Die Fridays for Future haben das Thema Umweltschutz in die Mitte der Gesellschaft katapultiert. Und der Tourismus sieht sich unvermittelt auf der Anklagebank. Der CO²-Fußabdruck vor allem durch Flüge brachte den Begriff „Flugscham“ in die Diskussion. Der Studienkreis für Tourismus nahm den Faden für seine 25. Ammerländer Gespräche auf. „Reisen for Future“ hieß das Motto. Und weil „die Generation Z unbequeme Fragen“ stellt und darauf klare Antworten erwartet, hatte Geschäftsführerin Claudia Mitteneder auch zwei Vertreterinnen der Fridays for Future eingeladen. Die Mädels, die nach ihrer Schulaufgabe zur Diskussionsrunde stießen, brachten denn auch neuen Schwung ins Gespräch, das in punkto Umweltschutz zwar „dringenden Handlungsbedarf“ ergab, aber sonst wenig Konkretes.
Einstiegsdroge Jugendreisen
Angeprangert wurde das „Wettrüsten der Schneekanonen“ ebenso wie „Reiseformen, die einfach ungesund sind“. Dabei war allen klar, dass das „gewachsene Umwelt- und Qualitätsbewusstsein“ neue Reiseformen geradezu herausfordert. „Sinnhaftes Erleben“ etwa sei für die jungen Reisenden ebenso wichtig wie WLAN und kostenloser Nahverkehr.
Und weil Jugendreisen „die Einstiegsdroge in den Reisemarkt“ sind, müsse man beim Umdenken und dem Umweltschutz auch da ansetzen.
Das Problem ist der menschliche Faktor
Einfach ist das nicht, wie ein Teilnehmer anschaulich darlegte: „Wir Menschen sagen das Eine und machen das Andere“. Dieser „menschliche Faktor“ gelte auch für die jungen Leute. „Wenn die Jugend alles ernst nehmen würde, müsste Primark längst pleite sein“. Allerdings wertet er die Umweltbewegung um Greta Thunberg („Sie ist das Gesicht!“)auch nicht als kurzen Hype. Das Thema Umweltschutz habe Fuß gefasst in der Gesellschaft, wobei die meisten zu Änderungen bei Plastik und Müll bereit seien.
„Ob man darüber hinaus wirkliche Einschränkungen in Kauf nehmen würde, darf bezweifelt werden“. Deshalb seien gesetzliche Vorgaben wichtig, „die ins Portemonnaie greifen“ und die auch Unternehmen zu umweltfreundlichen Entscheidungen veranlassen könnten. „Dann ändern auch wir gezwungenermaßen unser Verhalten.“ Ein schlechtes Gewissen, gab er der Branche auf den Weg, sei allerdings auch ein schlechtes Verkaufsargument.
An die Ostsee statt nach Amerika
Doch genau das hatte die 14-jährige Hanna nach ihrem Flug nach London. „Das war mein erster und hoffentlich letzter Flug“, sagte sie und machte damit der Runde schmerzhaft klar, wo beim Umweltschutz der Schuh drückt. „Man muss bei sich selbst anfangen“, ist das blonde Mädchen überzeugt. Allerdings verstünden auch in ihrer Klasse viele nicht, dass „man Opfer bringen kann“. Gegen umweltfreundliches Reisen hat sie nichts. Aber: „Es muss nicht Amerika sein, die Ostsee reicht vollkommen“, die Familie fahre eben mit dem Zug in die Sommerferien.
Auch die 13-jährige Aurelia verbringt die Sommerferien möglichst in der Nähe. Sollten Reisen in die Ferne nötig sein, müssten sie eben entsprechend lang dauern, meint sie. Da müsse man Prioritäten setzen. Von der Politik wünschen sich die beiden, „dass sie konkret was unternimmt“. Schließlich hätten wir nicht mehr viel Zeit. Auch die erwachsenen Diskussionsteilnehmer forderte Hanna zum Handeln auf: „Wir können nicht wählen. Aber es geht um unsere Zukunft. Da sollten die Älteren auf uns hören.“ Schon jetzt seien viele Entwicklungen irreversibel, umso wichtiger sei es deshalb, endlich Ernst zu machen mit dem Klimaschutz.
Tourismus immer wieder neu denken
Bei der Suche nach praxistauglichen Lösungen für die Touristik drehte sich die Diskussion danach allerdings weiter im Kreis. Man war sich einig, dass Reisen für viele Länder auch sozialen Nutzen bringt und den Horizont der Reisenden erweitert frei nach Humboldt: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.“
Wie sich allerdings ein Tourismus „mit geringst möglicher Umweltbelastung und größtmöglicher Akzeptanz“ verwirklichen lassen könnte, blieb auch nach durchaus reger Diskussion offen. Bei seiner Laudatio zu 25 Jahre Studienkreis und „25 Jahre Einsatz für nachhaltigen Tourismus und Teilhabe der Bereisten“ stellte Touristik-Experte Prof. Karl Born fest: „Tourismus muss immer wieder neu gedacht werden.“
Dass in Sachen Klimawandel Handlungsbedarf besteht, räumte auch Dr. Michael Frenzel, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft ein. Bei der Eröffnung des 22. Tourismusgipfels in Berlin betonte er aber auch, dass Verzicht, Verbote und Verteuerung „ein Irrweg“ seien . „Wir brauchen das klare politische Ziel, Klimaschutz und Freiheit unter einen Hut zu bringen – und damit auch die Reisefreiheit.“