Wärmegrade und Sonnenschein in den Bergen. Nichts da von Schnee und Dezemberkälte. Der Winter lässt auf sich warten in diesem Jahr – auch in den Bergen. Da passte es, dass sich die Touristische Runde mit den langsamen Gangarten der Winterfreuden beschäftigte, mit jenen, die ganz ohne Stress auskommen und Zeit lassen, die Natur zu genießen. Originelle Ideen sind gefragt und da werden die Wintersportorte immer kreativer – auch wenn sie nicht auf die Alpinskifahrer verzichten wollen – und können.
Als „Das Höchste“ etwa bewerben die Bergbahnen Oberstdorf, die „modernste Skiarena“. Der Gast, davon ist Miriam Frietsch von Oberstdorf Tourismus überzeugt, möchte die ganze Wintervielfalt erleben. Deshalb werbe Oberstdorf nicht nur mit den Pisten, sondern seit Jahrzehnten schon auch mit den geräumten Wanderwegen in autofreie Täler und den aussichtsreichen Panoramawegen auf dem Nebelhorn, dem Fellhorn und der Kanzelwand. „Oberstdorf ist nicht Ischgl“, sagt Frietsch und denkt dabei an ausufernde Après-Ski-Partys, „unsere Gäste wollen in Ruhe genießen.“ Weil der Ort die ganze Bandbreite der Winterfreuden biete, habe es im letzten nicht ganz unproblematischen Winter so wenige Beschwerden gegeben wie noch nie.
Mit Winter-Canyoning, Schneeschuhtouren und Iglubauen will Jochen Häfele vom Verband der Allgäuer Outdoorunternehmer die Winterurlauber für die eher sanften Aktivitäten begeistern. Der Verband ist Partner der DAV-Aktion „Dein Freiraum – mein Lebensraum“, bei der es darum geht, Natur und Wildtiere zu schützen und Tourengeher sowie Schneeschuhwanderer in ihre Schranken zu weisen. „Es kommt immer darauf an, wie man’s macht“, ist Häfele überzeugt. Er hat festgestellt, dass immer mehr Menschen „sich selbst verwirklichen“ wollen, dass sie die Abwechslung zwischen Entspannung und Action suchen – auch in der Winterlandschaft. Und da könnten die im Naturschutz geschulten Experten lenkend eingreifen, im Idealfall das Bewusstsein sensibilisieren. Ganz wichtig dafür sei, den einzelnen als Individuum wahrzunehmen.
Das tut man auch bei Chiemsee-Alpenland-Tourismus mit dem Winterzauber-Angebot. Claudia Kreier freut sich darüber, dass zum Beispiel der Strickkurs auf der Alm, bei dem man in drei Stunden zu einer Mütze kommt, im Vorjahr vollständig ausgebucht war. „Das war unser Burner!“ Mit solchen inspirierenden und geselligen Angeboten wolle man die ereignisarme Zeit zwischen Mitte Januar und Ende Februar beleben. In diesem Winter kommt zum Strick- auch ein Stickkurs (für Monogramme). Ebenfalls neu sind eine literarische Wanderung auf den Spuren von Isabella Nadolny, die am Chiemsee ihr Leben verbracht hat und eine Schneeschuhwanderung mit Almübernachtung sowie eine Schneeschuhtour mit Lawinenkunde.
Im Bregenzerwald, wo auch 15 Skigebiete auf die Winterurlauber warten, hat man zwei Sommerangebote auf den Winter übertragen. Cornelia Krieger von Bregenzerwald Tourismus ist überzeugt davon, dass das winterliche Weitwandern ohne Gepäck mit vier Übernachtungen ebenso gut ankommt wie die „kulinarischen Winterwanderungen“, die beim Frühstück beginnt und beim Dessert aufhört, wobei zwischendurch eineinhalb- bis zweistündige Wanderungen, teilweise auch eine Rodelabfahrt oder eine Pferdeschlittentour, eingeplant sind.
Auch im Ausseerland hat man Angebote, die in erster Linie für Alpinskifahrer entwickelt wurden, auf andere Angebote übertragen. „Wein trifft Schnee“ heißt es jetzt also auch auf der Loipe, wo „wir viele gute Hütten haben“, wie Ernst Kammerer vom Tourismusverband Ausseerland-Salzkammergut weiß. Beliebt seien auch Wanderungen rund um Grundlsee und Altausseer See. Gewandert wird auf geräumten Wegen bei Sonnenschein aber auch in sternklaren Nächten. Wer wolle, könne direkt von der Loipe in der Grimming Therme abtauchen und auch die traditionellen Handwerksbetriebe und Läden würden gerne besucht. „Den Gästen wird nicht fad“, ist der Geschäftsführer überzeugt.
„Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels“ sei ein breites touristisches Angebot dringend nötig, mahnt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. „Wir sind überzeugt, dass der Klimawandel nicht nur kommt, sondern dass er schon da ist.“ Deshalb plädiere der Alpenverein dafür, bei den Pisten das Angebot zu vertiefen statt es immer mehr auszuweiten. Kleineren Skigebieten empfiehlt er, die eigenen Vorteile ins rechte Licht zu rücken statt große Skigebiete zu kopieren. Schließlich gebe es viele unterschiedliche Wintersportler. Auch bei den Alpenvereinsmitgliedern erfahre etwa Schneeschuhwandern einen regelrechten Boom, während der Skilanglauf eher stagniere. Deshalb würden künftig in der Alpenvereinskarte für die Bayerischen Alpen auch Schneeschuhtouren eingezeichnet sein, verspricht Bucher. Für ihn ist Schneeschuhgehen eine Art „Abenteuer light“, ein Angebot ohne größere Eingangsschwelle.
Einig sind sich die Referenten, dass die Gäste immer mehr erwarten. „Der normale Winterwanderweg reicht nicht mehr“, hat Ernst Kammerer festgestellt. „Die Leute wollen unverfälschte Natur und Einkehrmöglichkeiten, am besten auch noch Hinweistafeln auf Fotopunkte.“ Die Gäste möchten Information und Unterhaltung, assistiert Jochen Häfele, man müsse „die Regionalität spielen“. Und Thomas Bucher meint, dass die Gäste zwar immer mehr auf vorgefertigte Pakete abfahren würden, die aber sollten möglichst authentisch sein. „Man will zwar in die unberührte Natur“, hat Claudia Marte von der Österreich Werbung erfahren, „ist sich jedoch deren Gefahren nicht bewusst, sodass Panik ausbrechen kann. “ Um das und möglichen Stress für die Natur zu vermeiden, hält Thomas Bucher Lenkungskonzepte für nötig wie man sie beim Alpenverein mit der Kampagne „Natürlich auf Tour“ finde aber auch in Österreich mit der Aktion „Respektiere deine Grenzen“.
Eine echte Konkurrenz zum Alpinskifahren würden aber all die kreativen Angebote wohl kaum sein, dämpft Georg Bayerle vom Bayerischen Rundfunk die Euphorie und stellt provokativ 40 Mützenstricker auf der Alm den 9000 Skifahrern am Sudelfeld gegenüber. Claudia Kreier widerspricht und berichtet von bis zu 800 Teilnehmern am Winterzauber-Programm. „Das sind keine Peanuts, auch wenn wohl kaum ein Alpinskifahrer für einen Monogramm-Stickkurs zu gewinnen sein wird.“ Von einem Schattendasein der eher sanften Winteraktivitäten will auch Thomas Bucher nichts wissen. Allein im Alpenverein seien rund 200 000 Schneeschuhwanderer und Skibergsteiger unterwegs, betont er. Allerdings, auch darüber besteht Einigkeit in der Referentenriege, leben die meisten Orte vom Wintersport-Image, das immer noch vom Alpinskifahren geprägt ist. „Ohne Ski alpin geht’s bei uns nicht“, stellt Cornelia Krieger klar, und Simone Zehnpfennig von der Allgäu GmbH ergänzt: „Ein Skigebiet garantiert den Schnee.“ Doch immer mehr Urlauber wollten sich vom Skipass nicht einengen lassen und schätzten flexible Angebote mit Wahlfreiheit. Vor allem für Familien seien neue Angebote nötig, mahnt Thomas Bucher, „sonst bricht uns der Nachwuchs weg“. „Es gibt eine Krise im Skisport – auch aus ökologischen Gründen“, warnt der Alpenvereinssprecher. „Darauf brauchen wir Antworten.“
Infos zu den Angeboten:
Alpines Museum, Praterinsel 5, 80538 München, ww.alpenverein.de/Kultur/Museum/
Bregenzerwald Tourismus GmbH, Impulszentrum 1135, 6863 Egg, Vorarlberg/Österreich, Tel. 0043/5512/2365-0, www.bregenzerwald.at
Chiemsee-Alpenland Tourismus, Felden 10, 83233 Bernau am Chiemsee, Tel. 08051/965550, www.chiemsee-alpenland.de
Deutscher Alpenverein, Bundesgeschäftsstelle, Von-Kahr-Str. 2-4, 80997 München, Tel. 089/14003-0, www.alpenverein.de
Oberstdorf Tourismus GmbH, Oberstdorf Haus, Prinzregenten-Platz 1, 87561 Oberstdorf, Tel. 08322/7000, www.oberstdorf.de
Tourismusverband Ausseerland-Salzkammergut, Bahnhofsstr. 132, A-8990 Bad Aussee, Tel. 0043/3622/54040-0, www.ausseerland.at
Verband der Allgäuer Outdoorunternehmen, Hindelangerstr. 31, 87527 Sonthofen
Tel. 08321/607/6880, www.va-outdoor.de