Rio – Stadt der Wunder

Es ist eine eigenartige Prozession auf dem Corcovado hoch über Rio: Ein Mann im blauen Müllbeutel, der ein Kreuz aus Plastikflaschen trägt und von zwei Männern mit römischem Kopfputz voran gepeitscht wird. Daneben ein Priester im Ornat mit Gebetsbuch. Ein paar Frauen folgen mit gefalteten Händen durch eine neugierige Menge. Und über der skurrilen Szene wacht ungerührt und riesengroß der Beton-Christus.

Prozession mit Müll-Kreuz

98 Prozent der Cariocas – so nennen sich die Einwohner von Rio – sind katholisch, , sagt der vielsprachige Guide Juan Heras Rocha, „auch wenn sie nicht in die Kirche gehen“. Erklären kann er den frommen Aufzug auch nicht. Kaum ist die kleine Prozession über die Treppe verschwunden, wendet sich die Aufmerksamkeit wieder der Aussicht zu, und die ist vom 710 Meter hohen Corcovado fantastisch – azurblaues Meer, schneeweiße Strände, sattgrüne Wälder und dazwischen das Häusermeer der „Cidade Maravilhosa“, der wunderbaren Stadt, wie sich Rio zu Recht nennt.

Himmel, Häuser, Meer und grüne Hügel

Aber auch der 38 Meter hohen und 28 Meter breiten Christusstatue schenken die Menschen viel Aufmerksamkeit und posieren mit ausgebreiteten Armen fürs Foto. Als die Statue zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Brasiliens erbaut wurde, sollte sie die Immigranten willkommen heißen „mit offenen Armen“, erklärt Juan. Denn das erste, was die Menschen, die mit dem Schiff übers Meer kamen, sahen, war die monumentale Statue Cristo Redentor (Christus, der Erlöser). Heute pilgern vor allem Touristen zu Rios Wahrzeichen – mit der Zahnradbahn aus der Schweiz. Millionen sind es jedes Jahr, auch Päpste und natürlich jede Menge Promis haben der Erlöser-Statue schon einen Besuch abgestattet.

Christusstatue mit offenen Armen

Viele empfinden den Gipfel als magisch – anders als den anderen Aussichtspunkt, den 391 Meter hohen Zuckerhut. Hinauf geht‘s mit einer zweistufigen Seilbahn. Die neueste Version stammt ebenfalls aus der Schweiz. Es waren allerdings deutsche Ingenieure, die 1912 den kegelförmigen Berg mit einer Seilbahn erschlossen haben. Seit damals ist der Zuckerhut samt Seilbahn und allen anderen Einrichtungen im Familienbesitz, erzählt der groß gewachsene CEO Alexander Balardjischvili.

Eine Zipline für den Zuckerhut

Und die Besitzer planten eine neue Attraktion auf ihrem Berg, eine Zipline vom Gipfel auf den unteren Berg, den Morro da Urca. Wer sich traut, könne ab August Rio im Flug erleben, verspricht Balardjischvili. Es sei vielleicht nicht die längste Zipline, aber „sicher die mit der schönsten Aussicht“. Roger Moore brauchte diese Herausforderung nicht. 1978 nutzte er einfach das Seil der Bahn als Zipline, um in „Moonraker“ dem Verfolger mit dem Bleigebiss zu entkommen. So sorgte er als James Bond auch für spektakuläre Ansichten von Rio. Denn der Ausblick ist im wahrsten Sinn atemberaubend.

Panoramablick vom Zuckerhut

Für Normal-Menschen beginnt die Fahrt am Roten Strand, der Praia Vermelha. In der ersten Etappe geht es hinauf zum 220 Meter hohen Urca. Dort erreicht man die nächste Station über einen kleinen Fußmarsch auf einem Waldweg.

Staus am Wunschbaum

Für gelegentliche Staus sorgt der Wunschbaum mittendrin, durch den sich die meisten zwängen, um ihre Wünsche loszuwerden.  Auf dieser Mittelstation gibt es aber auch kleine Geschäfte und Restaurants, ja sogar einen Hubschrauberlandeplatz. Und dann wartet schon die nächste Gondel, die hinauf schwebt auf den Gipfel. Sportliche können die Station auf dem Urca auch zu Fuß erreichen. Der Zuckerhut selbst ist geübten Kletterern vorbehalten, die schon mal am gegenüberliegenden Felsen üben.

Erste Station der Seilbahn ist der Urca

Sport wird in Rio groß geschrieben. Schon am frühen Morgen joggen die ersten am Strand, strampeln Aktive die Berge hoch. „Ich kenne keine Stadt, wo man morgens vor der Arbeit soviel Natur erleben kann“, schwärmt Patrick Fehring, Director of Airline Business bei Riogaleao. Der deutsche Manager ist mit einer Brasilianerin verheiratet und lebt seit zehn Jahren mit Frau und zwei Söhnen in Brasilien. „Ich liebe Rio“, sagt Fehring und lobt den „bohemian lifestyle, wie man ihn sonst nirgendwo in der Welt findet“.

„Der Strand ist demokratisch“

Den können auch Touristen erleben, vor allem am Strand, wo sich ganz Rio trifft – Fitness gestählte Jungmänner, Frauen mit J.Lo-Hintern im XXL-Format neben jungen Schönheiten, die ihre Reize freizügig präsentieren. Daneben aber auch alte Paare, Kinder und Hunde, Verkäufer von Tand und Souvenirs. „Der Strand ist demokratisch“, hat Fehring gesagt, und das gefalle auch den Touristen. Zumal sie sich hier sicher fühlen können dank einer stets präsenten Touristenpolizei. An den Sonn- und Feiertagen, wenn die Straßen vor den Stränden von Copacabana, Ipanema und Leblon gesperrt sind, patrouillieren hier berittene Polizisten.

