Wer ans Allgäu denkt, denkt an kernige Typen mit Rauschebart, Lederhose und Älplerhut. Vielleicht auch noch an zarte Mädchen im Dirndl. Aber an eine Braumeisterin? Es ist noch gar nicht lange her, da war das Allgäu noch eine Domäne der harten Kerle, die sich als Bergbauern mit den Kräften der Natur maßen. Doch die Frauen holen auf, zeigen, was sie drauf haben. So wie Stefanie Meyer im Postbräu in Nesselwang. Wie Anette Gaißer-Bischoff im Café Griaß di in Rettenberg. Wie Elisabeth Dieben-Rowedder auf der Lädine im Großen Alpsee. Frauenpower eben.
Stefanie Meyer und das Allgäuer Kräutermärchen
Sie hat den Kampf gegen „lau“ aufgenommen: Stefanie Meyer – groß, blond, schlank – ist nicht nur Bierbrauerin, sondern auch Biersommelière im familieneigenen Betrieb. Und sie tut aktiv etwas gegen eine drohende „Bierarmut“, wie sie im Norden Deutschlands schon Alltag ist. Am liebsten würde sie für jede Situation das passende Bier brauen – und sich dabei auch nicht allzu viel dreinreden lassen. „Bier ist 10 000 Jahre alt“, sagt sie, „das Reinheitsgebot gerade mal 500 Jahre“. Warum also nicht auch mit Kräutern experimentieren, mit Brennnesseln, mit mehr Kohlensäure? Dreieinhalb Jahre hat die 36-Jährige investiert, um das „Allgäuer Kräutermärchen“ zu kreieren, ein süffiges Getränk, das sich nicht Bier nennen darf, eben weil es nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut ist. Dabei hat Stefanie Meyer sich ausgiebig mit der Biertradition beschäftigt und erfahren, dass Brennnesseln auch schon früher zum Bierbrauen verwendet wurden. Bei den Craft Bieren, die zurzeit nicht nur im Allgäu Kult sind, bemüht sich die junge Frau, „mit Hopfen und Malz den Charakter herauszuarbeiten“. Da darf dann der Hopfen schon mal aus Australien kommen statt von der nahen Hallertau, einfach, weil er „geschmacklich mehr hergibt“.
Das Kreuz im Sudhaus als Glücksbringer
In Kreationen wie dem „Braukatz Nummer 1 Pale Ale“, dem „Hopfen Royale“ oder der „Liberalitas Bavariae“ steckt viel Arbeit drin – und mancher Fehlschlag. Kein Wunder also, dass Craft Biere nicht gerade billig sind. Wer die 0,75-Liter-Flasche vom Weizenbock „Liberalitas Bavariae“ mitnehmen will, zahlt im Postbräu 12,50 Euro. Dafür könnte er im Getränkemarkt schon mal einen ganzen Kasten Bier bekommen.
Der Vater, erzählt Stefanie, sei zuerst skeptisch gewesen, habe aber allmählich Gefallen gefunden an der neuen Bier-Mode. Und dann habe man ja auch noch das Kreuz im Sudhaus. Das bringe Glück. Das ist auch nötig, denn trotz all der Craft Biere nimmt der Bierkonsum in Deutschland eher ab. Mittlerweile läuft das Mineralwasser dem Gerstensaft den Rang ab. Statistisch trinkt jeder Deutsche 107 Liter Bier im Jahr, 1970 waren es noch 150 Liter. Beim Mineralwasser ist es genau umgekehrt. Um dagegen zu setzen, will Stefanie noch mehr Bier-Vielfalt produzieren – für jeden Anlass, so wie früher, als es noch Saisonbiere gab. Bei soviel Frauenpower kann auch der Herr Papa kein Spielverderber sein.
