Flusskreuzfahrten sollten auch in Corona-Zeiten möglich sein. Denn Schiffe sind – anders als Hotels – mobil und flexibel. Das habe ich gemerkt, als ich mich entschieden hatte, mit der Lady Diletta auf dem Rhein in Richtung Niederlande zu fahren. Antwerpen stand auf dem ursprünglichen Fahrplan – Amsterdam und Rotterdam. Dann war nichts wie geplant – und trotzdem hatten wir eine interessante Reise. Inzwischen liegen wohl auch die Städtchen, die wir besucht haben, im niederländischen Risikogebiet. Aber das kann sich ja schnell ändern, wie ich erfahren habe.
Die 13 fehlt auf dem Schiff
Es gibt keine Kabine 13 auf diesem neuen 135 Meter langen Schiff. Schließlich soll alles gut gehen in diesen Zeiten – bei den Flusskreuzfahrten der „Lady Diletta“. Dabei wurde Kapitän André Harscher – klein und drahtig – schon vor dieser Fahrt auf eine harte Probe gestellt. Die ursprüngliche Route mit Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen musste kurzfristig abgeändert werden – Corona bedingt. Aber auch während der Fahrt wird noch schnell umgeroutet, nachdem auch Utrecht von der deutschen Regierung als Risikogebiet eingestuft wurde. „Ne knappe Woche, um alles zu ändern, das ist nicht so einfach“, sagt der erfahrene Kapitän, der mit seinen 53 Jahren Europas Flüsse von Ost nach West, von Süd nach Nord und umgekehrt befahren hat.
Abseits der üblichen Touristenströme
Aber so herausfordernd wie diese Zeiten waren keine vorher. „Jeden Tag was Neues“, grummelt er. Trotzdem scheint Harscher zufrieden mit seinem Job: „Wir machen das jetzt schon so viele Jahre und es macht uns immer noch unheimlich Spaß“, sagt er und bezieht seinen Co-Kapitän Jürgen Luderer gleich noch mit ein. Den kennt er schon seit 30 Jahren. Die beiden sind ein eingeschworenes Team auf dieser ungewöhnlichen Rheinfahrt, die dahin führt, wohin man gemeinhin kaum kommt – in kleine Städte ziemlich abseits von den üblichen Touristen-Routen.
Corona-Regeln für Crew und Passagiere
Auch die Belegung auf dem Schiff ist anders als sonst: 80 Passagiere und 45 Crew-Mitglieder haben sich in Düsseldorf eingefunden. Gleich bei der Begrüßung wird klar, dass diese Zeiten nicht nur der Crew sondern auch den Passagieren einiges abfordern. „Steht man auf, trägt man die Maske, geht man zur Kabine, trägt man die Maske“, verkündet Cruise Direktorin Alexandra in freundlichem Singsang. Auch die Desinfektionsspender stünden nicht zur Zierde da, und die Einbahnregelung sei strikt einzuhalten. „Achten Sie auf sich – gerade auf dieser Reise“, mahnt sie. Und die Passagiere – ältere Paare, gemeinsam reisende Frauen, eine Großfamilie, Mutter und Tochter – ergeben sich ohne größeren Protest in ihr Schicksal.
Nijmegen statt Amsterdam
Das heißt, dass am Morgen schon wieder alles anders sein kann als am Abend vorher verkündet. „Es ist eben so etwas wie eine Mystery Tour“, kommentiert ein älterer Passagier gut gelaunt. Und Orte wie Lelystad, Lemmer, Kampen oder Harlingen seien doch ohnehin viel gemütlicher als die viel besuchten Metropolen.
Na dann: Nijmegen statt Amsterdam. Warum auch nicht? Immerhin die älteste Stadt der Niederlande. An Land empfängt der „Wasserwolf“ mit weit aufgerissenem Maul die Passagiere, Symbol des ewigen Kampfes der Niederländer mit dem Wasser. Nicht umsonst heißt es in einem Sprichwort „The Lord has created the world but the Dutch the Netherlands“ (Gott hat die Welt geschaffen, aber die Holländer die Niederlande). Nach schweren Überschwemmungen Ende des letzten Jahrhunderts wurde die Uferbefestigung erhöht. Die Kaiserpfalz Karls des Großen steht nicht mehr. Doch die romanische Nikolauskapelle und die Ruine der Martinskapelle geben eine Ahnung vom Nijmegen längst vergangener Zeiten.
Ach, es gäbe so viel zu erzählen in dieser alten Stadt. Von „Marikken von Nieumeghen“, die vom Teufel entführt und vom Papst gerettet wurde. Von der Stevenskerk, wo neben alten Fresken Bilder von Transgender Modellen zu sehen sind unter dem Titel „Adult Alternative“. Vom Havanna an der Waal, wie Nijmegen, das „linke Bollwerk“ gern genannt wurde. Lebhaft geht es hier zu, man sitzt draußen so lange es noch möglich ist. Der Kibbeling ist lecker, das Bier dazu auch. Und die Menschen wirken entspannt. Vielleicht doch eine gute Idee, die großen Touristenziele zu umschiffen…
Lelystad und die Batavia Werft
Lelystad ist dann ganz anders. Von Ferne grüßt ein eiserner Riese, der aufs IJsselmeer zu schauen scheint. „Exposure“ hat der Künstler Antony Gromley sein 44 000 Kilogramm schweres Skelett genannt. „Der kackende Mann“ heißt es wenig schmeichelhaft bei den Lelystadern.
