Romantische Auszeit auf Guernsey

Es blüht so blau im Glockenblumenwald von Guernsey, als hätten die Romantiker die blaue Blume dort ausgesät. Blau zwischen dicken Wurzeln, unter frisch knospendem Grün, blau, so weit man schaut. Auf der 65 Quadratkilometer großen Kanalinsel vor der Küste Frankreichs ist der blaue Teppich ausgerollt. Wer ihn noch sehen will, sollte sich sputen – oder aufs nächste Frühjahr warten. Doch es gibt noch einige Gründe mehr, Guernsey zu besuchen. Hier sind die sieben wichtigsten:

Im Bluebell Wood

1) Das Wetter
Auf Guernsey kann man „viele Wetter an einem Tag erleben“, wie Gill erklärt, die auf der Insel aufgewachsen ist. Aber eiskalt wird es hier nie. Genauso wenig wie unerträglich heiß. Denn Guernsey gehört zu den Kanalinseln und profitiert vom Golfstrom. Die Folge sind relativ milde Winter und gemäßigte Temperaturen im Sommer mit viel Sonnenschein. Auf einen Regenschauer und viel Wind an der Küste sollte man trotzdem immer gefasst sein. Dafür ist die Insel ein Paradies für Gartenfreunde. Womit wir schon beim zweiten Grund wären.

Tea Time unter blauem Himmel in Moulin Huet.

2) Die Blumen
Kamelien mit leuchtenden Blüten in Perlmutt, Rubinrot und Lachsfarben, riesige Hortensienbüsche und Rhododendren-Berge schmücken die gepflegten Parks der Herren- und die Gärtchen der Reihenhäuser. Aber auch am Wegrand blüht es: Blaue Glockenblumen wetteifern mit Tag- und Nachtlichtnelken um die besten Plätze, dazwischen drängen sich die zarten Blüten der Knoblauchblumen, deren intensiver Geruch an unseren Bärlauch erinnert. Kein Wunder, dass der Impressionist Pierre-August Renoir in den fünf Wochen, in denen er 1883 auf der Insel war, wie besessen malte und auf hastig hingeworfenen Gemälden diese Farb-Explosion einfing. Die blühende Küste von Moulin Huet mit ihren sagenumwobenen Felsklippen und dem karibisch grünen Wasser war sein Hauptmotiv. Wer mag, kann heute auf den Spuren des Malers zu der Bucht wandern und vor Ort das Originalmotiv mit der impressionistischen Interpretation vergleichen.

Kamelienpracht auf Guernsey.

3) Die Küste
Sicher ist Moulin Huet mit der sandigen Bucht ein ganz besonders schöner Küstenstreifen auf Guernsey. Vor allem der Blick auf die zerklüfteten Felsen vor der Küste ist malerisch. Um den „Petit Bonhomme“, einen Felsen, der aussieht wie ein kleiner Mensch, hat sich gar eine Legende entwickelt. Und die geht so: Ein heidnischer Einsiedler an der Küste sah, wie ein Schiff zu kentern drohte. Er betete zu all den Göttern, die er kannte – aber nichts tat sich. Da betete er zum Christengott, den er bis dahin abgelehnt hatte. Und siehe da: Das Schiff entging dem Untergang. Der Einsiedler wurde Christ und lebt in der Felsfigur fort.

Das ist der Strand, der Auguste Renoir inspirierte.

Die Guernseyaner lieben solche Geschichten. Ein uraltes Megalith-Grab nordöstlich der Bucht von L’Erée haben sie mit Feen besiedelt. Die „Creux ès Faïes“ ist für sie so etwas wie der Eingang zum Märchenland. Und der Megalith-Stein vor der Kirche von St. Martin wird als „Gran’mere du Chimquiere“ verehrt. Die „Großmutter“ soll Brautpaaren Glück bringen und wird von Bräuten deshalb gerne mit Blumen umkränzt. Jetzt sind wir zwar etwas von der Küste abgekommen, doch auf Guernsey ist das Meer nie weit. Wer viel Zeit und gute Kondition hat, kann die Insel umwandern. Wer‘s in einem Stück machen will, bräuchte 14 Stunden. Nicht versäumen: Lihou Island, das nur bei Ebbe über eine Art Damm erreicht werden kann, und die Ruinen des Benediktinerklosters aus dem 12. Jahrhundert.

Nur bei Ebbe erreichbar ist Lihou Island.

