Es ist stockdunkel in der Unterwelt von Salzburg. Dunkel und nass. Wir sind im Almkanal, genauer im Stiftarmstollen. Einmal im Jahr, im September, können Interessierte hier hinabsteigen und 400 Meter unter der Erde durch ein Stück Salzburger Geschichte waten.
Vorausgesetzt sie sind nicht klaustrophobisch – und auch nicht zu dick. Denn der Gang ist eng – teilweise gerade mal 80 Zentimeter breit – und oft auch niedrig. Unter den niedrigsten Bögen kommen nur Zwerge unter 1.20 Meter durch ohne sich zu bücken.
Die ältesten Bögen sehen romanisch aus, sie sind auch uralt. Der Almkanal in Salzburg ist das älteste erhaltene Kanalsystem Mitteleuropas. In einem Kraftakt wurde der Stollen zwischen 1137 und 1143 durch die Sandsteinschicht zwischen dem Mönchs- und dem Festungsberg geschlagen. „Eine Knochenarbeit“, wie Führerin Angelika, eine Studentin, sagt. Wir können das nachfühlen, denn ohne das Licht unserer Taschenlampen wären wir hier unten verloren.
Harte Arbeit in der Unterwelt
Die Arbeiter damals mussten mit zusammengebastelten Ästen, die als Fackeln dienten, arbeiten. Der Rauch stach ihnen in die Augen und verpestete die Luft. Ohne einen Luftschacht wären sie in kurzer Zeit erstickt. An manchen Stellen haben sich Stalagtiten gebildet, die Steine sind überzogen von einer glänzenden Sinterschicht. An anderen Stellen sieht die Decke aus als würden gleich große Steine auf die Besucher herunterfallen. Doch Angelika winkt ab: Die kegelförmigen Steine sind so miteinander verkeilt, dass sie das Gewölbe sicher tragen.
Gebaut wurde der Stollen, um die Stadt Salzburg mit Wasser zu versorgen. Bauherren waren das Dom Kapitel und das Stift Sankt Peter. Doch schon während der Bauzeit gab es Querelen, wie die Führerin erzählt. Das sei so weit gegangen, dass die Bauherren gegenseitig versucht hätten, den Stollen zum Einsturz zu bringen. Und doch müssen sie sich letztlich geeinigt haben. Denn bis zum Jahr 1566 teilten sich die kirchlichen Bauherren die Kosten des Unterhalts. Daran hätten sich die EU-Granden, die vor kurzem in Salzburg zum Thema Brexit tagten, ein Beispiel nehmen können.
Die geistlichen Bauherren waren durchaus von dieser Welt
Auch sonst waren die geistlichen Herren durchaus von dieser Welt: Mitte des 14. Jahrhunderts durften die Salzburger für ihren Wasserbedarf einen zweiten Wasserleitungsstollen durch den Mönchsberg schlagen. Auch Müller, Schmiede und andere Gewerbetreibende nutzten die Wasserkraft. Das 1548 erbaute Städtische Brunnhaus, ein mit Almwasser betriebenes Grundwasserhebewerk, versorgte später Stadthäuser und Brunnen sogar am gegenüberliegenden Salzachufer. Und vom Stiftarmstollen ausgehende hölzerne Almbrunnleitungen lieferten an über 80 Ausläufen Wasser für Brunnen, Waschhäuser, Bäder und Pferdeschwemmen.
Der Almkanal diente neben aber nicht nur dem Antrieb von Mühlen und dem Wasserbedarf, er wurde auch als Entwässerungs- und Müllkanal genutzt. Um den Unrat, der sich auf den Straßen gesammelt hatte, wegzuspülen, wurde die Stadt teilweise überschwemmt. Das Kanalwasser trug die Abfälle in die Salzach – „und die Stadt war wieder sauber“, sagt Angelika zufrieden.
Der Weg führt über Grabplatten
Es gibt viel zu erzählen hier in Salzburgs Unterwelt. Gegen Ende zu laufen wir auf Marmorplatten. Es sind zweckentfremdete Grabsteine aus dem aufgelassenen Domfriedhof. „Aus Pietätsgründen“ habe man die Platten mit der Inschrift nach unten verlegt, berichtet die Führerin. Schon ein bisschen spooky. Und dann erfahren wir noch mehr Beunruhigendes: Drei Mal schon ist der Almkanal eingestürzt. Und in den 1970-iger Jahren war das Kanalsystem so desolat, dass die Stadt es zuschütten wollte. 1979 entschied man sich dann doch für eine Generalsanierung des geschichtsträchtigen Stollensystems. Heute steht der Almkanal unter Denkmalschutz. Und wer mehr über Salzburg erfahren will, kann in einem Jahr wieder in den Stiftarmstollen hinabsteigen. Besucher müssen nur aufpassen, dass sie die niedrige „Knochenbrecherparade“ unbeschadet überstehen. Dann können sie auch noch die Katakomben besichtigen am Petersfriedhof besichtigen, ein imposantes Höhlensystem aus der spätrömischen Zeit.
