Es ist stürmisch auf Paros. Am Strand von Agios Georgios wirbelt der Wind den Sand durch die Gegend. Und hier sollen wir heute Abend picknicken? Was hat sich der Veranstalter nur dabei gedacht? In der Beschreibung klingt es ja ganz schön: „Handtuch eingepackt und ab ans Meer – den Sonnenuntergang anhimmeln“. Bei der Wolkendecke wird‘s wohl nichts mit Anhimmeln, fürchten wir. Aber Patricia, unsere Tour- Begleiterin – Scout heißt das laut Veranstalter – , bleibt ganz cool und geht einkaufen. Und? Recht hat sie. Es wird ein wunderschöner lauer und windstiller Abend am Strand mit guten Gesprächen, auch ohne spektakulären Sonnenuntergang.
Die Minigruppe und ihr Scout
Wir sind tatsächlich eine Minigruppe, zwei Paare, drei Singles, zwei Frauen und ein Mann. Alter zwischen 35 und 75. Alle aus Süddeutschland. Dazu Patricia, blond, schmal und quirlig. Sie ist Deutsch-Griechin, verheiratet mit einem Griechen, Mutter von zwei erwachsenen Söhnen und kennt sich in der Antike genauso aus wie in der griechischen Gegenwart.
Und so erfahren wir auf Paros, dass die Panagia Ekatontapyliani, besser bekannt als Hunderttürenkirche, von Helena, der Mutter von Kaiser Konstantin gegründet wurde. Und dass wohl deshalb die meisten Menschen auf Paros entweder Helena oder Konstantinos heißen. Im dämmrigen Kirchenraum mit dem riesigen Kronleuchter und den Ikonen auf grauen Mauern können wir nachempfinden, wie wichtig den orthodoxen Gläubigen das Mystische ist.
Start in Athen
Gestartet waren wir zu unserem Kykladen-Trip in Athen, als es in der griechischen Hauptstadt noch nicht zu heiß war. Patricia hatte uns auf einen der sieben Hügel geführt. Oben hat sich schon eine spanische Touristengruppe breit gemacht, um auf Athen hinunterzuschauen, weiter hinten bereiten Familien ein großes Picknick vor. Picknicken scheint zum griechischen Alltag zu gehören wie das „Anhimmeln des Sonnenuntergangs“.
Am nächsten Morgen dann erst einmal ein Schock in Piräus: Menschenmassen vor der Blue Star Ferry. Warum nur hatten wir uns eine kleine Fähre vorgestellt, die gemütlich von Insel zu Insel tuckert? Diese Fähre fasst Lastwagen ebenso wie rund eineinhalbtausend Passagiere. Nichts da von gemütlich. Alles muss schnell gehen. Wir ergattern immerhin einen Platz auf Deck, wo wir die Anfahrt auf Paros genießen können. Allerdings nur von weitem. Denn auch am Ziel heißt es Zack, Zack. Mit Hunderten anderen Gästen warten wir im Bauch der Fähre, bis sich das gewaltige Tor öffnet und uns im Nu auf Paros ausspuckt.
Abwechslung auf Paros
Das Programm auf der Insel ist abwechslungsreich: Vor dem Marmorsteinbruch von Marathi sonnt sich eine Agame, die Ruinen sind von blauen Wicken überwuchert. Das Städtchen Naoussa wirkt so malerisch als wäre es einem Bildband entsprungen.
Im Bergdorf Lefkes sitzen ein paar Männer palavernd im Kafeneon. Die Häuser sind liebevoll herausgeputzt. „Der Traum jedes Griechen“, erklärt Patricia, „ist es, im Dorf zu wohnen – mit eigenem Garten und womöglich noch mit Weinberg“. Vom byzantinischen Weg blicken wir zurück auf das hübsche Dorf, ehe die Wanderung über teilweise antikes Pflaster und unter einer gnadenlosen Sonne Schweißtreibend wird. Vom letzten Hügel aus sehen wir Naxos, unser nächstes Ziel und die größte Insel der Kykladen.
