Eines vorneweg: Polarlichter waren uns nicht vergönnt und Wikinger haben wir auch keine getroffen. Es sei denn solche auf Bildern, in Holz oder auf Warntafeln. Oder auch Japaner mit Wikinger-Mützen auf dem Kopf. Aber was will man schon erwarten, wenn man grade mal zwei Tage Zeit hat für Island, die Insel aus Eis und Feuer? Trotzdem: Wir haben viel erlebt in diesem isländischen Winter: Eis und Schnee, Wolkenbrüche, Nebel, Winterstürme und eine Landschaft wie aus einer isländischen Saga, erstarrt unter einer dicken Schneeschicht, die nicht einmal die Regengüsse bei unserer Heimfahrt aufweichen konnten.
Mein Traum von Island im Winter
Island im Winter, das war schon länger mein Traum. Geheimnisvoll, gefährlich, glitzernd stellte ich mir die Insel vor, die auch im Sommer ziemlich abweisend sein kann. Dann, wenn man ausgerechnet nach einem Vulkanausbruch ins Land kommt und in einen Ascheregen gerät. Aber das ist eben Island, die jüngste Insel Europas, ein Land in der geologischen Pubertät, wo unter der vergletscherten Oberfläche die Erde brodelt und mit schöner Regelmäßigkeit Vulkane ausbrechen. Das letzte Mal spuckte der Grimsvötn 2011 heiße Lava. Und immer noch warten alle auf Island gespannt darauf, dass die Katla ausbricht, Islands gefährlichster Vulkan. 1918 war der letzte Ausbruch, vor 100 Jahren also. Noch nie waren die Intervalle zwischen zwei Ausbrüchen der Katla so lang. Wir wissen das – und fliegen trotzdem nach Island. Auch die Isländer, die wir treffen, sind zuversichtlich und vertrauen auf die Vorhersagen ihrer Wissenschaftler und deren Messungen.
Aber von Anfang an:
Am Flughafen von Keflavik nehmen wir unseren Mietwagen in Empfang, einen VW Golf Automatik. Wie gut, dass Heidi sich ans Steuer setzt. Ich stehe mit Automatik auf Kriegsfuß, seit ich in Florida mit so einem Wagen unterwegs war und mit kochendem Motor gerade noch bis ins Hotel kam. Wir checken im Viking Hotel ein und essen im Viking Village zu Abend. Wie gesagt, ohne echte Wikinger, aber umgeben von sagenhaften Figuren und internationalen Touristen. Ein als Wikinger verkleideter Sänger unterhält uns mit „Marmor, Stein und Eisen bricht“, wohl das einzige Lied, das er auf deutsch beherrscht.
Der lange Weg nach Hvolsvöllur
Am nächsten Morgen müssen wir unser Auto erstmal ausgraben. Es hat geschneit. Gut, dass wir uns am einladenden Frühstücksbüfett gestärkt haben! Die Automatik spinnt – auch, weil die Parkhilfe durch den Schnee durcheinander ist. Dafür funktioniert unser Navi und wir finden schnell den Weg von Hafnafjördur hinaus auf die lange Straße nach Hvolsvöllur. Die Fahrt zieht sich, aber die Landschaft ist spektakulär, ganz in weiß unter einem fast magisch blauen Himmel. Zu dumm, dass nirgendwo ein Parkplatz ist. Keine Chance, ein Foto zu machen. Zwischendurch schluckt uns ein Nebelfeld und wir haben schon Sorge, dass das Wetter umschlägt. Aber in Hvolsvöllur strahlt die Sonne.
Für Island sind die Vulkane Alltag
Hier im neuen Lava Center erfahren wir, wie Island mit seinen Vulkanen lebt. Der Film über die Vulkanausbrüche der letzten Jahre überwältigt mit grandiosen Bildern von Aschewolken, roten Lavaströmen und Geysiren aus Feuer. Und wenn man im Lavazentrum dann staunend vor den Vulkanfotos steht, spürt man, wie unter den Füßen die Erde bebt. Hier ist es virtual, aber wir erfahren im Gespräch mit Asbjörn Palsson, dem Manager des Restaurants, dass die Erde auch in Wirklichkeit unruhig ist in diesen Tagen. „Vor zwei Tagen hatten wir 1000 Erdstöße in 24 Stunden,“ erzählt der 49-jährige Isländer ganz cool. Nein, Angst habe er deswegen nicht. „Wir leben jeden Tag damit. Da denkt man gar nicht mehr daran.“ Aber ja, ein Ausbruch der Katla könnte schon problematisch werden. Und der sei ja längst fällig.
