Eigentlich könnte Indonesien einen Teil Singapurs für sich beanspruchen. Denn der boomende Stadtstaat ist teilweise auf Sand gebaut – auf indonesischen Sand. Singapur ist gewachsen – von ursprünglich 581 auf über 713 Quadratkilometer. Seit 1960 hat sich die Einwohnerzahl auf 5,6 Millionen fast verdreifacht – da half nur, dem Meer Land abzutrotzen. 1970 begann Singapur damit, Sand von Indonesien zu kaufen, 2007 beendete der Inselstaat den Ausverkauf durch einen Lieferstopp.
Spielplatz der Architekturstars
Singapur heute wirkt wie eine Mischung aus Dubai und New York, ein Spielplatz für die Architekten dieser Welt, die ihre spektakulären Wolkenkratzer und amorphen Beton-Gebilde rund um die Mündung des Singapore River bauen. Und während der Merlion, das gut acht Meter hohe Wahrzeichen der Stadt – halb Fisch, halb Löwe – unbeeindruckt sein Wasser ins Becken speit, drängen sich immer mehr Hochhäuserauf der aufgeschütteten Marina Bay.
Hier haben die Stars der Architekturszene wie Daniel Libeskind, Zaha Hadid, Moshe Safdie oder Norman Foster ihre Visionen in Beton gegossen und Architekturikonen geschaffen. Der dreibeinige Hotelkomplex Marina Bay Sands mit dem scheinbar endlosen Pool auf dem Dach des Harvard-Architekturprofessors Safdie ist wohl das meist fotografierte Gebäude der Welt.
Theaterzentrum und Science Museum
Symbol für das neue Singapur, das sich nach den strengen Jahren des Aufbaus der Kultur öffnete, ist aber das Theaterzentrum Esplanade, das an die populäre „Stinkfrucht“ Durian erinnert oder auch an einen stacheligen Käfer. Entworfen wurde es vom Singapurer Büro DP Architects und Wilford & Partners. Dahinter sticht das 165 Meter hohe Riesenrad von Kisho Kurokawa ins Auge, das derzeit allerdings außer Betrieb ist.
Das scheint die Touristen, die sich in diesem Architektur-Freizeitpark tummeln nicht zu stören. Auf der „Helix“-Fußgängerbrücke von Philip Cox, die das Esplanade und das Riesenrad mit dem auf Stelzen über einem Lotusblütenteich schwebenden „ArtScience“-Museum verbindet, tummeln sich mit Kameras und Handys bewaffnete Menschen aus aller Welt. Sie haben das Museumsgebäude von Moshe Safdie im Blick, das sich in den blauen Himmel über Singapur wie eine Lotosblüte öffnet.
Ufo und Legoland
Auf der anderen Seite, da wo noch die Kolonialarchitektur vorherrscht, hat sich Norman Foster verewigt und dem Gerichtsgebäude eine Kuppel verpasst, wie man sie auch vom Reichstag kennt. Den Hauptsaal hat der Architekt in einem Ufo untergebracht, das von den Dachgärten abzuheben scheint. Und dann wären da noch die silbrig schimmernden Wohntürme am Meer von Daniel Liebeskind, von den Singapuranern „Schiefe Türme von Singapur“ genannt.
Kein Wunder, dass auch deutsche Architekten hier mitmischen wollen. Ole Scheeren etwa mit seinem Kondominium The Interlace, das zum World Building 2015 ernannt wurde.
Ole Scheeren schuf das Bild eines wilden Haufens riesiger Container in Sichtweite des Hafens. Sein „Legoland“ ist losgelöst von jeder Ordnung. Das gilt nicht für unangemeldete Besucher. Sie müssen draußen bleiben. Da sind die Wachleute strikt. Die wohlhabenden Bewohner wollen offensichtlich unter sich sein.
Die neuen Hochhäuser zeugen von den Ansprüchen der Moderne – mal mit vertikalen Gärten begrünt, mal phallus- oder wabenartig. Sie bieten Luxusappartements für die Superreichen aller Herren Länder, die hier Steuern sparen können und von der modernen Infrastruktur der Stadt profitieren, zum Beispiel von der German European School.
Singapur heute: grün, sauber, sicher
Alvin Cheon, klein und drahtig, fühlt sich den Deutschen eng verbunden. Er hat in Bielefeld Maschinenbau studiert und ist stolzer Singapurianer. Die Vorteile seiner Stadt beschreibt er mit drei Adjektiven: grün, sauber, sicher.
So war es nicht immer. Als der Stadtstaat im August 1965 aus der Föderation mit Malaysia in die Unabhängigkeit entlassen wurde, lebte er mehr schlecht als recht von seinem Hafen am Singapore River, die Slums gehörten zu den schlimmsten der Region. Doch die autoritäre Regierung unter Premierminister Lee Kuan Yew von der People’s Action Party sagte Armut und Dreck den Kampf an, schuf Arbeitsplätze und Wohnungen in New Towns und setzte sich dafür ein, dass das Völkergemisch von Chinesen, Malaien, Indern und Europäern friedlich zusammen lebt trotz verschiedener Religionen.
So begann der rasante Aufstieg des kleinen Tigerstaates. Heute gilt Singapur als eine der teuersten Städte der Welt. Im höchsten Gebäude der Stadt, dem Guoco Tower muss man für die „Suite on the Top“ 100 Millionen Dollar hinlegen. Geld ist da in dieser Stadt, das sieht man an den teuren Autos, die auf den Straßen unterwegs sind. BMW, Audi und Mercedes sind gut vertreten. So ein Wagen und der dazu nötige Berechtigungsschein kosten schon mal soviel wie bei uns ein Reihenhaus auf dem Land. Ein ausgeklügeltes Maut-System für die Innenstadt sorgt dafür, dass der Verkehr fließt.
