Wassermusik aus Augsburg

Der Stadtbach trägt das Augsburger Wappen.

Wasserknappheit ist eines der großen Themen unserer Zeit. Und deshalb war es auch der seit Jahrhunderten pflegliche Umgang mit der Ressource Wasser, der die Unesco davon überzeugte, das  Wassermanagement-System der Stadt Augsburg auszuzeichnen. Immerhin gab es in der freien Reichsstadt schon seit dem Mittelalter eine strikte Trennung zwischen Brauch- und Trinkwasser. 22 Stationen haben Augsburg den Welterbe-Titel eingebracht, darunter Wasser- und Kraftwerke aber auch die Prachtbrunnen auf der Maximilianstraße, die olympische Kanuslalomstrecke aus dem Jahr 1972 und die Lechkanäle.

Mehr Aufmerksamkeit für Augsburg

Regio-Chef Götz Beck, der zusammen mit dem Verleger Martin Kluger die Bewerbung angeschoben hat, erhofft sich vom Titel weltweit soviel Aufmerksamkeit für die Stadt, dass sie sich aus dem Schatten Münchens befreien kann. Damit Augsburg auch von dem Titel profitiere, müsse man das Thema „bespielen“ und aktiv kommunizieren, mahnt der Tourismusdirektor. Die Stadt will nun einen Wasserladen einrichten und dort über die verschiedenen Welterbe-Stationen informieren.

Auch in der Fuggerei plätschert ein Brunnen.

Doch schon jetzt können sich Touristen auf die Spuren des Wassers begeben. Zum Beispiel mit einer Stadtführerin wie Elisabeth Retsch, die sich gründlich in die Wassergeschichte eingearbeitet hat.

135 Kilometer Kanäle und 100 Biber

Gleich zu Beginn ihrer Führung wartet sie mit beeindruckenden Zahlen auf: 192 Kilometer Wasserläufe gibt es in der Stadt, 135 Kilometer davon sind Kanäle. 38 Wasserwerke dienen der Wasserversorgung, 30 Brunnen sprudeln, aus 18 Trinkwasserbrunnen können die Besucher ihren Durst stillen. Kein Wunder, dass soviel Wasser auch vierbeinige Gäste anzieht. 100 Biber leben inzwischen im Stadtgebiet – nicht überall sind sie gern gesehen.

Die Wassertürme am Roten Tor speisten auch die Prachtbrunnen.

Dass die Bürger von Augsburg schon im 16. Jahrhundert Fließwasser hatten, war eine Sensation, berichtet Elisabeth Retsch. Man hatte die Quellen im Süden der Stadt im Brunnenbach zusammengeführt und per Aquädukt über den Stadtgraben in die Wassertürme am Roten Tor geleitet. Hier sorgten geniale Stadtbrunnenmeister dafür, dass das Wasser die Prachtbrunnen der Maximilianstraße und später auch die Privatbrunnen der Patrizier speiste.

Der Wasseranschluss war teurer als ein Häuschen

1588, so die Stadtführerin, konnten Augsburger Familien auch für ihre Häuser Wasser bestellen. Ein echter Luxus: 200 Gulden kostete der Wasseranschluss einmalig – oder zehn Gulden pro Jahr. Zum Vergleich: Für 60 Gulden gab es damals in der Unterstadt schon ein Häuschen.
Das Augsburger Wassersystem wird in historischen Schriften erstmals 1276 erwähnt. Siebzig Jahre später entstand die erste Stauanlage, das Wehr am Hochablass.

Das Lechwehr am Hochablass

Und das Wasserwerk am Roten Tor ist laut Dokumenten das älteste bestehende Bauwerk dieser Art in Deutschland, wahrscheinlich sogar in Mitteleuropa. Ab 1416 versorgte es die Menschen in der Stadt mit Trinkwasser aus den Bächen des Stadtwaldes. „Vor 500 Jahren,“ berichtet Retsch, „kamen Fachleute aus ganz Europa, die sich anschauten, wie man es schafft, das Wasser den Berg hochzubringen.“ Anhand von hölzernen Modellen können die Besucher von heute nachvollziehen, wie diese Kunst damals funktionierte.

Auch die Prachtbrunnen gehören zum Welterbe

Doch wer sich in Augsburg auf die Spuren des Wassers begibt, muss kein Technik- oder Hydraulik-Fan sein. Die Wasserkunst hat schließlich auch ihre ästhetischen Aspekte – zu bewundern an den Prachtbrunnen in der Maximilianstraße.

Am Herkulesbrunnen trifft sich die feierfreudige Jugend.