Für die Isländer sind die Vulkane Alltag so wie die Geysire, die heißen Quellen und die Geothermie, dank derer fast ganz Island mit „grüner Energie“ versorgt werden kann. Denn die Insel verfügt nicht nur über Erdwärme, die der Hitze im Erdinnern geschuldet ist, sondern auch über reichlich Wasser. Die Wasserfälle gehören zu den schönsten, die ich je gesehen habe. Auch jetzt im Winter?
Wo Wassermassen in die Tiefe stürzen
Wir fahren zum Seljalandfoss, wo die internationalen Touristen sich schon versammelt haben – die Asiaten in bunten Regencapes. Der Parkplatz ist eine einzige Eisfläche voller riesiger Löcher, über die wir zu einer rettenden Parkbucht schaukeln. Schon von weitem sehen wir den imposanten Wasserfall, 60 Meter stürzen die Wassermassen tosend über eine Klippe in einen kleinen See. Die Gischt durchnässt die allzu Neugierigen in Sekundenschnelle. Schlau von den Asiaten, die Regenpellerinen überzuziehen! Mein Anorak hält die Nässe auch ab, die Jeans eher weniger. Und auf den Spaziergang hinter den Wasservorhang verzichte ich lieber. Dafür bestaune ich den Künstler Winter, der die Felsen weiß schraffiert und aus Eiszapfen großartige Skulpturen geschaffen hat.
Noch gewaltiger erscheint uns der Skogarfoss. Der Wasservorhang, der 62 Meter über die Felswand stürzt, ist 15 Meter breit und immer wieder bildet sich in der Gischt ein Regenbogen. Das Spiel aus Licht ist so faszinierend, dass ich kaum spüre, wie nass ich inzwischen bin. Die Treppen, die nebenan bis auf die Klippe führen, sind schwarz vor Menschen, die beim Runterweg allerdings öfter ins Straucheln geraten. Kein Wunder, auch die Treppen sind vereist. Manche rutschen lieber auf dem Hosenboden hinunter. Wir lassen den Aufstieg lieber bleiben, wir wollen noch bei Tageslicht in Vik ankommen.
Das Game of Thrones lässt grüßen
Das schaffen wir grade noch. Und bevor wir in unserem Hostel Northur Vik einchecken, laufen wir noch schnell hoch zum malerischen Kirchlein mit dem roten Dach, um noch ein Foto von den drei Felsnadeln am berühmten Schwarzen Strand zu machen, wo Dreharbeiten für „Game of Thrones“ stattfanden. Natürlich sind die Asiaten auch schon da und heftig am Filmen und Fotografieren. Mit Stativ und mit Handystange. Aber der Anblick ist auch wirklich sensationell, auch ohne Game of Thrones.
Vik ist das südlichste Örtchen an der isländischen Küste, und hier soll die Gelegenheit günstig sein, Nordlichter zu sehen. Deshalb haben in unserem Hostel auch einige Fotografen eingecheckt. Und eigentlich, sagt Vermieterin Aesa, wäre heute Nacht die Gelegenheit günstig, die aurora borealis zu sehen. Aber wir haben Pech. Der Himmel bleibt schwarz. Dafür stürmt es heftig. Und als Aesa erfährt, dass wir am nächsten Morgen wieder zurück fahren wollen über das Hochland, rät sie uns, möglichst früh aufzubrechen. Der Wetterbericht sei schlecht, Regen und Schneestürme seien angesagt.
Stürmische Zeiten am schwarzen Strand
Wir beherzigen den Rat und starten gleich nach dem Frühstück. Aber einen Abstecher zum Schwarzen Strand, den Basaltfelsen und den Felsnadeln, die verzauberte Trolle sein sollen, gönnen wir uns doch. Der Sturm zerrt an meinem Anorak und treibt mir Tränen in die Augen – auch weil er den schwarzen Sand aufwirbelt. Meine Finger sind klamm und ich kann kaum die Kamera einstellen. Vor mir staksen ein paar Japaner mit Spikes durch den Sand. Und ganz nah am Meer haben sich Fotografen aufgebaut, um die gefährliche Brandung einzufangen. Hier trifft sich die Fangemeinde von Game of Thrones. Wir hätten gerne noch das Info-Center besucht, aber es war trotz anderer Angaben geschlossen. Also machen wir uns auf den Rückweg.
Hochzeit im Heimatmuseum
Wir sind früh dran, es ist zwar trüb, aber noch kein Regen in Sicht. Deshalb gönnen wir uns noch einen Zwischenstopp im Heimatmuseum von Skogar, bewundern die liebevoll zusammengestellten Alltagsgegenstände aus früherer Zeit und wundern uns, wie die Menschen noch Mitte des letzten Jahrhunderts in den niedrigen Torfhäusern wohnen konnten. Im Kirchlein bereitet sich gerade eine Pastorin auf eine Hochzeit vor. Sie ist extra von Reykjavik hierher gekommen. Die kleine Kirche wird gerne für Trauungen genutzt. Diesmal ist es wohl eine isländisch-japanische Hochzeit. Die Brautjungfern tragen lange rosarote Kleider unter den dicken Mänteln, die Männer Anzüge. Sie lassen sich einen Blick ins Transport- und Telekommunikationsmuseum gleich nebenan nicht entgehen. Es lohnt sich auch – von der Schreibmaschine bis zum ersten PC, vom Schneepflug bis zum Feuerwehrauto gibt es hier viel zu sehen.