Die alten Viertel sind geschrumpft
Noch immer wird fleißig gebaut – auch in der Altstadt. Die kleinen bunten Häuserzeilen von Little India oder Chinatown sind von Wolkenkratzern umstellt. Seit einigen Jahren aber setzt sich der Staat ein für den Erhalt dieses architektonischen Erbes.
Der Charme der kleinen Geschäfte, der Tempel, Kirchen und Moscheen soll erhalten bleiben. Derzeit stehen mehr als 8000 Häuser unter Denkmalschutz. Und doch fallen immer wieder typische alte Gebäude der Spitzhacke zum Opfer. Zu teuer ist der Grund, zu groß die Versuchung, noch ein Hochhaus zu bauen. „Wir müssen noch mehr Land dem Meer abtrotzen,“ sagt Alvin. Nur durch Landgewinnung könnten das koloniale Erbe und die ethnischen Viertel erhalten werden.
Der Traum von der grünen Stadt
Viel Wert legt der Stadtstaat auf das Naturerbe. Singapur will eine „City in the Garden“ werden, eine Stadt im Garten Eden. Die Vision geht zurück auf den Übervater des Stadtstaates Lee Kuan Yew, der schon in den 1960er Jahren davon träumte, Singapur in eine tropische Gartenstadt zu verwandeln.
In den letzten 50 Jahren hat sich viel getan: Die Straßen werden von über zwei Millionen Bäumen gesäumt. Ein Baumweg „Tree Trail“ mit riesigen, von Sukkulenten bewachsenen, Bäumen führt durch den historischen Distrikt. Es grünt scheinbar überall, auf und zwischen den Wolkenkratzern, ja
sogar an den Wänden.
Bäume aus Stahl und Beton
Ein grüner Hingucker allerdings sind die „Gardens by the Bay“, wo die höchsten Bäume aus Stahl und Beton bestehen, auf dem das Grün bis zum ausladenden Wipfel kriecht. 25 bis 50 Meter hoch sind diese Supertrees, die nicht nur als vertikale Gärten dienen, sondern als Regenwasserspeicher und teilweise auch als Stromlieferanten. Gartenarchitekt Andrew Brant hat sich viel einfallen lassen für diese 54 Hektar groß Parklandschaft Bay South. Den „härtesten Job meines Lebens“ soll er die Planung der Gärten mit den zwei gigantischen Gewächshäusern genannt haben. Es hat sich gelohnt.
Mehr als 220 000 Pflanzen aus aller Welt wuchern und wachsen hier. Im knapp 1,2 Hektar großen Flower Dome haben vor allem Gewächse aus dem Mittelmeerraum eine Heimat gefunden. Doch neben den Kakteen blühen derzeit hier auch Narzissen und Tulpen. Und unter den blühenden Kirschbäumen machen Japaner eine Familienaufstellung fürs Foto.
Mit dem Fahrstuhl auf den Berg
Spektakulärer ist der Cloud Forest mit dem künstlichen Nebelberg samt Wasserfall. Auf den Gipfel des grün überwucherten Berges kommt man mit dem Fahrstuhl, runter geht es über eine Art Skytrail. Der Wanderweg schwingt sich kurvenreich entlang des Nebelbergs und bietet immer wieder neue Ausblicke auf die Stadt. Auch die Insel Sentosa kann man von hier aus erahnen. Die frühere Festungsinsel der britischen Kolonialmacht hat sich in ein Ferienparadies verwandelt mit künstlichen Badestrand – natürlich aus Indonesien.
Kurz informiert
Anreisen. Lufthansa fliegt seit kurzem direkt von München nach Singapur (ab 664 Euro). Auch ab Frankfurt gibt es LH-Direktflüge: www.lufthansa.com Ebenfalls nonstop fliegt Star-Alliance-Partner Singapore Airlines, von Frankfurt, München und Düsseldorf: www.singaporeair.com
Wohnen. In Singapur schießen die Luxushotels aus dem (teuren) Boden wie Pilze. Vor fünf Monaten hat das Singapore Sofitel City Center, eröffnet mit einem Gartenpool, von dem man auf die umliegenden Wolkenkratzer blickt und auf das nahe gelegene Chinatown, 9 Wallich Street, 078885 Singapur. Das Doppelzimmer gibt‘s ab 240 Euro: http://www.sofitel.com/de/hotel-A152-sofitel-singapore-city-centre-/index.shtml
Schön für einen geruhsamen Kurzaufenthalt ist das Schwesterhotel auf der Ferieninsel Sentosa, Sofitel Singapore Sentosa Resort & Spa (Sentosa, 2 Bukit Manis Rd, Singapur 099891) mit großzügigem Spa, DZ ab 241 Euro: www.sofitel-singapore-sentosa.com
Es gibt natürlich auch günstigere Hotels in Singapur. Im Dreisternehotel Bencoolen, 47 Bencoolen St, Singapur 189626, zahlt man beispielsweise ab 61 Euro: www.hotelbencoolen.com/
Anschauen. Der Eintritt zu den Gardens of the Bay ist kostenlos. Für die beiden Gewächshäuser zahlen Touristen 30 Singapur Dollar Eintritt.
Bezahlen. Ein Singapur Dollar entspricht rund 62 Cent.
Informieren. Singapore Tourism Board, Bleichstraße 45, 60313 Frankfurt, Tel. 069/ 920770-0, www.yoursingapore.com