Buddha lächelt – aus gutem Grund. Hier auf dem Inselchen Nainativu soll er höchstpersönlich für Frieden gesorgt haben, als sich die königliche Verwandtschaft wegen eines Edelsteinthrons zu bekriegen drohte. Die Erscheinung des Erleuchteten brachte die zerstrittenen Parteien zur Vernunft, der Versöhner wurde mit dem Thron belohnt. Der Legende nach befindet sich das Prachtstück in der silbrig glänzenden Dagoba. Ein Symbol des Friedens mitten im vom Bürgerkrieg heimgesuchten Norden von Sri Lanka.
Sieben Jahre ist es her, dass die Armee die Tamil Tigers besiegte, jene Rebellen, die auch mit Terror für einen unabhängigen Tamilenstaat kämpften. Die Waffen schweigen seither, doch der Weg zur Versöhnung ist noch weit. Der Mönch in der safranroten Kutte, der im Schatten eines Häuschens den Besuchern bunte Tempelbänder um die Handgelenke bindet, ist ein Singhalese. 1991 kam Ariyakiththi Thero aus der alten Königsstadt Anuradhapura nach Nainativu. Ja, die Tamil Tigers hätten auch den Nagadipa Tempel attackiert, sagt er, ohne sein Lächeln zu verlieren. Aber im Gegensatz zu anderen Tempeln sei dieser nicht zerstört worden. Vielleicht, weil schon 1958 tamilische Vandalen in dem Tempel gewütet und die aus Myanmar stammende Buddha-Statue zertrümmert hatten. Damals war der Tempel in Windeseile wieder aufgebaut und eine Replik der Statue installiert worden, um einen möglichen Rachefeldzug zu verhindern. Jetzt hofft Ariyakiththi, dass der Frieden hält – so wie einst, als Buddha persönlich eingriff.
Nainativu könnte ein Symbol der Versöhnung sein – mit einem buddhistischem und einem Hindu-Tempel. So meditativ die Ruhe an dem einen, so bunt und laut ist das Durcheinander am anderen Heiligtum. Leichtbekleidete Göttinnen flankieren den Torturm des Nagapooshani Amman Tempels, Kühe mischen sich unter die Gläubigen, die sich hinter dem riesigen Nandi versammeln, dem gehörnten Reittier des Gottes Shiva.
Wer hierher kommen will, muss übers Wasser – in hölzernen Kähnen, die auf den ersten Blick nicht sehr vertrauenswürdig wirken. Vor der Überfahrt gibt’s schwarze Schwimmwesten für alle. Auf dem Damm – wie überall im Norden – Polizisten, auch Soldaten. Ein Polizeiboot schaukelt auf den blaugrünen Wellen. Ein paar Meter weiter liegen ein paar leck geschlagene Seelenverkäufer. Auf den hölzernen Pfosten halten Krähen Wache.
Eine Reise in eine andere Welt
Eine Fahrt durch den Norden Sri Lankas ist immer noch wie eine Reise in eine andere Welt. Hochhäuser und andere „Segnungen“ der Moderne sucht man hier vergeblich. Selbst in Jaffna, der einst blühenden Hauptstadt des Tamilenreichs, fallen die Ruinen schöner alter Häuser ins Auge. Das Fort aus der Portugiesenzeit ist noch völlig zerstört, ausgerechnet der Galgen wird gerade restauriert. Die berühmte Bibliothek der Stadt, in den 1980er Jahren die größte Asiens, ist zwar nach der Zerstörung durch einen singhalesischen Mob wieder aufgebaut – aber die uralten Manuskripte auf Palmblättern sind unwiederbringlich verloren. Jaffna ist eine versehrte Stadt, die Wunden des Kriegs sind längst nicht vernarbt. Und doch hat diese Stadt mit den verwitterten Fassaden aus der Kolonialzeit, mit den Ruinen ehemaliger Villen in verwunschenen Gärten, mit dem trubeligen Markt und den winzigen Läden einen ganz besonderen Charme. Unverfälscht wirkt hier alles, nicht glatt gebügelt für die Touristen.