4) Herm
Gerade mal 20 Minuten braucht die kleine Fähre, um in einer anderen Welt anzulegen: Herm ist ein gerade mal zwei Quadratkilometer großer Inseltraum mit weißen Sandstränden samt Karibik-Feeling, mit sattgrünen Wiesen und einer Blütenpracht, die Guernsey Konkurrenz macht. Die Luft ist erfüllt vom Duft des honiggelben Ginsters, Vögel zwitschern in den Bäumen, Möwen segeln am Ufer entlang, Fasane stolzieren über die Wiesen. Noch ist es ruhig auf Herm, und die 60 ständigen Bewohner müssen sich die Strände nur mit ein paar Wanderern oder Muschelsuchern teilen.

Einladend ist der breite Sandstrand auf Herm.

Aber im Sommer kann es ganz schön voll werden auf dem kleinen Eiland, auf dem Gebhard Leberecht Prinz von Blücher, der 1891 die Insel gekauft hatte, vor allem architektonische Spuren hinterlassen hat. Für Leslie, die seit 22 Jahren hier wohnt, ist der deutsche Adelige, der nach der Kriegserklärung 1914 die Insel verlassen musste, einer von Herms Helden. Hat er doch den Inselzugang, Herrenhaus und Kapelle repräsentativ umgestalten lassen. Im kleinen Garten der Kapelle befindet sich übrigens das einzige Grab der Insel: Jenny und Peter Woods, die 1949 nach Herm kamen und die Insel zu dem machten, was sie heute ist, wurden hier begraben. Einzigartig ist sicher auch das Gefängnis der Insel, ein archaisch anmutender Rundbau, der seit Jahrzehnten keinen „Gast“ mehr gesehen hat.

Im kleinsten Gefängnis der Welt  musste schon lange niemand mehr einsitzen.

5) St. Peter Port
Die „Hauptstadt“ von Guernsey ist ein quirliges Städtchen mit typisch englischen Pubs, kleinen Läden und einem Supermarkt in der ehemaligen Markthalle. Die Town Church aus dem 11. Jahrhundert und das nächste Pub Pub trennt kaum ein Meter, was einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde wert ist. Ein Blick ins Innere lohnt sich: Auf den bunten Kirchenfenstern wird aus dem Leben der Heiligen erzählt, der geschnitzte Altar stammt aus der Gotik. Punkt 12 Uhr hallt ein Kanonenschuss von Castle Cornet.

Blick auf den Hafen von  St. Peter Port.

Die imposante Festungsanlage zwischen Hafen und Bucht, deren Ursprünge aus dem 13. Jahrhundert stammen, wurde militärisch und als Gefängnis genutzt, war Sitz des Gouverneurs und während der Besatzungszeit Basis für deutsche Luftabwehrgeschütze. Heute beherbergt Castle Cornet einige Museen. Steile Treppen führen vom Hafen hinauf in die Innenstadt, wo die Häuser aus den Zwanziger Jahren mit ihren reizvollen Fassaden ins Auge stechen. Von den Candie Gardens mit den blühenden Kamelien hat man einen schönen Blick auf die Stadt und den Hafen. Den schönsten Blick hat wohl Victor Hugo, dessen Statue mitten im Park steht.

Victor Hugo hat den schönsten Blick auf die Stadt. Seine Statue steht mitten in den Candie Gardens.

6) Victor Hugos Haus
Der große französische Dichter und engagierte Europäer hat auf Guernsey 15 Jahre seines Exils verbracht. Nahe kommen kann man dem „Sonnenkönig der Literatur“ bei einem Besuch seines Hauses in St. Peter Port. Hauteville House ist ein fast herrschaftliches Anwesen, das Victor Hugo so opulent ausgestattet hat, dass es mehr einem Theater oder gar einer Kirche ähnelt als einem Wohnhaus.

Ziemlich theatralisch ist die Innenausstattung von Hauteville House.

Hier, ganz oben im „Kristallpalast“, wie er den gläsernen Aufbau nannte, schrieb er den großen Roman „Les Misérables“ („Die Elenden“). 1856 hatte Hugo das Haus auf Pump gekauft und nach seinen extravaganten Wünschen eingerichtet. Nach dem Riesenerfolg seines Buches „Les Contemplations“ (Die Überlegungen“) war er schuldenfrei und konnte fortan das Inselleben und den Blick aufs Meer genießen. Auf die Insel, die er als „Fels der Gastfreundschaft“ pries war der notorische Frauenheld mit Familie und Geliebter gekommen. Im Haus erinnert nichts an die lebenslange Geliebte, die ganz in der Nähe wohnte. Nur die Porträts der Ehefrau und der vier Kinder sind zu sehen, einige fast surreal wirkende Zeichnungen Hugos und viele stilisierte H‘s an den Wänden. Hugo wusste sehr wohl um seinen Ruhm. Aber er war auch ein Visionär. Im Garten seines Hauses hat er eine Eiche gepflanzt und prophezeit: „Wenn dereinst meine Enkel im Schatten dieses Baumes spielen werden, wird Europa vereint sein.“

Das stilisierte H  findet sich überall in Victor Hugos Haus.

