Das Messner Mountain Museum Corones wird im Winter eröffnen, rechtzeitig zur Skisaison auf dem Kronplatz. Allerdings zu spät, um noch als Geburtstagsgeschenk für den Ideen- und Namensgeber durchzugehen. Reinhold Messner wird am 17. September 70 Jahre alt – und er hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Nur der immer noch dichte Haarschopf ist grauer geworden ebenso wie der charakteristische Bar. Der Südtiroler, den das Deutsche Fernsehen schon zu Lebzeiten zur Legende erhoben hat, denkt denn auch noch lange nicht an Ruhestand, selbst wenn er rückblickend sagt, dass ihm mit zunehmendem Alter das Verzichten leichter fiele.
Aber noch ist der Mann, der als erster alle 14 Achttausender bestiegen und den Everest ohne Sauerstoff erklommen hat, der die Eis- und Sandwüsten dieser Erde durchschritten hat und dem Yeti auf die Spur gekommen ist, der Berge von Büchern verfasst und in Brüssel nachhaltige Politik vertreten hat, alles andere als altersmüde. Und sein Name zieht noch immer. Wo er auftaucht, wollen die Menschen mit ihm fotografiert werden, bitten sie um Autogramme. Seine sommerlichen „Gespräche am Feuer“ jeden Dienstag auf Schloss Sigmundskron waren ein Publikums- Renner.
Sechs Museen hat Reinhold Messner in seiner Heimat Südtirol und im angrenzenden Belluno konzipiert, Corones ist Abschluss. Für die spektakuläre Architektur zeichnet die iranische Stararchitektin Zaha Hadid verantwortlich. Im höchsten Museum Südtirols soll es um die großen Wände, um die Königsdisziplin des Alpinismus gehen. Und doch gäbe es weder dieses ambitionierte Projekt noch die anderen vier – Ortles unter dem Ortler, Juval im Vinschgau, Ripa in Schloss Bruneck und Dolomites südlich von Cortina d‘Ampezzo – ohne das Herz des Ganzen, Firmian auf Schloss Sigmundskron. Der lang umkämpfte Standort ist für den Macher der Motor des Ganzen. „Ohne Sigmundskron hätte ich das Projekt aufgeben müssen”, sagt er. Allein schon der fantastischen Lage wegen habe er um den Standort gekämpft. Jetzt hat er einen Pachtvertrag über 30 Jahre, Zeit genug, um die Ruine so zu sanieren, dass sie nicht weiter zerfällt. Eine Glas- und Stahlkonstruktion ist so in die alten Mauern integriert, dass Räume für Geschichten entstehen. Denn das ist es, was Messner will: Geschichten erzählen, Emotionen schaffen. Dabei soll jedes der einzelnen Häuser überraschend neu und anders sein und so auch neue und andere An- und Einsichten eröffnen.
In Firmian hat er auch seinem Lieblingsphilosophen Milarepa ein Denkmal gesetzt. Ein „kühner Denker“ sei der tibetische Yogi gewesen, ein großer Dichter vergleichbar mit Goethe und ein Asket wie der heilige Franz von Assissi, der draußen im Garten bei einem uralten Olivenbaum sitzt.
Wer mit Reinhold Messner durch Firmian schlendert, treppauf, treppab, lernt den Museumsmacher nicht nur als Geschichtenerzähler kennen, er erfährt auch viel über die Hintergründe der Inszenierungen. Die alte Gondel steht nicht von ungefähr vor einem rechteckigen Durchblick auf den Schlern. „Ich nenne das den Postkartenblick“, erklärt Messner, „so sehen die meisten heute die Berge – als wohlfeiles Bildmotiv.“
Er selbst hat sie anders erlebt und auch das zeigt er in diesem Museum: eingeweckte „Reliquien“ aus der Bergsteigergeschichte, das winzige Zelt des Eiger-Nordwand-Erstürmers Anderl Heckmaier, der Stiefel des am Nanga Parbat ums Leben gekommenen Bruders Günter. Und immer wieder Sinnsprüche, die eine Erklärung anbieten wie „Selbstverwirklichung ist nur zu haben um den Preis der Selbstvergessenheit.“ Der Satz wird dem jüdisch-österreichischen Neurologen Victor Frankl zugeschrieben, der Ausschwitz überlebte. Auch Reinhold Messner sagt gerne große Sätze wie „Ich wollte einmal hoch hinaufsteigen, um tief in mich hinabzusehen.” Der Mann hat sich noch nie mit Halbheiten zufrieden gegeben. Auch nicht als Museumsmacher. Trotz aller Einwände und Sabotage-Versuche musste es Sigmundskron sein, die geschichtsträchtige Burg über Bozen. Die Burg, wo die Südtiroler unter Silvius Magnago ihre Autonomie einforderten. Die Proteste waren programmiert. Messner, der lange ungeliebte Prophet im eigenen Land, wolle die Burg vereinnahmen, hieß es. Schon längst sind die Proteste verstummt. Heute wird Reinhold Messner in Südtirol als großer Sohn gefeiert. So ändern sich die Zeiten.