Vom Winde verweht
Aber wir wollen nun doch so schnell wie möglich zurück auf die Straße. Die Wolken werden dunkler und dicker, der Sturm weht den Schnee von den Feldern über die Straße. Ein Schneepflug fährt vor uns und wirbelt immer wieder ganze Wolken von Schnee auf. Rechts liegt ein Auto im Graben, auf der anderen Seite nähert sich eine Ambulanz. Wir werden immer nervöser. Aber noch, sagt Heidi, ist die Straße nicht eisglatt, nur schneebedeckt. Doch je mehr der Sturm bläst, desto schlechter wird die Sicht. Der Straßenrand verschwindet fast völlig genauso wie die Fahrspur. Wir sind langsam unterwegs und die meisten Isländer überholen uns. Sie sind solche Verkehrsverhältnisse gewohnt. Wie so vieles auf dieser Insel.
Wir tasten uns fast im Blindflug vorwärts. Der Pass scheint kein Ende nehmen zu wollen. Und dann haben wir ihn doch hinter uns, am Horizont sehen wir die Häuser von Reykjavik. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis wir zurück im Hotel sind. Auf den Ausflug zum berühmten Hummerlokal in Stokkseyri haben wir lieber verzichtet. Wer weiß, ob wir danach bei Dunkelheit noch über den Berg gekommen wären. Dafür gönnen wir uns ein Hummeressen im Viking Village und lassen uns nochmal mit „Marmor, Stein, und Eisen bricht“ beglücken.
Regengüsse zum Abschied
Es regnet die ganze Nacht. Aber glücklicherweise gefriert es nicht. Es ist warm geworden in Island. Als wir uns um 4 Uhr morgens auf den Weg zum Flughafen machen, schüttet es wie aus Eimern. Das Navi verweigert den Dienst und wir müssen uns in der regennassen Dunkelheit den Weg zum Flughafen selbst suchen. Heidi meistert auch diese Aufgabe. Ende gut, alles gut. Nur das Sprichwort, das Asbjörn Palsson uns mit auf den Weg gegeben hat, stimmt nicht: „Wem das Wetter nicht gefällt, der muss nur fünf Minuten warten.“ Wir haben in diesen zwei Tagen alle Wetter erlebt: Sonnenschein und blauen Himmel, Nebel und Schnee und schließlich auch Regen. Aber der hat uns bis zum Abflug begleitet. Und das waren bestimmt mehr als fünf Minuten.
Kurz informiert
Anreisen Icelandair fliegt von verschiedenen deutschen Flughäfen nach Keflavik. Mit der isländischen Airline kann man auch zu 22 Destinationen in Kanada und den USA fliegen, mit Stopover – ohne Aufschlag – bis zu sieben Tage in Island. Bequemer – und natürlich auch teurer als die Economy – ist die Saga Class: www.icelandair.com/de-de/
Mietwagen Wir hatten einen VW Golf Automatic von Hertz, wobei der halbe Anreisetag als ganzer Tag berechnet wurde. Das Navi gab’s kostenlos: https://www.hertz.de/p/mietwagen/island
Übernachten Island ist ein teures Reiseland. Es gibt aber auch günstige Hotels und Hostels für kleinere Geldbeutel. Wir haben in Hafnafjördur im Hotel Viking gewohnt: https://fjorukrain.is/en/hotel-viking/ Luxuriös waren die Zimmer (ab 86 Euro pro Person) nicht gerade, aber das Frühstück war sensationell. Gleich nebenan kann man im Viking Village schmausen wie die Vikinger – auch das zu eher üppigen Preisen.
In Vik haben wir im Hostel Norður-Vík gewohnt, die Gastgeber waren hilfsbereit und freundlich, die Zimmer (ab 69 Euro pro Person) okay, das Frühstück ordentlich. Der arctic charr, eine Art Lachsforelle, im hübschen Gasthaus Sudur Vik gleich in der Nähe war ein echter Gaumenschmaus: https://beiceland.is/sudur-vik-restaurant
Bezahlen In Island kann man alles mit Kreditkarte bezahlen. Preiswert ist hier nichts. Derzeit entspricht ein Euro 125 isländischen Kronen. Trinkgeld wird übrigens nicht erwartet.
Lava Center Eintritt für Film und Ausstellung 3500 isländische Kronen (rund 25 Euro): https://lavacentre.is