekdoten: Vom Porträt des Fürsterzbischofs Harrach etwa, das eigentlich ein Fake – ja, das gab’s auch schon damals – ist, weil der Bruder des Geistlichen dem Maler Porträt saß – in Perücke und Gewand des echten Fürsterzbischofs. Oder von der Schatulle am Fenster, aus der die hohen Herren zu hohen Feiertagen buchstäblich Geld zum Fenstern hinauswarfen. Wenigstens kam es damals den Menschen direkt zugute.
Von der Galerie aus hat man den besten Überblick über das Innere des riesigen 99 Meter langen und 69 Meter breiten Doms mit den herrlichen Stukkaturen. Im romanischen Taufbecken wurde Wolfgang Amadeus Mozart getauft. Später spielte der Wunderknabe auf einer der beiden „Vierungsorgeln“.

Linz schaut in die Zukunft

Salzburg hat Mozart und die Festspiele, Linz hat Bruckner und die Ars Electronica. Die beiden Städte liegen eine gute Stunde Bahnfahrt voneinander entfernt und könnten doch unterschiedlicher nicht sein. Während sich in Salzburg Massen von Touristen durch die Getreidegasse schieben, kommen in Linz die meisten Touristen von der Donau, wo die Flußkreuzfahrtschiffe anlegen – bis zu 200 pro Tag.

Viele Touristen kommen von den Flussschiffen auf der Donau.

Während Salzburg auf seine Traditionen zurückblickt, schaut Linz in die Zukunft. „Linz verändert“ heißt es seit zehn Jahren. Da war die ehemalige Lieblingsstadt Hitlers Kulturhauptstadt Europas. Seit 2014 gehört die Landeshauptstadt von Oberösterreich als „Unesco City of Media Arts“ zum Netzwerk der kreativen Städte dieser Welt.
Die Weichen in Richtung Zukunft gestellt hat Linz aber schon 1979 mit der ersten Ars Electronica, die mit dem Untertitel „Kunst – Technologie – Gesellschaft“ beworben wurde und der Medienkunst eine gesellschaftliche Aufgabe zuweist. Neben dem Kunstmuseum Lentos und dem Ars Electronica Center hat sich die Tabakfabrik zur Drehscheibe für Innovationen entwickelt. Schon heute, sagt die Soziologin Sonja Kimeswenger, seien dort mehr Menschen beschäftigt als zu Fabrikzeiten. Die resolute dunkelhaarige Frau mit der großen Brille hat sich zum Austria Guide ausbilden lassen und kennt auch die Hintergründe zur Linzer Entwicklung.

Die Geschichte vom Fetzenvogel

Sie erzählt von der Nike, jener griechischen Siegesgöttin, deren Torso auf Samothrake ausgegraben worden war. Als Emblem der Stahlstadt Linz wurde 1977 auf dem Dach der Kunstuniversität Linz eine Nachbildung dieser Göttin installiert, eine acht Meter hohe frei schwebende Metallplastik, die an einem Stahlgerüst montiert war und nachts dank einer eingebauten Leuchtstoffröhre silbern schimmerte. Damals waren viele Linzer überfordert von soviel Modernität. Am liebsten hätten sie den „Fetzenvogel“ in Stücke gerissen. Nach 27 Monaten, im November 1979, hatte die NIKE ausgeschwebt. Über Düsseldorf kam sie nach Frankfurt, wo sie im Depot landete. Doch 2016 feierte die Skulptur im Rahmen der Veranstaltung „Höhenrausch“ eine triumphale Rückkehr. Als Leihgabe des Deutschen Architekturmuseums schwebt sie nun auf dem rechten Turm der Ursulinenkirche. Und die Linzer können gar nicht genug von „ihrer NIKE“ bekommen. Weitere drei Jahre soll die Göttin aus Metall das alte Postgebäude in der Linzer Innenstadt, einen Standort der Kunstuniversität Linz, schmücken.

Linz verändert –  mit der Zeit

Auch das Forum Metall, seit 1977 ein öffentlich zugänglicher Park an der Donaulände mit Großplastiken von renommierten internationalen Künstlern, sorgte anfangs für Kopfschütteln. 1998 gesellte sich die 18 Tonnen schwere Stahlplastik „Hommage à Anton Bruckner“ von Amadeo Gabino zu den anderen, und mittlerweile ist die Open Air Galerie zwischen Brucknerhaus und Lentos ein beliebter Treffpunkt. Zumal im Sommer, seit mit der Sandburg die erste Linzer Strandbar ihre Türen geöffnet hat. Man sieht, selbst in Linz braucht Veränderung Zeit.