Das Tempeltor von Naxos
Inzwischen wissen wir Bescheid, was die Fähre angeht. Same procedure as last time. Schon bei der Anfahrt hatten wir die Portára bewundert, das antike Tempeltor auf der Miniinsel Palátia. Bei Sonnenuntergang ist das Wahrzeichen von Naxos ein Hotspot für Instagrammer. Wir schauen uns das gewaltige Tor lieber in Ruhe an, bevor wir die labyrintischen Gassen der Chora, der Altstadt durchstreifen.
Natürlich sind wir auch im Katholischen Viertel, und Patricia erzählt uns, dass Nikos Kazantzakis zwei Jahre lang da zur Schule ging, wo heute das kleine archäologische Museum angesiedelt ist. Die Kathedrale ist geschlossen, sagt uns eine Deutsche, die davor sitzt und malt. Schade. Wir hätten zu gern die byzantinische Madonnenikone aus dem elften Jahrhundert gesehen. Der Frappé im Rooftop-Café Avaton entschädigt uns dafür mit einem grandiosen Rundblick.
Und dann ist wieder Programm angesagt: ein Tanzkurs im Kulturzentrum der katholischen Kirche. Popi, blonde Haare, Brille, kurze Hose, bemüht sich nach Kräften, uns die Grundschritte für den traditionellen Syrtos beizubringen. Ziemlich anstrengend das Ganze. Aber nach einigen Stolperern hat auch der Single den Dreh raus. Abends Strandfeeling samt Sonnenuntergang.
Flagge zeigen
Im Landesinneren dominiert die Farbe braun. Die Rundfahrt ist ein Auf und Ab, mal mit Aussicht aufs Meer, mal mit Bergpanorama. Und dazwischen immer wieder kleine weiße Kirchen mit den typisch blauen Kuppeln. Wie sagte Patricia: „Religion ist wie atmen.“ 98,3 Prozent der Griechen sind orthodox. Oft weht auch die griechische Fahne neben einer Kapelle: Religion und Nation scheinen hier eins zu sein. Wir sind auf einer Tour, die wohl typisch ist für Naxos. Zuerst die Schnapsbrennerei in Chalki, wo seit 1896 der typische Kitro aus den Blättern des Zedratbaums destilliert wird. Weil zur Besichtigung auch eine Verkostung gehört, ist der Andrang groß.
Persönlicher ist der Besuch der Töpferwerkstatt im Bergdorf Apiranthos. Narcissus, grauer Haarschopf, blaue Augen, arbeitet schon in der vierten Generation mit Marmor und pulverisiertem Korund (Schmirgel). Für die Feinarbeit braucht er 28 Werkzeuge – und viel Fingerspitzengefühl. Im kleinen Laden fällt die Wahl schwer, Narcissus‘ Produkte sind kleine Kunstwerke. Während wir bei einem Bauernsalat noch die dörfliche Atmosphäre genießen, beginnt ein lebhafter Touristenansturm. Auch Apiranthos ist kein Geheimtipp mehr.
Hochzeit auf Ios
Genauso wenig wie Ios, unsere nächste Insel, die wir diesmal mit einer Schnellfähre erreichen. Wir laufen durch den Hauptort Chora mit seinen engen Gassen, wandern weiter zu den Windmühlen und dann hoch zum Theater Elytis, das der deutsche Architekt Peter Haupt im Stil eines antiken Theater entworfen hat. Hier wird gerade eine Hochzeit vorbereitet. Der Pianist ist schon da, der Blumenschmuck auch, und die edel gewandeten Gäste trudeln nach und nach per Taxi-Transfer ein. Natalia und Joshua lassen sich ihre Hochzeit wohl ein ordentliches Sümmchen kosten.
