Stilles Gift: Agrarschelte

Einen kleinen Seitenhieb auf die Allgäuer Konkurrenz konnte sich Nicola Förg bei ihrer Lesung in der Alten Rotation in München nicht verkneifen. „Die Frau Förg schreibt gar keine lustigen Alpenkrimis“, sei da in einer großen deutschen Zeitung zu lesen gewesen, berichtet sie mit einem Augenzwinkern. Und ergänzt, dass man ihr vor 17 Jahren als sie mit dem Krimischreiben begann sagte: „Aber Sie können doch im Allgäu nicht morden.“ Seither habe sie viel „gemordet“ – auch im Oberbayerischen und werde die „Geister, die ich rief“, nicht mehr los.  Die gebürtige Allgäuerin will aber vor allem ihren neuen Roman „Stilles Gift“ vorstellen, der nach seinem Erscheinen schon viele Schlagzeilen gemacht hat und in der Bestsellerliste den Sprung auf Platz 11 geschafft hat.

Schauspielerin Michaela May ist ein Förg-Fan

Dazu hat sie die Schauspielerin Michaela May mitgebracht, die das Hörbuch spricht und sich gleich zu Anfang als Förg-Fan outet. „Nicola Förg ist eine Journalistin, die gründlich recherchiert,“ lobt May, „es geht bei ihr um mehr als um Zwetschgenkuchen und Leberknödel“. Auch für die Ermittlerin Irmi Mangold zeigt die Schauspielerin, die derzeit für die Fernsehproduktion „Protokolle des Bösen“ in die Rolle einer Serienmörderin schlüpft, Sympathie. „Mir gefällt ihre Bodenständigkeit und dass sie ihre Fälle mit Bedacht angeht.“
Natürlich steht auch die Autorin hinter ihrem weiblichen Ermittlerteam. „In den Fernsehkrimis sind doch alle Kommissare Psychopathen,“ sagt sie. „Meine Damen sind bodenständig und verstehen ihren Job.“ So wie sie selbst. Als Allgäuerin schreibe sie über das, was sie kenne und über die Menschen, die sie einschätzen könne. Wobei sie die Handlung stets um eine aktuelle Problematik herum komponiere. So wie in ihrem neuen Krimi „Stilles Gift“, in dem es ganz aktuell um die Bedrohung durch das hochgiftige Fäulnisbakterium Clostridium Botulinum geht, das im Verdacht steht, sich durch Gärungsprozesse in Biogasanlagen zu vermehren. Bevor sie sich ans Schreiben machte, hat Förg Experten konsultiert und zu den Themen wie chronischem Botulismus oder Glyphosat recherchiert. Dass just zum Erscheinen des Krimis das Thema Glyphosat im Bier hochkochte, macht das Buch, dem ein alarmierendes Interview mit einer ausgewiesenen Fachfrau zu Clostridium Botulinum und Glyphosat angehängt ist, hochaktuell.

Allein gegen die Agrarlobby

Im Mittelpunkt von „Stilles Gift“ steht ein Mann wie Hiob, dem die Existenz unter den Füßen weggezogen wird. Seine Tiere sterben eines elenden Todes und bei einem Unfall verliert er seinen Sohn. Kilian Schwaiger ist ein kluger Mann, er weiß, dass sein Schicksal kein Zufall ist. Er vermutet, dass ein Abwasserkanal die Wiese kontaminiert hat, die er von der Gemeinde gepachtet hatte. Dass so das tödliche Bakterium in den Stall und ins Haus kam, dass es seine Tiere sterben ließ und wohl auch dafür verantwortlich ist, dass sein Sohn behindert zur Welt kam. Kilian kämpft für sein Recht – gegen eine mächtige Agrarlobby und schließlich gegen alle im Dorf. Er wird zum Außenseiter, der Hof gilt als schlecht geführt, die Familie leidet und Kilian verschwindet. Jahre später taucht ein Teil seiner künstlichen Hüfte auf: Es fliegt einem Touristen als Geschoss aus einem Güllefass um die Ohren.
Schnell geht das ungleiche Ermittlerteam Irmi Mangold und Kathi Reindl von einem Mord aus. Und die Zahl der Verdächtigen wächst  –  vom Bauern, der die Gülle ausbrachte und einer der Platzhirsche im Dorf ist über den selbstherrlichen Bürgermeister bis zur  Antibiogas-Organisation, in der sich Kilian engagiert hat und der er in seinem Furor lästig geworden war. Es passiert so einiges, bis der Fall zu einer (ziemlich unerwarteten) Lösung kommt, und aufmerksame Leser können bei der Lektüre das Gruseln kriegen, nicht wegen des Mordes, sondern wenn sie über die Folgen unseres sorglosen Umgangs mit Pestiziden und Bakterien lesen. „Wir ahnen nicht mal, worauf diese Welt noch zusteuert,“ sagt Irmi Mangold am Ende des Buches. Und Nicola Förg warnt vor der schleichenden Verwandlung blühender Landschaften in eine Agrarwüste. Dem gebannt lauschenden Auditorium in München gibt sie noch einen Rat mit auf den Weg: „Vertrauen sie nicht blind allen Studien, nur weil sie im Internet stehen.“
Info: Nicola Förg,  Das stille Gift, Piper, 320 S., 14,99 Euro: www.piper.de
Weitere Lesungen unter www.touristische-runde.de 

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