Perspektiven im Tourismus

Es sind unsichere Zeiten im Tourismus. Corona hat das Reisen infiziert. Es kranken PR und Reiseveranstalter, aber auch Destinationen und Reisejournalisten. Die Touristische Runde diskutierte – auf Zoom – über den derzeitigen Zustand des Tourismus und mögliche Zukunftsperspektiven.

Ein Markt für kluge Gedanken

Eine katastrophale Situation für die Reisejournalisten sieht Peter Linden, nicht nur wegen der „stark geschrumpften Umfänge der Reiseteile oder Reisesendungen“. Manche Redaktionen dürften auch keine Aufträge an Freie mehr vergeben, viele befänden sich in Kurzarbeit. Vor allem die fest angestellten Redakteure müssten sich dieser neuen Herausforderung stellen, forderte der Journalist, der auch als Dozent und Trainer für Journalismus arbeitet. Immerhin gebe es einige Themen, die man aufgreifen könnte. Die Neuerfindung des Tourismus beispielsweise, der Rückzug ins Private, die Chaletisierung… Es bestünde durchaus ein „Markt für kluge Gedanken über die Zukunft des Reisens“.

Urlaub in Corona-Zeiten: Hauptsache weit weg von anderen.

In gewisser Weise biete diese ja sogar Vorteile für schützenswerte Ziele, denen die Touristenmassen erspart blieben. Reisejournalisten sollten ohnehin häufiger über die Ressort-Grenzen hinaus denken, ermuntert Linden zu mehr Eigeninitiative. Sein alljährliches Multi-Media-Seminar für Nachwuchsjournalisten in Norwegen etwa öffne sich sogar auf Wunsch der Gastgeber auch für Journalisten aus anderen Ressorts.

Hoffnung auf den Herbst

Kreative Ideen sind nach Meinung der Gründerin von Stromberger pr, die hauptsächlich Hotels vertritt, auch in der PR-Branche nötig. Sie habe „den längsten März meines Lebens“ hinter sich, gesteht Carmen Stromberger. Mitte März hätten sich die Aufträge von 100 auf 20 bis 30 Prozent reduziert. „Wir mussten uns jeden Tag neu aufstellen“. Kunden wollten aussetzen, Hotels schlossen. Und es habe keine Möglichkeit gegeben einzugreifen. Abwarten sei die Devise gewesen. „Wir hoffen alle irgendwie auf den Herbst.“ Immerhin habe es auch Kunden gegeben, die unter dem Motto „Das stehen wir gemeinsam durch“ der Agentur die Treue hielten – vor allem Inhaber geführte Hotels. Trotzdem sei 2020 nach 2019, dem erfolgreichsten Jahr der Agenturgeschichte, das schlechteste Jahr.

Auch die schönsten Hotels leiden unter den Corona-Maßnahmen

Riesen-Fragezeichen über der Zukunft

Bisher habe man die Zeit genutzt, die website neu aufzusetzen oder neue Meldungsformate zu entwickeln. Was Pressereisen anginge, habe man damit zu kämpfen, dass viele Redakteure derzeit gar nicht reisen dürften und viele Freie nicht wüssten, wo sie ihre Geschichten veröffentlichen könnten. Aber das seien Herausforderungen, mit denen wohl fast alle Agenturen kämpften, die im Tourismus tätig sind.
Auch Uschi Liebl, Gründerin von uschiliebl pr, bemerkt, dass die PR in der Luft hänge, abhängig sei vom Corona-Ticker. Über allem stünde ein Riesen-Fragezeichen – auch über den Pressereisen.

Besucherströme stärker steuern

Dass die Hoteliers am meisten von der Krise betroffen waren, bestätigt Simone Zehnpfennig von der Allgäu GmbH. Für sie kam der Lockdown „glücklicherweise zum Saisonende“. Und inzwischen sei Urlaub in Deutschland gefragt – und da natürlich die Berge. Deshalb sei man im Allgäu „momentan zufrieden mit der Auslastung“. Allerdings mache man sich Gedanken, wie es weiter gehen soll. Denn die Touristen drängten vor allem in die ohnehin viel besuchten Berg-Gebiete. Dort habe sich durch Corona die Enge noch verstärkt. Trotzdem leide man im Allgäu nicht unter „absoluter Überlastung“ – nicht einmal in Füssen, betont Zehnpfennig.

