Das Märchen von Castelfalfi

Der Prinz ließ auf sich warten. Das toskanische Dorf Castelfalfi, das im Mittelalter eine Blütezeit erlebt hat, lag lange im Dornröschenschlaf. Die Landflucht hatte das Dorf entvölkert, und verschiedene Eigentümer waren mit ihren Plänen zu einer Revitalisierung des 800 Jahre alten Örtchens in den Bergen von Montaione gescheitert. Dann kam die TUI. Doch es bedurfte mehr als eines Kusses, um Castelfalfi wieder zum Leben zu erwecken.

Auch Berlusconi hatte Interesse

Schon die Mailänder Unternehmer, die das Dorf zwischen Pisa, Florenz und Siena 1980 erworben hatten, hatten die Idee, die leer stehenden Häuser an Touristen zu verkaufen oder zu vermieten. Touristenappartements sollten entstehen, ein Restaurant im Schloss, ein öffentliches Schwimmbad, ein 18-Loch-Golfplatz. Doch dann meldete das Geldinstitut Konkurs an. Castelfalfi fiel an die Gemeinde Montaione zurück, die es wieder auf dem Markt warf. Auch Silvio Berlusconi soll ein Auge auf den malerischen Ort geworfen haben und Sarah Ferguson, die Ex von Prinz Andrew. Während die Verhandlungen liefen, entvölkerte sich Castelfalfi immer mehr.

Ein Ferienresort mit historischer Bausubstanz

2007 schließlich, als gerade mal noch fünf Menschen in den alten Mauern des Borgo wohnten, erwarb ihn die TUI, um ihn zum größten Tourismusprojekt Italiens zu machen. Kein Urlauberdorf aus der Retorte, nein ein authentischer Ort mit historischer Bausubstanz. Das war 2007. Zehn Jahre später präsentiert sich Castelfalfi als umweltfreundliches Ferienresort mit ganz eigenem Charme. Ein Biomasse-Heizkraftwerk sorgt für Heizung und Kühlung aller Gebäude im Ortskern. Dabei werden Pellets verwendet, die aus Nebenprodukten der lokalen Land- und Forstwirtschaft hergestellt werden. Bei der Restaurierung wurden die ortsansässigen Handwerker mit einbezogen. Das Touristendorf, das mit mehr als 1100 Hektar Fläche fast sechsmal so groß ist wie das Fürstentum Monaco, sollte kein Fremdkörper sein, sondern sich in die Umgebung einpassen.

„Die schönste Idee der TUI-Firmengeschichte“

Doch der Weg dahin war steinig –und teuer, auch wenn man die veranschlagten 250 Millionen Euro „unterschritten“ hat, wie TUI-Vorstand Sebastian Ebel sagte. Die wohl schönste Idee der TUI-Firmengeschichte forderte viel Geduld. Heute ist Ebel überzeugt davon, dass es in ganz Europa „kaum etwas Ähnliches“ gibt. Von der Terrasse der Burg mit dem Medici-Wappen blickt man über die schönen Dächer mit ihren charakteristischen Kaminen und die Dorfstraßen hinunter auf den 27-Loch-Golfplatz, einen der schönsten Italiens, bis hinüber nach Volterra, der uralten Etruskerstadt.

Boutique-Hotel in der Tabakfabrik

In der ehemaligen Tabakfabrik, La Tabacchaia, sind 31 behagliche Zimmer entstanden, mit Möbeln in warmen Erdfarben, Wänden in Blattgrün und mit Marmorbad. In der einladenden Trattoria Il Rosmarino isst man regional und verhältnismäßig preiswert, während sich im Gourmet-Restaurant La Rocca Sternekoch Michel Rinaldi bemüht, den ersten Stern für Castelfalfi zu erkochen. Wein und Olivenöl kommen vom eigenen Landgut. 36 000 Flaschen Weißwein und 30 000 Liter Olivenöl, „alles organisch“, produziert der Manager des Gutes Antonio Tripodi derzeit. Zwölf Angestellte hat der 38-Jährige, der seinen Ehrgeiz dareinsetzt, die Produkte auch international zu vertreiben.

Der Hotelmanager kam aus Bangkok in die Toskana

In der Ladenstraße hat ein Feinkostladen geöffnet, Boutiquen bieten außergewöhnliche Souvenirs an und edle Design-Objekte an. Noch verlieren sich die wenigen Käufer in der Gasse. Doch seit das neue Fünf-Sterne-Hotel „Castelfalfi- TUI Blue Selection“ geöffnet hat – mit 112 Zimmern und acht Suiten – bevölkert sich das Örtchen zusehends. So recht passt der erdbraune Hotelriegel zwar nicht in die mittelalterliche Umgebung, aber die verwöhnten Touristen finden hier alles, was sie unter Luxus verstehen. Hotelier Marco Metge kam aus Bangkok in die Toskana und fühlt sich in dem Postkarten-Projekt sichtlich wohl. Das liegt auch daran, so der 42-jährige Manager, dass man ein gutes Verhältnis zu den Menschen in der Umgebung habe. Käse und Salami und andere typisch toskanische Produkte kommen von Lieferanten aus der Nähe, und im neuen Hotel dürfen regionale Künstler ausstellen oder auch solche, die von der gemeinnützigen Villa Lena für einen Monat eingeladen werden.

Auch Deutsche haben sich in Castelfalfi eingekauft

Und dann wären da noch die schön restaurierten Luxus-Appartements in den ehemals verfallenen Häusern im Borgo und die verlassenen Gehöfte, die aufwändig in noble Casales (Landhäuser) verwandelt werden. Die Arbeiter kommen aus Montaione, die Architekten aus Florenz. Für einige sucht der TUI-Konzern noch potente Käufer. Bei Preisen zwischen 1,5 und 3,5 Millionen Euro dürften die Interessenten nicht gerade Schlange stehen. Doch TUI-Vorstand Ebel ist zuversichtlich. 18 deutsche Besitzer gebe es schon in Castelfalfi, heißt es. So langsam scheint das ehrgeizige Projekt in die Gänge zu kommen.

 

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