Die Moderne lässt grüßen
Zuviel Friedhof und Geschichte? Dann nichts wie rein in die Jetztzeit – auf dem Walk of Modern Art. Mit diesem Weg von Kunstwerk zu Kunstwerk will Salzburg seinen Anspruch als Metropole der Modernen Kunst unterstreichen und sich vom biederen Mozart-Image emanzipieren. Aber auch hier kommt man um Wolfgang Amadé nicht herum. Allerdings findet man die „Hommage an Mozart“ von Markus Lüpertz nicht im Zentrum, sondern etwas im Abseits, vor der ehemaligen Ursulinenkirche.
Hier steht die große Bronzefigur – weder Mann noch Frau aber mit einem Zopf wie ein Fingerzeig. Nicht allen Salzburgern gefällt, was sie da sehen. Da ist ihnen womöglich der „Spirit of Mozart“ von Marina Abramovic an der Staatsbrücke lieber, ein Ensemble von Stahlstühlen, die sich um ein 15 Meter hohes Stuhlgerüst gruppieren. Hier kann man sich niederlassen und im Angesicht von Salzach und Mönchsberg über Mozart und die Welt meditieren.
Das Who’s Who der zeitgenössischen Kunst
13 Kunstobjekte können Salzburg-Besucher in der Stadt erlaufen und sich Gedanken machen – auch jenseits von Mozart. Einige davon wie die „Sphaera“ von Stephan Balkenhol, ein Männchen auf einer riesigen Goldkugel, auf dem Kapitelplatz oder der marmorne Mädchenkopf „Awilda“ des katalanischen Bildhauers Jaume Plensa im Innenhof der Juristischen Fakultät, gehören mittlerweile schon zu den Lieblingsmotiven der Instagrammer.
Die Liste der beteiligten Künstler liest sich wie das Who‘s Who der zeitgenössischen Kunst. Anselm Kiefer verweist in einem begehbaren Pavillon gegenüber dem Festspielhaus mit „A.E.I.O.U.“auf Kaiser Friedrich III., der mit diesen Vokalen seinen imperialen Anspruch unterstrich: „Alles Erdreich ist Österreich untertan”. Gleich nebenan im Furtwängler Park hat Erwin Wurm Gurken in einer Fünferreihe positioniert, auf die nun die Schiller-Statue reichlich stoisch blickt.
Die Schatteninstallation „Vanitas“ in der Chorkrypta des Doms von Christian Boltansky erinnert an die Vergänglichkeit allen Lebens und steht in lebhaftem Kontrast zum Touristentrubel rund um die Getreidegasse.
Hier präsentiert sich das Hotel Blaue Gans als Hort der Kunst und Haus der Künstler.
Hier kann man per Kunstapp Werke von Joseph Beuys, Jonathan Meese, Arnulf Rainer oder Julius Deutschbauer entdecken. Und im Innenhof steht neben dem Kräuterbeet eine Rakete mit dem Titel „Vertigo“ von David Moises ganz so, als könnte sie jederzeit abheben ganz so, als könnte sie jederzeit abheben und durch das gläserne Dach in den Himmel über Salzburg fliegen.
Kurz informiert
Almkanal Der Stiftarmstollen kann bei der Almabkehr drei Wochen lang im September mit Führung besichtigt werden. Die telefonische Anmeldung isst zwischen Mai und Juni oder ab August möglich, jeweils Mo-Fr, 9 bis 12 Uhr. Ausgangspunkt ist das ehemalige Erzbischöfliche Brunnhaus in der Brunnhausgasse (Haus Nr. 5). Erwachsene zahlen 9 Euro: www.almkanal.at
Walk of Modern Art Führungen zu den 13 Kunstwerken gibt es von April bis Oktober. Anmeldung unter artroom@wuerth.at Treffpunkt ist jeweils um 15 Uhr, der Innenhof der Universität Mozarteum, Mirabellplatz 1. Die Teilnahme ist kostenlos. Man kann aber immer auch auf eigene Faust auf Entdeckungstour gehen.
Infos dazu unter www.salzburg.info/de/salzburg/creative-salzburg/kunst-im-oeffentlichen-raum/walk-of-modern-art
Hotel Blaue Gans. Das Hotel in der Getreidegasse hat nach aufwändiger Renovierung wieder geöffnet und bietet modernen Komfort in alten Mauern. DZ ohne Frühstück ab 207 Euro: www.blauegans.at
Auskunft Salzburg Information, Tel. 0043/ 662/88987 www.salzburg.info/de