Neuschwanstein bleibt ein Hotspot im Allgäu.

Über die gut gebuchten Monate August und September freut sich auch Sibylle Wiedemann, Geschäftsführerin der Allgäu Top Hotels. Allerdings hätten die Häuser einen Verlust von 50 Millionen Euro zu verkraften. Und die Kunden seien „stark verunsichert“ – vor allem, wegen der täglich unterschiedlichen Signale aus der Politik und den Landkreisen. „Die Unternehmen stellen sich schon auf die Füße“, ist Wiedemann überzeugt, „aber wir brauchen Vertrauen“. Und man müsse die Besucherströme stärker steuern. Das Know-How sei da ebenso wie die digitalen Möglichkeiten.

Sehnsucht nach Down under?

Anders als Urlaub in Deutschland ist Urlaub in Australien derzeit gar nicht möglich. „Niemand weiß, wann die Grenzen wieder öffnen“, sagt Peter Mierzwiak von der auf Australien spezialisierten Agentur Global Spot. Aber das ging ja auch anderen Fernzielen ähnlich. Die letzten viereinhalb Monate seien für die Agentur trotzdem gut verlaufen, berichtet Mierzwiak: „Wir haben in der PR viel erreicht.“

Die Sehnsucht nach Down under kann auch Corona nicht vertreiben.

Als Traumziel ließe sich Australien besser vermarkten als viele andere Ziele. Die Sehnsucht nach Down under sei groß. Trotzdem „Am schlimmsten ist die Ungewissheit. „Man macht eine Menge für umsonst.“ Alle fragten sich, „wann die Maschinerie wieder in Gang kommt“. Vor allem für Reisebüros und Spezialveranstalter werde es allmählich eng.

Mehr Achtsamkeit und Umweltbewusstsein

Für Peter Linden stellt sich die Frage, „wie wir nach Corona reisen wollen“. Man müsse generell über das eigene Reiseverhalten nachdenken etwa über Tagesausflüge, die die Umwelt verpesten oder über Kreuzfahrten. Die sind auch Angelika Hermann-Meier von der gleichnamigen Agentur „ein Dorn im Auge“. Ihrer Meinung nach sollte es mit dem Tourismus nicht so weitergehen wie bisher. Mehr Achtsamkeit, Umwelt- und Naturbewusstsein, Gesundheit sowie die Rückbesinnung zum „Ich“, das könnten ihrer Meinung nach verstärkt Themen für die Zukunft sein.

Auch in Deutschland kann man Natur erleben.

Raus aus dem Elfenbeinturm

Detlef Düring sieht als freier Journalist auch Positives in dieser Zeit. „Es ist nicht alles schlecht. Es verändert sich.“ Es gäbe ja auch wieder Presse-Einladungen. Vor Ort seien allerdings weniger Chinesen oder Amerikaner, sondern vor allem Menschen aus dem eigenen Land oder den Nachbarländern.
In einem Punkt kann Peter Linden der Entwicklung in jedem Fall etwas Positives abgewinnen: Er setzt auf eine „Emanzipation des Reiseteils als ernsthaftes Ressort“ und darauf, dass die Redaktionen in Zukunft auch das bringen, „was nicht nur die Anzeigenkunden, sondern auch die Leser wirklich interessiert“. Seine Forderung: „Wir müssen raus aus dem Elfenbeinturm.“

Infos im Internet:
Angelika Hermann-Meier PR: www.hermann-meier.de
Detlef Düring https://1001reisetraeume.de/
Global Spot www.globalspot.eu
uschi liebl pr www.liebl-pr.de
Peter Linden www.peterlinden.de
Stromberger RR www.stromberger.de
Sibylle Wiedemann Allgäu Top Hotels www.allgaeu-top-hotels.de
Simone Zehnpfennig Allgäu GmbH www.allgaeu.de

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