7) Das Essen
„Die Kanalinseln sind ein Stück Frankreich, das ins Meer gefallen ist und von England aufgesammelt wurde.“ Victor Hugos Beschreibung stimmt auch heute noch für Guernsey. Französisch sind die Namen einiger Herrenhäuser und mancher Buchten, französisch inspiriert ist die Küche der Insel. „Patois“ heißt der Inseldialekt, der nach dem Krieg kaum mehr gesprochen wird, aber seine Spuren auch im Englischen hinterlassen hat. Fisch und Meeresgetier kommt in den Restaurants auf den Tisch, zum Beispiel bei Günter Botzenhart, der seit 35 Jahren auf der Insel lebt und mit La Nautique eines des besten Restaurants von St. Peter Port führt.

Die  Spezialität Ormer kommt nur selten auf den Tisch.

Selbst Ormer, die seltene Delikatesse von Guernsey, eine Verwandte der Abalone, auch Seeohr genannt, bereitet er auf Wunsch zu – wenn denn Ormer-Zeit ist. Dann schwärmen die Guernseyaner aus, um bei Ebbe zu „ormern“, wie man bei uns vielleicht auf Pilzsuche geht. Die Meeresschnecke ist inzwischen geschützt und darf nur zu bestimmten Zeiten gesammelt werden. Natürlich gibt‘s auf Guernsey auch die klassischen fish & chips, und an den Strandkiosken bekommt man mit etwas Glück Brote mit frischem Krebsfleisch. Nicht zu vergessen die Austern, die vor Herm am besten gedeihen. Auch für Gourmets ist Guernsey ein kleines Paradies.

Einladend:  Der Strandkiosk  von Port Soif .

 

Kurz informiert
Allgemeines. Guernsey ist nach Jersey die zweitgrößte der britischen Kanalinseln. Als „Crown Depencies“ sind die Channel Islands direkt mit der britischen Krone verbunden, aber eigentlich nicht Teil von England. Sie gelten als Steueroasen. Zu Guernsey gehören noch die Inseln Alderney, Sark, Herm, Jethou, Brecqhou, Burhou, Lihou sowie weitere kleine Eilande. Die Währung Guernsey Pound ist an das britische Pfund gekoppelt (zehn Euro entsprechen derzeit 8,48 Pfund,13 GBP).
Anreisen. Neu ist eine Direktverbindung mit Fly.be ab Düsseldorf ab 320 Euro: flybe.com
Sonst über LondonGatwick, von da weiter mit Aurigny: www.aurigny.com oder mit einer Fähre. Infos dazu unter www.visitguernsey.com/getting-here
Zeitverschiebung. Im Sommer minus eine Stunde.
Wohnen. Auf Guernsey gibt es einige schöne Hotels, aber auch Ferienwohnungen und B&B‘s. Toll gelegen und sehr individuell ist z.B. das Ziggurat Hotel in St. Peter Port: www.hotelziggurat.com/
Essen & Trinken. Pub-Lunches wie Hamburger, Fish & Chips, Sandwiches sind auf Guernsey sehr beliebt. Die Pubs sind „very british“, in einigen wie dem Crow‘s Nest (http://www.crowsnestri.com) gibt‘s das Bier der Microbrauerei Whiterock. Schön sitzt man im Boathouse am Hafen: theboathouse.gg/
Das beste Restaurant am Platz ist wohl das La Nautique mit exzellentem Seafood: lenautiquerestaurant.co.uk/
Eine Besonderheit sind die Strandkioske, z.B. der einladende Surfside Kiosk Port Soif: www.visitguernsey.com/food-drink/surfside
Unterwegs. Die Überfahrt mit der Fähre nach Herm kostet für Erwachsene 13, für Kinder (ab zwei Jahre) 6,50 Pfund. Auf Guernsey kann man für ein Pfund mit dem Bus die Insel er-fahren. Man kann aber auch ein Rad leihen. Pro Tag für 13 GBP für einen Tag, 45 GBP für die Woche. Helm, Schloss und Korb sind inklusiv: www.guernseycyclehire.com
Hauteville House. Das Haus von Victor Hugo, 38 Hauteville, St Peter Port, kann nur mit Führung besucht werden. Eintritt für Erwachsene acht Pfund, ermäßigt sechs Pfund: http://maisonsvictorhugo.paris.fr/fr/informations-pratiques/votre-visite-hauteville-house-guernesey
Informieren. Im Reisebüro oder im Internet unter www.visitguernsey.com

 

 

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