Mit Kalorienbomben in ein neues Leben
Im Gemeinde eigenen Cafè Griaß di in Rettenberg ist Bier nicht die Hauptsache. Anette Gaißer-Bischoff – lila Brille, modische Kurzhaarfrisur – hat’s eher mit Kuchen und Torten, die sie selbst bäckt. Am Wochenende sind es sechs bis sieben unterschiedliche Kalorienbomben – ein Totalangriff auf die schlanke Linie. Die 42-Jährige, die das Café mit zwei Teilzeit-Damen stemmt und ganz nebenbei noch fürs Rettenberger Schwimmbad und den Minigolfplatz zuständig ist, sieht nicht so aus, als könne sie so leicht etwas aus der Bahn werfen. Sie hat früher in einer Behörde in München gearbeitet und sich jahrelang gewünscht, „wieder am Grünten zu sein“. Das „Griaß di“ hat ihr Leben verändert.
Dafür nimmt sie in Kauf, dass das Café im Sommer täglich geöffnet ist und auch Frühstück anbietet. „Ich fahr‘ mit einem Lächeln nach Rettenberg,“ sagt die Wirtin aus Leidenschaft, „und mit einem Lächeln nach Hause“. Die Familie stehe hinter ihr – auch die zwei Kinder im Alter von 13 und 17 Jahren, die schon mal im Café oder beim Eisverkauf im Schwimmbad aushelfen. Dass sie sich in dem gemütlich mit zusammengewürfelten Stühlen und Handarbeitskissen eingerichteten Café „sauwohl“ fühlt, nimmt man Anette Gaißer-Bischoff ab. Auch dass sie das Café so betreibt, als kämen Freunde zu Besuch. „Bei dir isch es a bissel wie dahoam“, sagten die Stammgäste, erzählt die Wirtin nicht ohne Stolz.
Die Seglerin macht auch als Alleinhalterin eine gute Figur
Daheim ist Elisabeth Dieben-Rowedder inzwischen in Peterstahl am Rottachsee. Doch das war nicht immer so. Die agile weißhaarige 70-Jährige hat ein bewegtes Leben hinter sich. Geboren in Holland hat sie Sport und Pädagogik studiert, war in Berchtesgaden und den USA, hat als Sportlehrerin im Augsburger Maria-Ward-Gymnasium gearbeitet und lebt seit 1991 im Allgäu, wo sie am Allgäu-Gymnasium in Kempten Sport unterrichtete. 1991 ist Elisabeth auch um Kap Horn gesegelt. Von Stillstand hält sie nichts. Im Gegenteil. Getreu der chinesischen Weisheit „Wenn der Wind der Veränderung bläst, bauen einige einen Schutz, andere Windmühlen“ hat sie sich immer wieder neu orientiert.
Im fünften Jahr fährt die passionierte Seglerin nun schon auf der Lädine mit dem schönen Namen Santa Maria Loreto, dem neun Tonnen schweren Nachbau eines Bodensee-Frachtschiffes, mal am Steuer, mal als „Alleinunterhalterin“. Dann erklärt sie den Touristen die Schönheiten des Großen Alpsees und die Besonderheiten der Lädine – immer gut gelaunt. Nur manchmal, wenn ein Regatta stattfindet, huscht ein Schatten über ihr Gesicht und sie blickt sehnsuchtsvoll auf die Armada von weißen Segeln.
Zu gerne würde sie aktiv an so einem Wettkampf teilnehmen wie früher. Aber Elisabeth Dieben-Rowedder, die aus einer alten Segler-Familie stammt, viele ihrer Schüler fürs Segeln begeistert hat und noch heute Kids in der Optimisten-Klasse trainiert, ist Realistin. Sie weiß, dass Regatta-Segeln eine Herausforderung ist. Zuviel Stress für das künstliche Kniegelenk, das nicht so funktioniert wie es sollte. „Nach 16 Jahren Regattasegeln war 2009 gezwungenermaßen Schluss“, erzählt sie. Deshalb begnügt sich die vielseitige Wahl-Allgäuerin, die zehn Jahre lange auch in einer Band spielte, inzwischen mit Zuschauen und mit dem Job auf der Lädine. Der gibt ihr immerhin Gelegenheit, den Wind in den Segeln zu spüren – und ein bisschen Frauenpower.