Mit dem Jetwing Jaffna hat im Januar ein neues Hotel eröffnet – im Look der 1970iger Jahre aber mit viel Komfort. Das findet auch der Generaldirektor Christopher Ponnadurai, der nach 30 Jahren Australien wieder zurück in seine Vaterstadt gekommen ist. „Manches wird nie wieder so sein wie früher“, bedauert der 64-jährige Christ, der sich noch an das Vorkriegs-Jaffna erinnert. Der Vater von zwei Söhnen hat in Australien seine Frau zurückgelassen, um sich in seiner Heimat zu engagieren, um jungen Leuten eine Chance zu geben, eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft – auch durch den Tourismus. Es bleibt noch viel zu tun, meint Ponnadurai. Die Menschen im Norden fühlten sich abgehängt von der wirtschaftlichen Entwicklung im Süden. Das liege auch an den Verständigungsschwierigkeiten zwischen Tamilen und Singhalesen, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Mit ein Grund dafür, dass Absolventen aus Jaffna in Colombo keine Arbeit fänden.
Wiedergeburt als Tamile?
Lakschman (Lucky) Prematilake ist Fremdenführer, ein Singhalese. Tamilisch versteht er nicht. Aber er ist überzeugt davon, dass die Versöhnung zwischen den beiden Volksgruppen Sri Lankas auf einem gutem Weg ist. „Wir sind Buddhisten“, scherzt er gerne, „wir glauben an eine Wiedergeburt, und wir könnten auch als Tamilen wieder geboren werden.“ Schon aus Eigennutz sei also Toleranz wichtig.
Zum Scherzen ist May Makeswaran nicht aufgelegt. Die junge Biochemikerin ist vor 15 Jahren mit ihrer Familie aus Jaffna nach England gegangen. „Wir waren gezwungen, das Land zu verlassen“, sagt sie und dass sie das Gefühl habe, die Tamilen seien in Sri Lanka immer noch Menschen zweiter Klasse. Für sich sieht sie keine Zukunft in Jaffna: „Sie lassen uns ja doch nicht wirklich teilhaben am Fortschritt. Auch beim Studium werden die Singhalesen immer bevorzugt.“ Außerdem habe sich in der Stadt wenig verändert. Ja, die Straßen seien besser geworden und immerhin gebe es jetzt einen Zug nach Jaffna. Aber in der Stadt selbst sei wenig Fortschritt zu erkennen, kritisiert die selbstbewussste 31-jährige Tamilin, die sich längst als Britin fühlt.
Tatsächlich überwiegen im Straßenbild Jaffnas die kunterbunten Tuk Tuks, auch altersschwache Fahrräder sieht man und manchmal auch alte Automodelle. Das Glitzernde Colombos fehlt ganz in dieser Stadt. Dafür kann man am Kandaswami Tempel im Vorort Nallur eintauchen in die Kultur der Hindus. Es ist Vollmond und Hunderte haben sich versammelt, um dabei zu sein, wenn der mit Blumen geschmückte Tempelwagen des Gottes Skanda in einer Prozession durch den Tempelbezirk gezogen wird. Die Frauen in farbenfrohen Saris, die Männer mit nacktem Oberkörper. Hühner- und Heldenbrüste werden da zu Ehren des Gottes entblößt. Glück und Frieden erhoffen sich die Gläubigen von ihrer Teilnahme am Fest – ausgerechnet von Skanda, dem Kriegsgott. Vor dem Torturm, den Gopuram, brennt ein Feuer in einer eisernen Schale. Ein alter Mann nähert sich mit einer Kokosnuss, hebt sie gegen den Himmel und zerschmettert sie auf einem Stein. Dann mustert er die zersplitterten Schalen. Vielleicht verkünden sie ihm eine glückliche Zukunft. Vielleicht kann auch er irgendwann das Trauma des 30-jährigen Krieges vergessen.
