Im Sog der Wassermusik

Und so liest sich die Geschichte des Schotten Mungo Park, der 1795 aufbrach, um den Niger zu erforschen, so fabelhaft urkomisch wie ihn der 1948 geborene Boyle, der mit Erscheinen der „Wassermusik“ sogleich zum Kultautor avancierte, angelegt hat.
Der als Punkrocker unter den Autoren gefeierte Amerikaner zeigt schon bei seinem Erstling, was seine mittlerweile 13 Bücher auszeichnet: Kraftvolle Texte, verrückte Plots, schräge Metaphern. Inspirieren lässt sich der Mann mit dem unaussprechlichen zweiten Vornamen Coraghessan gerne von herausragenden Menschen und geschichtsträchtigen Ereignissen.
Die Aufzeichnungen über die Entdeckungsreisen des Schotten Mungo Park waren für diesen literarischen Schatzgräber geradezu ein Füllhorn, aus dem er sich freizügig bediente. Dabei stellt er seinem an maßloser Selbstüberschätzung leidenden Helden, der in seiner Naivität an Voltaires Candide erinnert, einen lebensklugen schwarzen Helfer zur Seite. Dieser Johnson hatte in London ein gutes Leben genossen, bis er in einem Duell einen Lord ins Jenseits beförderte, woraufhin er nach Afrika ausgewiesen wurde. Über den Mann, den er erschoss, bringt Boyle einen zweiten Erzählstrang in die Geschichte ein. Denn der Tote war eine Art Wohltäter für den glücklosen Ned Rise, der fürderhin als Gauner und Galgenstrick ein mehr oder minder mieses Leben fristet.
Und während Mungo und Johnson von grausamen Mauren entführt und geknechtet werden, während sie in Naturkatastrophen geraten und in der Wüste beinahe verhungern, bis Mungo endlich wieder zurück nach Schottland kommt und seine treue Ailie ehelicht, wird Ned Rise von Knastbrüdern und Polizisten gejagt, verliebt sich und stirbt beinahe am Galgen. Auch nach seiner wundersamen Wiederauferstehung wendet sich das Schicksal für den armen Schlucker nicht zum Besseren – bis er schließlich auf einem Gefängnisschiff in Afrika landet und dort auf Mungo trifft. Der war, angeödet vom braven bürgerlichen Leben als Familienvater, zu einer neuen Entdeckungsreise aufgebrochen und rekrutiert seine Begleiter unter den Gefangenen. Am Ende überkreuzen sich die Lebenswege: Mit Mungo geht’s bergab und Ned hat ein bisschen Glück.
Dieses Buch ist Abenteuerliteratur vom Feinsten. Und dass sie sich auch so süffig liest wie Boyle sie geschrieben hat, dazu trägt van Gunsterens frisch-fröhlich-freche, zuweilen auch poetische Übersetzung bei. Da wird der Entdecker zur Rampensau, werden Flüsse schwanger und gebären Sturzbäche, da ist der Himmel dunkel wie getrocknetes Blut, zerschneidet ein Lachen die Nacht wie ein Messer. Und dann der Niger: „Es ist wie eine Reise durch den Körper, diese Fahrt auf dem Fluss, es ist, als glitte man durch Venen und Arterien und große, feuchte Organe, als erkundete man die Kammern eines Herzens und versuchte, den Sitz der unsichtbaren Seele zu finden. Erde, Wald, Himmel, Wasser: Auf dem Fluss pocht der Rhythmus des Lebens.“

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