In seinem neuesten Buch „ÜberLeben“ zieht der vielseitige Südtiroler Bilanz und er bekennt sich auch zu seiner Heimat. In 70 Kapiteln blickt der Lehrersohn aus dem Villnösstal zurück auf sein Leben und auf das, was ihn antrieb. Der Grenzgänger und Abenteuer rechnet mit den modernen Abenteurern ab, den Hallenkletterern, den Bungee-Springern, den Hochseilgarten-Gehern: „Alle diese Großstadtabenteurer sind auf der Suche nach Emotionen, nach der Mutprobe, nach dem Kick. Alle wollen an ihre Grenzen gehen aber bitte risikofrei und doppelt gesichert auf TÜV-geprüften Klettersteigen, abgesicherten Pisten, im sorgfältig ausgeschilderten Als-ob-Gefahrenraum, einer vorgetäuschten Wildnis, die wie der Rest der zivilisierten Welt längst urbanisiert ist.“ Auch das, was heute im Himalaya passiert, die von Führern abgesicherten Massen-Aufstiege, habe mit seiner Welt nichts zu tun, betont Messner. Dass Abenteuerreisen, Extremsport und Aktivurlaub gefragt sind wie nie zuvor, könnte, so vermutet er, mit dem unbewussten Wunsch zu tun haben, „durch ein Fenster zurück auf unser früheres Dasein zu schauen“.
In seinen Museen öffnet er für die Besucher solche Fenster. In Sigmundskron können sie nicht nur in andere Welten und in die Vergangenheit schauen, sondern auch in die Zukunft (der Berge). Am Ende des Rundgangs öffnet sich der Blick auf den Bozener Müllberg, drinnen sitzt die Figur eines Sinnfressers, umgeben von Wüste. „Auch die Berge zerbröseln am Ende“, sagt Reinhold Messner, und: „Unendlich zu leben wäre unerträglich.“
Doch die nächsten Jahre will er nutzen, will er seine Museen so bestellen, dass Tochter Magdalena übernehmen kann. Und hin und wieder will er mit Sohn Simon zum Klettern gehen, auch wenn er da seine Grenzen erkannt hat. „Wir sind alle älter als wir meinen“, räumt er ein, „Ich bin ungeschickter geworden mit den Jahren, die Ausdauer hat abgenommen, ich leide mehr.“ „No country for old men“, sage der Sohn, wenn der Vater sich dahin wage, wo es für ihn gefährlich werden könnte, erzählt Reinhold Messner und dabei blitzt es in seinen Augen auf, als wolle er selbst nicht glauben, was er da gerade gesagt hat.
Info:
Seinen 15. Achttausender nennt Reinhold Messner das Museumsprojekt Messner Mountain Museum (MMM), das in sechs Museen um die Berge dieser Welt kreist:Ortles unter dem Eisriesen Ortler thematisiert die Gletscher und das „ewige Eis” unter dem poetischen Namen „Am End‘ der Welt” (so heißt auch der vergängliche Gletscher direkt über dem Museum).
Juval, das Schlossmuseum im Vinschgau, zeitweise auch Sommerwohnsitz der Familie, widmet sich dem „Mythos Berg”.
Dolomites, das einzige Haus außerhalb Südtirols, südlich von Cortina d’Ampezzo gelegen, „mitten im Felsenreich” mit einem Rundblick auf 1000 Gipfel ist „Das Museum in den Wolken”, in dem die Entstehung der Dolomiten erfahrbar wird.
Firmian, das Herzstück des MMM, will unter dem Motto „Der verzauberte Berg” aufklären über Berge und die Menschen im Gebirge.
Ripa in Schloss Bruneck veranschaulicht unter dem Thema „Das Erbe der Berge“ die Architektur in den Bergen und stellt Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Bergvölker-Kulturen her.
Corones auf dem Kronplatz soll das Leben der Bergsteiger thematisieren. Infos unter www.messner-mountain-museum.it
Zum 70. Geburtstag erscheint bei Malik das Buch „ÜberLeben“, in dem Messner Bilanz zieht, 360 S., 22,99 Euro