Für Kritiker ist Tourismus in vielen Bereichen verantwortlich für Naturzerstörung und Vertreibung der Einheimischen. Doch Tourismus kann auch anders, in dem er dafür sorgt, dass die Menschen vor Ort teilhaben an den Profiten und dass sie auch weiterhin selbstbestimmt nach ihren Traditionen leben können. Dafür setzt sich der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung mit dem To Do Award ein. Die Auszeichnung für sozialverantwortliche Projekte im Tourismus geht 2023 zu gleichen Teilen an das schwedische Projekt „Nutti Sámi Siida“ und an „Nuratau Community Based Tourism Project“ in Usbekistan. Für Claudia Mitteneder, Geschäftsführerin des Studienkreises, ist diese Auszeichnung für Schweden und Usbekistan ein Beweis, dass „sozialverantwortliche touristische Projekte überall und unter den verschiedensten Voraussetzungen möglich und erfolgreich sein können“.
Schweden: Nutti Sámi Sida
Seit mehreren tausend Jahren leben die Sámi mit ihren Rentieren und im Einklang mit der Natur in einem Gebiet, das sie selbst Sápmi nennen. Sápmi erstreckt sich über die nördlichen Teile von Norwegen, Schweden, Finnland und Russland. Nach mehreren schlechten Wintern, in denen die Tiere nicht genug Nahrung in der Natur fanden, suchten die Sámi nach Möglichkeiten, die Rentierhaltung und ihre Lebensweose trotz des Klimawandels weiter zu führen.
Gemeinsam mit dem Betreiber eines lokalen Ice-Hotels kamen sie auf die Idee, die Übernachtungsgäste aus dem Hotel zu ihren Rentieren zu bringen und ihnen über die Kultur der Sámi zu berichten. Das Projekt „Nutti Sámi Siida“ entstand und erfreut sich wachsenden Zuspruchs.
Experimentierfeld für junge Sami
Heute versteht sich „Nutti Sámi Siida“ als Lern- und Experimentierfeld für junge Sámi. Sie lernen, neue Wege auszuloten, wie sie ihre traditionelle Lebensweise in Einklang mit der modernen Welt bringen können. Das touristische Angebot umfasst Tagestouren, das Freiluftmuseum Márkanbáiki mit Café und Geschäft für Sámi-Kunsthandwerk sowie lokale Produkte, geführte Touren mit Rentieren, Homestay-Aufenthalte und schließlich die sogenannte Reindeer Lodge als eigene Unterkunft. Alle Aufgaben werden kollektiv beschlossen und erledigt – den Nutzen daraus zieht ebenfalls die ganze Gemeinschaft.
Usbekistan: Nuratau CBT Project
Schon zu Sowjet-Zeiten gab es in Usbekistan Tourismus: Taschkent, Samarkand und Buchara waren auch für Reisende aus Westeuropa oder Übersee zugänglich. Attraktive touristische Möglichkeiten bietet auch die Region um das Nuratau-Gebirge, wo in den wenigen Dörfern vor allem ethische Tadschikinnen und Tadschiken leben.
Anfang der 2000er Jahre hatte der deutsche Tierfilmer Henry Mix die Idee, in diesen entlegenen Dörfern nachhaltigen Tourismus zu entwickeln, um den Einheimischen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion arbeitslos geworden waren, alternative Einkommensquellen zu erschließen.
Alles begann mit sechs Gästehäusern in drei Dörfern sowie Tourenangeboten. Mit Unterstützung der GIZ, des DED und der Deutschen Botschaft wurden Rahmenbedingungen zur Entwicklung touristischer Strukturen geschaffen. Seit 2008 erlebt die Region ein enormes Wachstum. Die Zuwachsraten bei Gästeankünften sicherten ein eigenes Einkommen für die Dörfer, man reinvestierte in die Modernisierung der Häuser, in die Bildung der Kinder, in soziale Projekte.
Die Bevölkerung profitiert
Das Konzept verfolgt drei Ziele: die sozial-ökonomische Stärkung der lokalen Bevölkerung, die Entwicklung eines ökologisch ausgerichteten Tourismus sowie die Vermittlung lokaler kultureller Identität an die Gäste und damit die Wahrung eines selbstbestimmten Lebens der Bevölkerung. Derzeit werden 14 Familien-Pensionen mit rund 200 Übernachtungsplätzen betrieben. Bis zu 40 Prozent der Bevölkerung aus den beteiligten Dörfern sind in das Projekt eingebunden und profitieren auch davon.
Infos im Internet:
www.studienkreis.org
www.nuratau.com
htttps://nutti.se