Das Erbe des Krieges
Für die Tamilen gibt es keine Erinnerungsstätten an ihre toten Kämpfer mehr. Die Friedhöfe wurden von der Regierung Sri Lankas zerstört. Nichts sollte mehr an die Kämpfe erinnern, hieß es. Doch in Kilinochi wird mit einem gigantischen Denkmal eines singhalesischen Helden gedacht, der einen Sprengstoff-Anschlag auf das Camp seiner Kameraden durch den Einsatz seines Lebens verhinderte. Und am umkämpften Elephant Pass, der Landzunge, die das Festland mit der Jaffna-Halbinsel verbindet, erzählt das imposante Einheitsdenkmal vor allem die Sicht der Singhalesen auf den Friedensschluss. Errichtet wurde es auf dem dem Erdboden gleichgemachten „Heldenfriedhof“ der Tamil Tigers.
Die Touristen, die durch diese so unberührt wirkende Landschaft fahren, sehen vielleicht die Einschusslöcher in den ärmlichen Häusern, doch sie wissen nichts mehr von den verschleppten Männern, den versklavten Kindersoldaten, von den einsamen Frauen, von Folter und Terror. Sie ahnen nicht, dass manche der grünen Felder immer noch verseucht sind – auch das ein Erbe des Krieges. Statt dessen sehen sie Flamingos und Kormorane, Reiher und Störche in den Reisfeldern. Sie sehen freundliche Menschen in einer scheinbar paradiesischen Natur.
Vor einem Jahr hat Maithripala Sirisena die Wahlen gegen den autoritären langjährigen Präsidenten Mahinda Rajapaksa gewonnen. Jetzt hat Premierminister Ranil Wickremesinghe eine neue Verfassung versprochen, in der auch die Rechte der Minderheiten berücksichtigt werden sollen. Der deutsche Botschafter Dr. Jürgen Morhard ist sicher, dass sich Sri Lanka zum Positiven verändert, auch weil es den Wechsel von einem autokratischen zu einem demokratischen Regierungssystem geschafft hat. Weil er die Insel liebte, will er noch ein Jahr länger bleiben als vorgesehen. „Sri Lanka ist das Land, wo die Menschen dem Leben ein Lächeln geben“, sagt er. Das Lächeln des Buddha.
Info Sri Lanka
Anreisen. Den Flughafen Colombo Bandaranayake fliegen viele Airlines an, u.a. auch Emirates (mit Zwischenstop in Dubai).
Einreisen. Das nötige Einreiseformular bekommt man im Flugzeug. Wer das Visum nicht vor der Reise beantragt hat (auf www.eta.gov.lk), kann es am Schalter „Visa on Arrival“ erhalten. Statt 30 kostet es dann 35 US-Dollar.
Bezahlen. Währung ist die Sri Lanka Rupie, derzeit (Stand Februar 2016) entsprechen 100 Rupien etwa 63 Cent.
Veranstalter. Sri Lanka ist bei großen Veranstaltern und bei Spezialisten im Programm. DerTouristik etwa bietet im Dertour-Katalog Indischer Ozean eine Privatreise „Impressionen des Nordens“ mit fünf Übernachtungen im DZ inkl. Halbpension, Rundreise ab/bis Colombo im PKW mit deutschsprachigem Chauffeur ab 739 Euro pro Person. Flüge mit Emirates können zum Preis von 668 Euro pro Person dazu gebucht werden: http://www.dertour.de/fernreisen/indischer-ozean/
Informieren: Im Reisebüro oder im Internet unter www.srilanka.travel
Juli 12, 2016
Danke für den tollen Bericht. Wer nach Sri Lanka fährt sollte sich unbedingt vorher über die neueste Geschichte informieren.