Fliegen ist wieder möglich, und die Flugzeuge sind rappelvoll. Sogar das Tragen von Masken an Bord ist nicht mehr selbstverständlich. Alles problemlos? Nicht alles. Die Pandemie hat ein Problem verstärkt, das schon länger existiert. Das „Trinkwasser“ an Bord von Flugzeugen, warnen Experten, sei oftmals mit Keimen und chemischen Stoffen verunreinigt. Zwar müssten Fluggesellschaften regelmäßig Wasserproben entnehmen und die Leitungen säubern sowie desinfizieren, doch oft genug reichten die Maßnahmen nicht aus, so Prof. Dieter Scholz von der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften.
Restmengen im Tank
Aktuell komme hinzu, dass während der Corona-Pandemie viele Flugzeuge über mehrere Monate geparkt waren. Zwar würden dafür die Wassersysteme sachgemäß entleert, zurück bliebe aber eine nicht vermeidbare Restmenge an Flüssigkeit im Tank und im Leitungssystem. Dadurch könnten sich Bakterien im Wassersystem bilden, die bei der Wiederaufnahme des Flugbetriebs unbeachtet blieben. Eine aktuelle Bachelorarbeit stellt klar, dass Mikroorganismen (Parasiten, Bakterien, Pilze und Viren) im Trinkwasser von Flugzeugen die Luftfahrt schon seit ihren Anfängen vor ein Problem stellten, weil sie Infektionen auslösen können. Die niederländische Airline KLM etwa habe 2001 über Legionellen im Wassersystem an Bord eines Flugzeuges berichtet.
Grenzwerte überschritten
Die Bachelor-Arbeit zitiert auch die Airline Water Study, die 2019 vom Hunter College NYC Food Policy Center veröffentlicht wurde. Demnach haben Passagierflugzeuge oft unsauberes Trinkwasser an Bord und überschreiten vorgeschriebene Grenzwerte teilweise deutlich. Neben Bakterien wurde auch metallischer Abrieb aus dem Triebwerk als Gefahrenquelle identifiziert. Denn über das Triebwerksöl könnten metallische Partikel in das Wassersystem gelangen.
Trotzdem werde das Wasser aus den Flugzeugtanks den Fluggästen als Trinkwasser angeboten und zur Zubereitung von Tee oder Kaffee genutzt, wobei das kurzzeitige Erhitzen keine sichere Maßnahme sei, um alle Mikroorganismen im Wasser unschädlich zu machen. Das gelte auch für die Zubereitung von Suppen. Selbst wer das Wasser an Bord nicht trinke, käme damit in Kontakt – beim Händewaschen, beim Zähneputzen oder über warme Feuchttücher.
Quelle: ÖCALAN, Mehmet, 2021. Kontamination des Trinkwassers in Flugzeugen durch Mikroorganismen und Metalle. Bachelorarbeit. HAW Hamburg, Aircraft Design and Systems Group (AERO). Verfügbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:18302-aero2021-09-29.015
Die Antwort von Lufthansa
Auf Anfrage erklärt Lufthansa dazu folgendes:
Bei geparkten Flugzeugen achte die Airline „akribisch“ darauf, dass keine Restmengen von Wasser im Tank und in den Leitungen verbleiben. Speziell entwickelte Methoden sorgten dafür, dass nicht nur Keimbildung vermieden werde, sondern auch das Einfrieren der Trinkwasseranlage im Winter. Bei der Wiederinbetriebnahme eines Flugzeuges nach einer längeren Liegezeit werde die Trinkwasseranlage vor dem ersten Flug mit Herlisil (basierend auf Wasserstoffperoxyd) desinfiziert. Dazu nutze Lufthansa modernste Bodengeräte der Firma Testfuchs.
Analyse im Labor
Danach werde eine Trinkwasserprobe entnommen, die in einem unabhängigen externen Labor (z.B. beim TÜV) analysiert und von Chemikerinnen und Chemikern der Airline erfasst würden. Bei „geringsten Auffälligkeiten“ würden Gegenmaßnahmen veranlasst wie eine erneute Desinfektion oder auch ein „Hot Water Flush“, wobei die Anlage zusätzlich thermisch desinfiziert würde.
Lufthansa nehme nur an eigenen zertifizierten und regelmäßig überprüften Stationen Trinkwasser auf.
Regelmäßige Desinfektion
Routinemäßig werde die Trinkwasseranlage, je nach Flugzeugtyp, in einem Intervall von 90 bis 180 Tagen regelmäßig desinfiziert. Bei der A350 Flotte erfolge eine Desinfektion mit Herlisil alle zwölf Monate, da das Trinkwasser permanent durch ein „Water Treatment Module“ zirkuliere. Dabei sorge eine UV-Bestrahlung dafür, dass Keime kaum entstehen können.
In den Bordküchen seien spezielle Trinkwasserfilter eingebaut, die mittels Aktivkohle Keime und kleinste (Kalk) Partikel zurückzuhalten. Die Filter würden im Rahmen einer Desinfektion gewechselt. Alle
Trinkwasseranlagen seien aus Edelstahl und/oder Kunststoff. Es sei daher sehr unwahrscheinlich, dass sich Werkstoffpartikel lösen können. Im Trinkwassersystem trete keine mechanischer Beanspruchung auf, Metallabrieb könne daher kaum entstehen.
Trinkwasserproben alle zwölf Monate
Die Brühtemperatur der Kaffeemaschinen liege über 80° C, das Wasser werde somit zusätzlich sterilisiert. Den Kaffeemaschinen könne Heißwasser zum Aufgießen von Tee und auch zum Bereiten von Babynahrung „bedenkenlos“ entnommen werden. Kaltes Trinkwasser werde in Flaschen gereicht und nicht der bordeigenen Trinkwasseranlage entnommen (obwohl das möglich und zulässig wäre).
Sicher ist sicher
Wer trotz aller Vorsichtsmaßnahmen sicher gehen will, sich im Flugzeug nicht zu infizieren, sollte an Bord den Kontakt mit Wasser meiden, rät Prof. Scholz. Hier sind die Experten-Tipps:
• Bringen Sie Ihr eigenes Wasser mit an Bord. Bis zu fünf mal 100 ml pro Person in einem durchsichtigen wiederverschließbaren Beutel sind möglich.
• Verzichten Sie auf alles, wozu Trinkwasser an Bord genutzt wird: Trinken Sie niemals offen angebotenes Wasser, offen angebotene Getränke oder Suppen, Kaffee oder Tee.
• Nehmen Sie nur Wasser oder Getränke aus versiegelten Behältern entgegen.
• Waschen Sie an Bord Ihre Hände nicht mit Wasser. Verwenden Sie lieber Handdesinfektionsmittel, das Sie in kleiner Menge mit an Bord nehmen können.
• Verzichten Sie auf die heißen, feuchten Handtücher, die an Bord verteilt werden.