Doch wo ist die Stadt? „Wo ist das Zentrum“, fragt ein Passagier ratlos nach drei Kilometern Fußmarsch. Idyllisch ist es ja, Reet gedeckt Häuser an Grachten, über die sich Trauerweiden beugen, Schwäne im grünen Gras, Brücken für Radfahrer und Fußgänger, kaum Autos. Alles neu hier. Lelystad wurde 1965 gegründet. Selbst das alte Handelsschiff an der Batavia Werft ist verhältnismäßig neu – ein Nachbau der alten Batavia, 1985 von einem Hobby-Schiffsbauer mithilfe von 40 arbeitslosen Jugendlichen bewerkstelligt, um zu dokumentieren, wie ehemals Schiffe gebaut wurden. Wer 16 Euro zahlt, kann in die Werkstätten gucken und den Nachbau vom Heck bis zum Bug besichtigen.
Entdeckungen in Lemmer und Kampen
Noch mehr Passagiere zieht es allerdings ins Outlet-Center direkt nebenan. Zum Abend, wenn die dunkel gelockte Christy singt, die für die Bordunterhaltung zuständig ist, wird dann so manches neue Stück ausgepackt. Oder auch für einen Spaziergang in Lemmer, das am Abend ziemlich ausgestorben wirkt. Ganz anders als am nächsten Morgen. Da drängen sich Haus- und Segelboote in den Grachten, sitzen Bootsbesitzer und Skipper vor den Cafés, flanieren Touristen durch die Gassen. Die „Lady Diletta“ hat an der Werft angelegt. Man muss sich nur zu helfen wissen.
Am Nachmittag Kampen, die Hansestadt mit ihren prächtigen Patrizierhäusern, den mächtigen Stadttoren, der Kirche mit dem Glockenspiel und dem Stedelijk Museum. Der Turm mit der Zwiebelhaube, der sich ans Museum anlehnt, spielt ein bisschen Pisa. Kampen ist ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch, fotogen und einladend – und Bier gibt’s auch.
Harlingen statt Rotterdam
Und dann eben Harlingen statt Rotterdam. Rikkus Oswald nimmt eine Gruppe hinter der Schleuse in Empfang. Der 53-Jährige mit dem braunen Haarschopf freut sich sichtlich, „seine Stadt“ und ihre Traditionen zeigen zu können. Rikkus besitzt eine der letzten Fliesenmanufakturen in den Niederlanden – und er ist stolz auf das traditionelle Handwerk, das er mit zwölf Mitarbeitern weiterführt. Die Schönheit des Städtchens machen seiner Meinung nach auch die vielen restaurierten Häuser aus, 500 an der Zahl.
Beinahe wäre ein Großteil der Abrissbirne zum Opfer gefallen, erzählt Rikkus. In den 1960er Jahren sollten der Zoutsloot zugeschüttet und die alten Handwerkshäuser abgerissen werden. Der Widerstand der Bürger und die Initiative eines Unternehmers verhinderten das – und heute ist Harlingen stolz auf das schöne, harmonische Stadtbild, das sich vom Leuchtturm aus bietet.
Ein fauler Tag auf der Lady Diletta
Man könnte solche Tage natürlich auch auf der „Lady Diletta“ verträumen – oben auf dem Sonnendeck. Obwohl, jetzt im Herbst ist es draußen kühl und windig. Dann doch lieber drinnen in der Lounge mit einer Tasse Kaffee oder einem Bierchen. Oder gleich in der gemütlichen Kabine mit Blick aufs Wasser oder aufs Ufer. Schade nur, dass die Lady nachts Amsterdam passiert hat und die Passagiere auch so manche Schleuse verschlafen haben.
Am letzten Tag ziehen Nebelschwaden übers Wasser, es ist nasskalt und regnerisch. Kein Tag für einen Stadtbummel. Da hat Arnheim Pech. Dabei hätte auch dieses Städtchen, das durch „Die Brücke von Arnheim“ zu Film-Berühmtheit gelangte, Aufmerksamkeit verdient. Schöne alte Giebelhäuser, eine mächtige Kathedrale, kleine Läden und ebensolche Kneipen. Aber es ist der letzte Tag auf dem Schiff. Da darf man auch mal faul sein.
Entdeckung der Langsamkeit
Es dauert noch eine ganze Nacht, bis die Lady wieder zurück in Düsseldorf anlegt. Wir haben ja keine Eile. 15 bis 18 Stundenkilometer maximal macht das Schiff auf dem Rhein – hin und wieder auch nur 12. Entschleunigung pur. Für so manchen Passagier war diese Fahrt tatsächlich eine Entdeckung der Langsamkeit. Wiederholung nicht ausgeschlossen.
Kurz informiert
Das Schiff Die Lady Diletta wurde in diesem Jahr bei plantours in Dienst gestellt. Das nagelneue Flusskreuzfahrtschiff ist außergewöhnliche 135 Meter lang und vergüt über 92 Kabinen bzw Suiten für maximal 173 Passasgiere. Mit elf Einzelkabinen will man Alleinreisenden entgegen kommen.
Die Routen Das Schiff befährt Rhein, Main und Donau und auch das IJsselmeer. Die Fahrten dauern zwischen drei und zehn Tagen. Auch eine Adventsreise entlang des Rheins und eine Weihnachtsreise nach Straßburg sind geplant.
Der Preis Unsere Fahrt , die eigentlich Holland und Flandern angepeilt hatte, kostete etwa auf dem Rialto Deck in der Zweibett-Außenkabine mit französischem Balkon ab 1439 Euro in der Vor- und Nachsaison. In der günstigen Zweibett-Kabine im Accademia Deck wären es 1109 Euro. Die Ausflüge gehen extra. Der Fitness-Bereich ist Corona-bedingt derzeit nicht verfügbar. WLAN ist kostenpflichtig.
Info Ich war auf Einladung von plantours auf der Lady Diletta unterwegs: www.plantours-kreuzfahrten.de