Es ist nie ganz leicht, die Münchner nach Augsburg zu bringen. Aber diese Sonderausstellung im Textil- und Industriemuseum (tim) wäre es wert, die Fahrt im Zug oder Auto auf sich zu nehmen. Ein paar Kolleginnen und Kollegen taten das auch: Die Regio Augsburg und das Mozartbüro hatten eingeladen, und Dr. Karl Borromäus Murr, der Leiter des tim, ließ es sich nicht nehmen, das Grüppchen persönlich durch die außergewöhnliche Sonderausstellung „Mozarts Modewelten“ zu führen und ihnen von Leopold Mozart, dem Vater des berühmten Wolfgang Amadeus, zu erzählen.
1048 Briefe vom reisenden Leopold Mozart
Sie ist klein aber fein. Denn die Kleider und Kostüme, meist aus Seide, waren bisher kaum zu sehen. Murr lobte denn auch das Bayerische Nationalmuseum, das viele der sensiblen Exponate zur Verfügung gestellt hatte. Und warum nun ausgerechnet Mode zum Augsburger Mozartjahr? Dass es um Leopold Mozart geht, den Vater des „Wunderkindes“ Wolfgang Amadeus, stellte der tim-Leiter gleich zu Anfang klar. Leopold wurde vor 300 Jahren in Augsburg geboren und verbrachte hier auch seine Jugend. Als Manager seiner beiden musikalisch begabten Kinder Nannerl und Wolfgang ist der Pädagoge und Komponist später durch halb Europa gereist, wobei er seine Eindrücke in einer Vielzahl von Briefen niedergeschrieben hat – 1048 dieser Briefe existieren noch. Und diese Briefe enthalten eben jede Menge Hinweise auf die damalige Mode. „Das hat noch niemand angeschaut,“ wundert sich der Museumsleiter.
Grenzgänger zwischen den Gesellschaftsschichten
Leopold Mozart sei ein Grenzgänger zwischen den Gesellschaftsschichten gewesen, erklärt Murr, er habe gewusst, das Kleider Leute machen – und den Unterschied. Der eigene Stand wurde damals durch den „Habitus“ ausgedrückt. Die Models jener Zeit waren Modepuppen, zwei davon sind in Vitrinen zu sehen. Ebenso Vorlagen für die höchst komplizierten Frisurenaufbauten oder auch Tabakdosen, „die Handys jener Zeit, überall dabei und möglichst modisch“.
Neben einem Paar eleganter Schuhe, die weder links noch rechts kannten und mit Schnallen veredelt werden konnten, sind auch „Kotschuhe“ zu sehen, eine Art Schuhschoner für die verdreckten Straßen und Gassen. So kann der Besucher der kleinen Ausstellung jede Menge über die Zeit gegen Ende des 18. Jahrhunderts erfahren – und ihre Sitten. Ganz abgesehen davon, dass die Exponate – ein Herrenanzug aus unaufgeschnittenem Seidensamt mit der typischen Kniebundhose oder die elegante „robe à la francaise“ mit der typischen Rückenfalte wunderschön anzuschauen sind. Eines der Kleider zeigt im übrigen, dass die Frauen jener Zeit nicht nur rank und schlank waren. Es hat mit Sicherheit eine üppige Matrone gekleidet.
Europaweit vernetzte Kattundrucker
Auch Augsburg spielt in den Vitrinen eine Rolle. Für die Verbreitung von baumwollenen Stoffen aus Indien sorgten auch Kattundrucker wie Johann Heinrich Schüle, der nicht nur europaweit vernetzt war, sondern auch weltweit Geschäftskontakte pflegte. Erstaunlich für uns Heutige, wie global die Zeit schon damals war und wie weit gereist die Familie Mozart. Ganz unbescheiden meinte Wolfgang Amadeus Mozart einmal, für Genies sei Reisen „sehr wichtig“.
Augsburg und das andere Mozartjahr
Über die Bedeutung des Vaters für das Genie Wolfgang Amadeus informierte Simon Pickel, der künstlerische Leiter Deutsches Mozartfest Augsburg, die Rundenmitglieder. Ebenso engagiert wie vorher Murr führt er seine aufmerksamen Zuhörer in die Zeit Leopolds, der für ihn „fast noch interessanter als sein Sohn“ war. Augsburg feiere mit Leopold „das andere Mozartjahr“ und es sei eben auch „die andere Mozartstadt“, die Stadt von Leopold Mozart. Wobei Einigkeit darüber bestehe, dass es „ohne Leopold keinen Wolfgang“ gäbe. Und Leopold sei zwar als junger Mann nach Salzburg gegangen, aber als Sohn eines Buchbindermeisters von Augsburg und seiner schwäbischen Heimat geprägt worden. „Er wuchs im Domviertel auf und wurde im Jesuitenkolleg ausgebildet.“
Das Festjahr als Herzenssache
Als Bürger der freien Reichsstadt habe Leopold Mozart das Selbstbewusstsein entwickelt, das ihm später dabei half, „Investoren“ für seine Wunderkinder zu gewinnen, macht Pickel deutlich. Das Festjahr in Augsburg widme sich allen Facetten dieses vielseitigen Mannes, der nicht nur Musiker und Komponist, Pädagoge und Manager war, sondern eben auch ein genialer Netzwerker. „Jubileo!“ ist der Titel des Mozartjahres, das mit einer Reihe von Veranstaltungen aufwartet, darunter dem „Deutschen Mozartfest“ vom 11. bis 26. Mai, einem Mozartfest für Kinder vom 31. Mai bis 7. Juni und dem Festkonzert zu Leopolds Geburtstag am 14. November. Dann soll auch das neu gestaltete Mozarthaus wieder eröffnen. Es ist eine Mammutaufgabe, die Pickel und seine Mitarbeiter noch vor sich haben, aber man spürt, wie ihm das Herz aufgeht, wenn er von seiner Arbeit erzählt.
Vor der Unesco-Entscheidung
Für die Runde gab‘s im Restaurant Nuno noch eine kleine Stärkung. Regio-Chef Götz Beck informierte über den neuesten Stand der Augsburger Unesco-Bewerbung. Nach sieben Jahren intensiver Forschungs- und Kommunikationsarbeit zur „Augsburger Wasserwirtschaft“ erwartet die Stadt am 7. Juli die Entscheidung der Unesco. „Wir sind zuversichtlich,“ sagte Götz Beck dazu. Ein Problem sei allerdings die Vielzahl der deutschen Welterbestätten. Aber davon will sich die Stadt nicht abschrecken lassen. „Wenn wir‘s diesmal nicht schaffen, dann versuchen wir es eben ein zweites oder ein drittes Mal – wie Naumburg.“ Der Naumburger Dom wurde im dritten Anlauf Weltkulturerbe.
Am Abend gab es für interessierte Rundenteilnehmer noch die Möglichkeit, „Claviermusik zur Zeit Leopold Mozarts“ zu hören – eine musikalische Reise zwischen Augsburg und Paris.
Infos im Internet:
www.timbayern.de
www.mozartstadt.de
www.leopold-mozart-zentrum.de/jubileo