Der Blick von hier hinunter aufs Meer wird nur noch getoppt von dem Ausblick, den die Panagia Gremiotissa hoch über Chora bietet. Es geht steil hinauf zu den drei Kirchen, und gegen Abend machen sich immer mehr Menschen an den Aufstieg. Oben werden Selfies vor Sonnenuntergang inszeniert. Ein Mädchen verkündet den Zweck ihres Besuchs schon auf dem T-Shirt. Als sich der Himmel rotgolden färbt, steigen wir wieder hinunter nach Chora, vorbei an knutschenden Pärchen.
Traumstrand und Leuchtturm
Auch das Inselinnere von Ios ist eine Symphonie in Braun, allerdings gekrönt von scharfzackigen Felsen in teilweise bizarren Formen. Die gut ausgebaute Straße windet sich kurvenreich durch unwegsames Gelände. Da kommt Achterbahn-Feeling auf. Außer uns ist kaum ein Auto unterwegs. Ziegen rupfen zwischen den Trockenmauern an den harten Büschen, weiter unten leuchten silbern die Blätter der Olivenbäume. Und dann der Strand von Manganari, weich und weiß und (fast) menschenleer. Ein Meer wie gemalt, glasklar bis türkisgrün. Hier wird Schwimmen zum beglückenden Erlebnis. Noch eine Wanderung, fast eben und immer am Meer entlang, zum Leuchtturm. Dann heißt es ade, Ios, und hallo, Santorin.
Massenandrang auf Santorin
Und damit sind wir mittendrin im Overtourism. Santorin scheint ein Hotspot für Reisende aus Asien – und für Kreuzfahrer. Das führt dazu, dass sich Touristen-Massen in den engen Gassen drängen. Allerdings nicht außerhalb von den Zentren Fira und Oia. In der beeindruckenden Ausgrabungsstätte Akrotiri, gern als Pompeji der Kykladen beworben, sind wird bis ein paar wenige Interessierte unter uns. Und der schwarze Sandstrand von Karimi ist auch fast menschenleer.
Umso größer ist der Schock im Selfie-Hotspot Oia, da wo die weißen Häuser den Hang hinaufzuklettern scheinen und wo die blauen Kuppeln der Kirchen so fotogen sind, dass die Hobbyfotografen für einen Schnappschuss Schlange stehen. Auf dem schmalen Caldera-Weg ist kaum ein Durchkommen. Wer aus einem der vielen Souvenirläden kommt, muss sich erst wieder in die endlose Menschenschlange einfädeln. Es ist heiß und stickig – und die Lust zu längeren Exkursionen sinkt von Minute zu Minute. Ein Königreich für ein kühles Bier oder einen Frappé! Bei Alexios ist noch ein Tisch frei – mit dicken Polstern und vor allem mit einer fantastischen Aussicht. Wir können uns nicht satt sehen an all dieser Schönheit! Dafür zahlen wir gern ein paar Euro mehr.
Abschied mit Musik
Am Abend dann ein Kontrastprogramm in Karima, weitab vom Touristenrummel, dafür mit Einheimischen in einem kleinen Lokal. Patricia hat es ausgesucht. Zwei ältere Herren spielen auf, es ist laut und fröhlich, und wir schlemmen zum letzten Mal gemeinsam. Hausmannskost auf griechisch, dazu Wein von der Insel oder ein Bier aus Paros. Am nächsten Morgen müssen wir früh raus. Der Flieger geht um 6 Uhr! Schön war‘s. Danke, Patricia.
Kurz informiert
Die zwölftägige Kykladenrundreise in der Minigruppe ist ein Angebot von Marco Polo und ab 2614 Euro zu buchen. Auch andere Veranstalter haben die Kykladen im Programm, z.B. Dertour. 15 Tage Inselhüpfen Santorin, Mykonos, Paros, Naxos kosten hier pro Person ab 3154 Euro.
Hinweis: Die Recherche wurde unterstützt von Marco Polo.