Feiertagsruhe mit Berittener Polizei

Denn natürlich hat auch die „Cidade Merhavilhosa“ ihre Schattenseiten. Die Kluft zwischen arm und reich scheint unüberwindbar und wurde wohl durch die Regierung Bolsonaro, den die Cariocas auch Tropen-Trump nennen, noch vergrößert. Es fehle an Bildung für die unteren Schichten, sagt Guide Juan, die staatlichen Schulen seien schlecht, die Privatschulen zu teuer. 40 Prozent der Brasilianer seien Analphabeten. Vom frisch gewählten Regierungschef Lula da Silva erhoffen sich viele Besserung. Aber Juan, der eineinhalb Jahre am Goethe-Institut in Frankfurt Deutsch gelernt hat und seinen Sohn auf eine Privatschule schickt, bleibt skeptisch. „Rio kennt keine Naturkatastrophen“, meint er, „die größte Katastrophe ist die Regierung“.

Rio leuchtet

In den besseren Vierteln seien die Grundstückspreis schwindelerregend hoch, kritisiert der 57-jährige Familienvater. Vor allem in Leblon wohnten Leute mit viel Geld – Schauspieler, Fußballer. Ronaldo etwa bewohne eine 114 Millionen Dollar teures Penthouse. Aber auch andere leben kaum weniger luxuriös.

Kluft zwischen arm und reich

Im teuersten Gebäude der Stadt, dem Cap Ferrat Building an der Avenida Vieira Souto in Ipanema mit Blick auf Strand und Meer, etwa sind die Appartements 600 Quadratmeter groß, wobei der Quadratmeterpreis bei 100.000 brasilianischen Reais liegt, rund 18.000 Euro. Und das nicht weit von der nächsten Favela entfernt, wo sich die Menschen auf engstem Raum zusammendrängen. Dass die Kriminalität trotz der sozialen Kluft in diesem Jahr sogar gesunken ist, liegt nicht nur an der massiven Polizeipräsenz sondern womöglich auch an der Leichtigkeit des Seins, die Rio vermittelt – auch den Ärmsten.

Calatrava und sein Museum von morgen

Und die Touristen aus aller Welt genießen die Lebendigkeit dieser Stadt, die sich auch mit ikonischer Architektur und wegweisenden Museen schmückt. Zum Beispiel dem spektakulären „Mueseu do Amanha“, dem Museum von Morgen. Der spanische Architekturstar Santiago Calatrava hat den lichten, an eine halbe Ananas erinnernden Bau auf die künstliche Landzunge am alten Hafen von Rio hingestellt. Hier kann man den ökologischen Fußabdruck ermitteln und sich Gedanken zur nachhaltigen Zukunftssicherung machen. Ein Hingucker ist auch das Museum für zeitgenössische Kunst, MAC, des in Rio geborenen Oscar Niemeyer, das wie ein gestrandetes Ufo in der Guanabara Bucht liegt. Es stimmt schon, was Alexandre Monteiro, Präsident des Flughafen RIOgaleao sagte: „Rio ist die Ansichtskarte Brasiliens“.

Kurz informiert

Hinkommen: Lufthansa fliegt seit einem Jahr direkt von München nach Rio. Preis?
Wohnen: In Rio gibt es die unterschiedlichsten Unterkunftsmöglichkeiten – auch in Favelas z.B. über AirBnB. Und natürlich in teuren Strandhotels wie dem Fairmont an der Copacabana, Avenida Atlantica 4240, DZ ab 313 Euro: www.fairmont.de/copacabana-rio
Anschauen. Die Zahnradbahn zur Christusstatue auf dem Corcovado kostet unter der Woche 18,50 Euro, an Wochenenden 22 Euro.
Für die Seilbahn auf den Zuckerhut zahlt man rund 27 Euro, wer die üblichen Warteschlangen umgehen möchte, zahlt für den Fast Pass knapp 40 Euro. Rios üppige Natur genießen kann man im Jardim Botanico für schlappe 2,65 Euro.

Museum der modernen Kunst

Im Museum der Zukunft kostet der Eintritt sechs Euro: https://museudoamanha.org.br
Und die moderne Kunst im MAC besichtigen kann man für zwölf Euro: https://culturaeumdireito.niteroi.rj.gov.br/mac
Bezahlen. Die brasilianische Währung sind Reais. Derzeit (Stand März 2023) bekommt man für einen Euro 5,60 Reais.
Essen und Trinken. Den besten Burger gibt‘s im Clan BBQ, Rua Dias Ferreira 223, in Leblon – und das wissen auch die Cariocas: https://clanbbq.com.br

Im Restaurant Le Clan

Mit originellem Ambiente und ebensolchen, auch vegetarischen, Genüssen wartet die Meza Bar im Bezirk Humaitá/Botafoga, R. Cap Salomao, 69: https://www.facebook.com/Mezabar/?locale=de_DE
Im Rubaiyat Rio, Rua Jardim Bótanico 971,dem Restaurant des Jockey Clubs, speist man vorzüglich mit Blick auf die Rennbahn: https://www.gruporubaiyat.com/restaurantes.asp?abt=45&lview=en
Die Preise entsprechen in etwa den unseren.
Informieren. https://www.riodejaneiro.com

Hinweis.  Die Recherche wurde unterstützt von Lufthansa und dem Flughafen RIOgaleao

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