Den Herkulesbrunnen hat sich die Jugend der Stadt zu eigen gemacht. Allnächtlich ist er im Sommer von feierndem Volk umlagert. Ähnliches gilt für den Augustusbrunnen auf dem Rathausplatz. Auf dem Pflaster vor der Fassade des imposanten Renaissance-Rathauses lassen sich junge Leute gerne zu einem Ratsch oder einem Umtrunk nieder. Und wenn es hier abends ruhiger ist, lauschen die Gäste in den Cafés dem Plätschern des Wassers. Die Wassermusik ist den vier Flussgottheiten zu verdanken, dem Lech und der Wertach, der Singold und dem Brunnenbach.

Am Augustusbrunnen sorgen die Brunnengottheiten für Wassermusik.

Wo Augsburg Klein-Venedig ist

An heißen Tagen sorgen die Lechkanäle in der Altstadt für ein angenehmes Klima. Hier ist Augsburg fast so etwas wie Klein-Venedig – mit unzähligen kleinen Brücken. Und lustig sind auch die Namen dieser sich immer wieder verzweigenden Kanäle: Findelhauskanal, Hanreibach, Siebenbrunnbach, Schäfflerbach, Ölbächlein… Aufgedeckt wurden die Kanäle übrigens erst in den 80-iger Jahren des letzten Jahrhunderts bei der umfassenden Sanierung des alten Stadtviertels.

Rund um die Lechkanäle wirkt Augsburg wie Klein-Venedig.

Heute ist die ehemaligen Arme-Leute-Gegend eines der lebenswertesten Stadtviertel mit originellen, kleinen Läden, Wirtshäusern und Kunst.
Noch mehr Abkühlung verspricht die Kahnfahrt am Oblatterwall. Hier, wo schon der junge Brecht schmuste, scheint tatsächlich die Zeit still zu stehen. Malerisch liegen die Boote im Wasser vor dem kleinen Biergarten. Wer will, kann es Augsburgs berühmtesten Sohn gleicht tun und mit einem der Boote übers spiegelglatte Wasser rudern. Als Zugeständnis an die Moderne gibt es inzwischen auch Elektroboote.

An der romantischen Kahnfahrt schmuste schon der junge Bertold Brecht.

Das Lechwehr im Siebentischwald

Und dann wäre da noch der Siebentischwald, aus dem die Augsburger bis heute ihr Trinkwasser beziehen. Der Kuhsee ist im Sommer ein überaus beliebter Badesee. Und zum Lechwehr am Hochablass strömen die Augsburger das ganze Jahr über. Von hier kommt das Wasser für die Lechkanäle in der Altstadt und für die olympische Kanustrecke, die weltweit erste künstliche Wildwasserstrecke.

Die Kanuslalomstrecke wurde für die Olympischen Wettbewerbe 1972 erbaut.

Auf einer hölzernen Tafel kann man nachlesen, dass die Geschichte des Hochablasses bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht. Und die beiden Steinfiguren am östlichen Ende des Fußgängerstegs – Flößer und Spinnerin – erinnern an die Zeit, als das Wasser des Lechs das Gewerbe der Stadt antrieb – und sie reich machte. Auch die Textilindustrie, die Augsburg zum deutschen Manchester machte, war ohne Wasser nicht denkbar. Der Welterbe-Titel könnte dafür sorgen, dass die Stadt, in der Bayerns ärmste Bürger leben, wieder reicher wird.

Wasser ist auch ein Thema an der Universität Augsburg.

Info: Stadtführungen werden von Augsburg Tourismus veranstaltet: Am Rathausplatz 1, Tel. 0821/ 50207-0, E-Mail: tourismus@regio-augsburg.de, www.augsburg-tourismus.de
Thema Wasser im Internet: www.wasserleben-augsburg.de/über-wasserleben/unesco__welterbe/
Einige der  Augsburger Wasserstationen finden sich auch in meinen Büchern, die im Gmeiner Verlag erschienen sind: „Augsburg, ein starkes Stück Schwaben“ und „Bayerisch Schwaben“.
Tipp: Am 20. Juli feiert Augsburg den Welterbe-Titel mit einem Wasserfest. Dann haben viele Welterbe-Denkmäler geöffnet: www.augsburg.de
Mehr Deutschland: In Neuseeland gibt es eine website, die sich intensiv mit Deutschland auseinandersetzt.  Hier finden sich „100 best things to do in Germany“,  manches ist eher verzichtbar.  Aber vielleicht hat Augsburg in naher Zukunft die Chance dabei zu sein:  https://www.your-rv-lifestyle.com/things-to-do-in-germany/

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