Welterbe, Kulturhauptstadt – was bringt’s?

36 Welterbestätten gibt es allein in Deutschland, 47 Kulturhauptstädte in Europa. Und der Run auf die beiden Titel ist ungebrochen. Auch Augsburg hat sich in die Warteschlange eingereiht und bewirbt sich – nach dem vergeblichen Anlauf zur Kulturhauptstadt – jetzt mit dem Thema „Wasserkunst“ um einen Platz auf der Unesco-Welterbe-Liste. Die Touristische Runde war in Augsburg, hat sich von Regio-Geschäftsführer Götz Beck vor Ort die etwas sperrige Bewerbung erklären lassen und die Vor- und Nachteile von Welterbe und Kulturhauptstadt mit Beck, Georg Steiner von Linz Tourismus und Björn Rudek von den Historic Highlights of Germany diskutiert.

Wasser ist das Mega-Thema für die Zukunft“, glaubt Götz Beck. Deshalb ist er auch „fest davon überzeugt“, dass sich Augsburg mit dem Thema „Wasserkunst“ gegen die drei anderen bayerischen Bewerber – die Königsschlösser Ludwigs II., der Saal 600 der Nürnberger Prozesse und die voralpinen Wiesen- und Moorlandschaften – durchsetzen kann. Wie bedeutsam Wasser für die Fuggerstadt war, konnte die Runde am Beispiel der historischen Wassertürme am Roten Tor sehen. Hier war vor 600 Jahren schon der erste Brunnenmeister am Werk. Seit 1412 versorgten die Wassertürme die freie Reichsstadt mit dem wertvollen Nass und 1545 schon, so erzählt es die wasserkundige Führerin Elisabeth Retsch, holten sich die reichen Fugger fließendes Wasser ins Haus an der Maximilianstraße. Für 200 Gulden konnten sich auch die anderen Patrizier den Luxus leisten – das gemeine Volk, das kaum die 55 Gulden für ein Häuschen aufbringen konnte, blieb weiterhin auf die 1600 öffentlichen Brunnen der Stadt angewiesen. Heute zahlt ein Augsburger, der täglich 123 Liter Wasser verbraucht, für zehn Liter zwei Cent. 900 Kilometer Frischwasser– und 600 Kilometer Abwasserrohre sorgen dafür, dass niemand auf dem Trockenen sitzt. „Augsburg steht, sitzt und liegt auf Wasser“, sagt Retsch stolz.
Weil das schon seit 600 Jahren so ist und die innovative Wassertechnik das mittelalterliche Handwerk ebenso beflügelt hat wie die Industrialisierung im 19. Jahrhundert, ist das Thema Wasser für Götz Beck alles andere als eine Eintagsfliege. Die Kontinuität gehört zu den Augsburger Besonderheiten ebenso wie „die einmalige topographische Lage“ zwischen den zwei Gebirgsflüssen Lech und Wertach, das „Archiv des Wasserwissens“ und die „gut erhaltenen architektonischen Strukturen“. „Diese Türme sind Unikate“, sagt Beck stolz, keine Rekonstruktionen“. Einer der Türme wurde extra gebaut, um die berühmten Augsburger Prachtbrunnen des Adriaen de Vries mit Wasser zu versorgen. Und die Brunnenfiguren am Augustusbrunnen von Hubert Gerhart versinnbildlichen die Flüsse Lech, Wertach, Brunnenbach und Singold. So wichtig war das Thema Wasser schon im 16. Jahrhundert. Heute, so meint Beck, ist es zukunftsweisend. 
Was aber erwartet der Regio-Geschäftsführer von einem Welterbetitel für Augsburg? Dass 31 Prozent der Urlauber in Deutschland die Welterbestätten besuchen, bestärkt den Touristiker in seinem Elan. „Die Unesco-Liste ist zu einer Qualitätsmarke für die Touristen geworden“, ist er überzeugt. Vor allem Japaner orientierten sich stark daran und reisten gezielt Welterbestätten ab. Deshalb setze auch die Deutsche Zentrale für Tourismus auf die Unesco-Liste. Doch es ist nicht nur die Außenwirkung, die Beck am Herzen liegt, ihm geht es auch um die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Und da gäbe es in Augsburg noch einiges zu verbessern. 
Was so ein Titel bewirken kann, beweist Linz, das 2009 Kulturhauptstadt war und seither – mit einer kleinen Delle 2010 -Übernachtungsrekorde erzielt. „Wir sind heute eine der erfolgreichsten Städte Österreichs“, konstatiert Georg Steiner von Linz Tourismus mit unverhohlenem Stolz. Auch dafür macht er das Kulturhauptstadtjahr verantwortlich, das dabei geholfen habe, neue Kulturformate zu wagen und „stadtqualitative Projekte“ zu entwickeln wie beschallungsfreie Restaurants und Cafés ja sogar Weihnachtsmärkte. Damit der Impuls des Kulturhauptstadtjahrs nicht im Sande verläuft, plädiert Steiner dafür, neue Zugänge zu definieren, „Meta-Ansätze“, die dabei helfen, die kulturelle und technologische Weiterentwicklung touristisch zu begleiten. Im Jahresthema 2012 „Technik und Architektur“ habe auch eine Porsche-Ausstellung ihren Platz. Und pünktlich zum Jahresthema 2013 „Musik“ wird in Linz das „modernste Opernhaus Europas“ eröffnen – mit der Uraufführung der Oper „Spuren der Verirrten“ von Philipp Glass nach dem gleichnamigen Schauspiel von Peter Handke. Linz, so der Tourismus-Manager, blicke nicht nur über den Tellerrand hinaus, sondern habe auch den Sprung in die Zukunft gewagt – und an Ansehen auch bei den Touristen gewonnen. Herausragendes Beispiel ist das Ars Electronica Center.  Dass die großen Veranstalter sich „immer noch schwer tun, Dinge zu verkaufen, die nicht so bekannt sind“, dass sie „Landmark orientiert“ sind, ärgert den Wahl-Linzer, der dafür plädiert im Städtetourismus nicht nur die museale Betrachtung hochzuhalten: „Kultur entwickelt sich weiter.“ 
Björn Rudek, Geschäftsführer der Historic Highlights of Germany kann dem nur zustimmen. „Auch bei dem, was wir kommunizieren, hat sich viel verändert“, sagt er. „Wir reagieren auf die Wünsche der Reisenden“. Noch immer funktioniere zwar das Romantische als „Einstiegsdroge“, doch heute gebe es eine Vielfalt von Themen, die dazu führten, „dass wir mehr und mehr ins Detail gehen“. 
Mit einer Vielzahl von Themen wirbt auch Augsburg um die Gäste. Ein Weltkulturerbe Augsburger Wasserkunst könnte die Dachmarke werden, hofft Götz Beck. Allein schon die Bewerbung habe beispielsweise das Bewusstsein für den Wert der Industriekultur geweckt. Das Unesco-Thema könne Türen aufstoßen, assistiert Rudek, wichtig sei aber auch die Authentizität. 
Am 1. August legt Augsburg seine Bewerbung der Kultusminister-Konferenz in Berlin vor, die über die deutschen Vorschläge entscheidet. 


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