Auch die Altstadt gibt sich gern modern.

Doch inzwischen macht sich Kunst auch am Linzer Hafen breit, wo die grauen Wände Farbe bekommen haben. „Mural Harbor“ heißt die „work in progress“, bei der Künstler aus unterschiedlichsten Nationen Kunstwerke unter freiem Himmel schaffen, Graffitis und große Wandmalereien. Inzwischen umfasst die Galerie am Linzer Hafen rund 100 Bilder von Künstlern aus 25 Nationen und ist ein weiteres Highlight des modernen Linz.
Auch der Stahlkonzern Voest Alpine, der aus dem Eisen- und Stahlwerk hervorging, das Teil der nationalsozialistischen Kriegsindustrie war, inszeniert sich als Repräsentant des modernen Linz und präsentiert mit der voestalpinen Stahlwelt eine einzigartige Erlebniswelt zum Werkstoff Stahl – natürlich multimedial und interaktiv.

Leonardo da Vinci war Vorbild

Das Aushängeschild von Linz aber ist das Ars Electronica Center, das sich als Schnittstelle zwischen Technologie und Gesellschaft sieht und nach dem Vorbild Leonardo da Vincis versucht, Kunst mit Wissenschaft in Verbindung zu bringen. Hier können Besucher in vier Laboren selbst aktiv werden und beispielsweise den Kopf einer Fruchtfliege in bis zu 23 000-facher Vergrößerung bestaunen. Sie können sich mit der Entwicklung der Virtual Reality auseinander setzen, die im Illusionstheater ihren Anfang nahm. Oder den Zustand der Erde besichtigen, wie Satelliten ihn zeigen. Womöglich ist Linz ja deshalb prädestiniert, Zukunftsvisionen zu entwickeln, weil Johannes Kepler, der als einer der Begründer der modernen Wissenschaft gilt, hier einen Großteil seines Lebens verbracht und Mathematik und Physik unterrichtet hat.

Info Salzburg

Wohnen In Salzburg gibt es die unterschiedlichsten Hotels: Günstig gelegen direkt am Mirabell Garten ist das Sheraton Salzburg Hotel in der Auerspergstr. 4, www.sheratongrandsalzburg.com
Mitten im Trubel der Getreidegasse befindet sich das Hotel Blaue Gans in trendigem Design www.blauegans.at
Anschauen Salzburg Panorama, Residenzplatz 9, Eintritt 4 Euro
Domquartier, Residenzplatz 1, Eintritt 12 Euro, den Audioguide kann man sich auf der website herunterladen: www.domquartier.at
Marionettentheater, Schwarzstr. 24, www.marionetten.at

Eine Augenweide: Alte Puppen im Marionettentheater.

Genießertipp Spirituosen- und Delikatessladen Azwanger seit 1656. In der Getreidegasse 15 gibt es alles für den verwöhnten Gaumen von handgeschöpfter Schokolade bis zum österreichischen Kaviar.
Informieren Direkt am Hauptbahnhof gibt es eine Touristeninformation, ebenso am Mozartplatz: www.salzburg.info/de

Info Linz

Wohnen Fußläufig zu Lentos, Forum Metall, Brucknerhaus und auch zum Ars Electronica Center liegt das Arcotel Nike, Untere Donaulände 9, www.arcotelhotels.com/de/nike_hotel_linz/
Nur an Erwachsene richtet sich das schicke Hotel am Domplatz, Stifterstr. 4, im Herzen der Stadt: www.hotelamdomplatz.at/
Anschauen Ars Electronica Center, Ars Electronica Str. 1, Eintritt 9,50 Euro, Highlightführung 3,50 Euro: www.aec.at/center/
Lentos Ernst-Koref-Promenade 1, Eintritt 8 Euro, www.lentos.at
Mural Harbour Industriezeile 40, nur mit geführten Touren, www.muralharbour.at
voestalpine Stahlwelt, voestalpine-Straße 4, Eintritt 8 Euro, www.voestalpine.com/stahlwelt
Tipp Im aufregend neuen Musiktheater am Volksgarten läuft derzeit mit großem Erfolg das mitreißende Musical „Hairspray“, ein „Märchen“ aus den 1950er Jahren, das sich auf unterhaltsame Art mit Ausgrenzung und Rassenhass beschäftigt, Karten 17 bis 73 Euro: www.landestheater-linz.at/
Informieren Tourismusverband Linz, Adalbert-Stifterplatz 2, www.linztourismus.at

 

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