Die Kreuzfahrt bleibt auf Wachstumskurs

Die Kreuzfahrt, lange als elitär verschrien, ist zum Wachstumsmotor der Reisebranche geworden. 2005 schipperten 965000 deutsche Urlauber über die Meere, ein nahezu traumhaftes Plus von 8,5 Prozent. Vier zusätzliche Schiffe steigern in diesem Jahr das Angebot an Hochseekreuzfahrten und die Schiffe werden immer größer, wie die Freedom of the Seas mit Platz für 4300 Passagiere zeigt. Die Touristische Runde in München diskutierte über die Gründe des Booms und die Aussichten für die Branche.


Michael Thamm, Präsident von Aida Cruises und Vorsitzender des
DRV-Ausschusses Schifffahrt, führt den Boom darauf zurück, dass man in
den letzten zehn Jahren – seit dem ersten Auftritt der Aida also – die
Kreuzfahrt aus der Nische geholt und Gäste aus anderen Urlaubsformen
abgeworben habe. Es gebe vielfältige Angebote für jeden Geldbeutel, für
jedes Interesse, für jede Region. Dazu kämen ein „sehr gutes
Preis-Leistungsverhältnis und ein hoher Erlebnis- und Erholungswert“.
Weil sich bislang nur 0,7 Prozent der Deutschen auf Hohe See wagen, ist
der Markt für Thamm noch längst nicht ausgereizt. In den USA gehen drei
Prozent, in Großbritannien immer noch zwei Prozent der Bevölkerung auf
Kreuzfahrt. Größere Schiffe, davon ist Thamm überzeugt, brächten auch
mehr Menschen aufs Meer. Wie groß die Pötte letztendlich werden, sei
eine Frage des „Reifegrades des Marktes“. Thamm: „Technisch ist noch
vieles machbar“.
Auch die Aida, die am 7. Juni zehnten Geburtstag feiern kann, wird
größer – in der nächsten Generation. Die „AIDAdiva“ skizzierte Hansjörg
Kunze, Pressesprecher von Aida Cruises, als „konsequente
Weiterentwicklung des Aida-Konzepts“, der „Erfolgsstory schlechthin“.
Am 3. März wurde das erste von drei Schiffen auf der Meyer-Werft in
Papenburg auf Kiel gelegt, ein stolzes Projekt und, mit Platz für 2050
Passagiere, das größte Schiff für den deutschen Markt. „Die AIDAdiva
wird Maßstäbe setzen,“ versprach Kunze und „Wir wollen berauschen.“
Herz des Konzepts sei das Theatrium, eine Art Piazza für ganztägige
Unterhaltung mit Kleinkunst, Tanz, Musik und Artistik. Geplant sind
daneben noch sieben Restaurants, elf Bars und „dazwischen bieten wir
alles, was ein Schiff bieten kann.“ Drei Schiffe der Generation Diva
sind bestellt, sie sollen 2007, 2008 und 2009 vom Stapel laufen, ein
Auftrag von einer Milliarde Euro für die Werft in Papenburg. Stolz sei
man bei Aida Cruises auf die Allianz deutscher Firmen, u.a. auch
Siemens, betonte Kunze. So sei es gelungen, die Wertschöpfung in
Deutschland zu halten.
Auch bei Peter Deilmann sei das so, erklärte Ralf Petersen. „Wir lassen
in Deutschland bauen, fahren mit deutscher Flagge und zahlen auch in
Deutschland Steuern.“ Mit der MS Deutschland verfügt die Peter
Deilmann Reederei, ein mittelständischer Familienbetrieb, über das
„Traumschiff“ schlechthin. Acht bis neun Millionen Zuschauer lassen
sich in jeder Folge zu Urlaubsträumen verführen. Auch wenn die Reederei
nicht immer glücklich ist mit dem veralteten Kreuzfahrt-Bild, das durch
die Sendung transportiert wird, wurde der Vertrag mit dem ZDF und
Regisseur Rademann bis 2009 verlängert. „Wenn nur zehn Prozent der
Zuschauer auch buchen würden, könnten wir noch zehn weitere Schiffe
bauen,“ rechnete Petersen vor. Es sei aber wohl eher so, dass das
Traumschiff Sehnsüchte wecke, die finanziell nicht zu verwirklichen
seien. Über dieses Image könne man auch keine jungen Leute für die
Kreuzfahrt gewinnen. Da sei die Aida hilfreicher, die „im Sinn aller
Veranstalter Nachwuchs generiert“. Die Deilmann Reederei setze vor
allem auf Themen-Kreuzfahrten ob Golf oder Gärten, Reiten oder Wandern.
Solche Konzepte seien als Ergänzung zur klassischen Kreuzfahrt gedacht
ebenso wie neuerdings Kinderclub oder Wellness-Bereich. Petersen sieht
die MS Deutschland auch in Zukunft nicht als Familienschiff, eher als
ein Schiff für drei Generationen – Großeltern, Eltern und Kinder.
Ein ähnliches Ziel reklamiert auch Anne Schmidt für die
Fünf-Sterne-Flotte von Hapag Lloyd. Sie sieht eine wachsende
Nachfrage nach hochpreisigen und auch hochwertigen Produkten bei einer
qualitätsbewussten Klientel, die durchaus bereit ist, 500 Euro pro Tag
und Person auszugegeben. „Die Gäste bekommen auch Leistung für den
Preis,“ betont sie und verweist darauf, dass auf den
Hapag-Lloyd-Schiffen nur Außenkabinen verkauft werden. Personal Trainer
und Sportequipment seien inklusive, die Reisepreise kalkulierbar und
auch bei den Routen werde Qualität groß geschrieben: „Keine Route
ähnelt der anderen“. Die kleineren Schiffe machten es möglich, auch
Häfen anzulaufen, die den großen Pötten verwehrt bleiben und den Zielen
drohe keine Masseninvasion beim Landgang. Man setze Expeditionsschiffe
für Extremgebiete ein, biete Edutainment und interessante
Gesprächspartner an Bord und spreche so auch unterschiedliche
Generationen an.
Weil die Kreuzfahrt ein so unterschiedliches Produkt sei, müsse man dem
Kunden helfen, es besser und gründlicher kennenzulernen, glaubt Detlev
Schäferjohann vom online-Reisebüro e-hoi, das sich auf Kreuzfahrten
konzentriert hat und diese ausschließlich online vertreibt. Auf der
Website könne man ins Detail gehen, allein 15000 Abfahrten seien in
einer Datenbank aufgelistet und die verschiedenen Angebote könnten
verglichen werden. Zudem, so Schäferjohann, könne jeder „reinschauen,
ohne sich als Kreuzfahrer zu outen“. Den Reisebüros riet er, die
Kreuzfahrt als Chance zu sehen und den „König Kunden“ gründlich und
geduldig zu beraten – womöglich mit der e-hoi-Datenbank im Hintergrund.
Die biete e-hoi Reisebüros als Beratungstool zum Schnäppchenpreis.
Eher ein Exote unter den Kreuzfahrtschiffen ist The World, das einzige
Schiff, das nur aus Eigentumswohnungen besteht und wo auf neue
Kundschaft wenig Wert gelegt wird. „Botschafter“ Aldo Bertagnolli
sprach von „klaren Vorgaben dazu, wer an Bord kommen darf“. Auch die
Eigentümer, die mindestens zweieinhalb Millionen Dollar für eine
Wohnung an Bord ausgegeben hätten, mussten erst vor einem Komitee
bestehen, ehe sie sich auf der schwimmenden „Welt“ mit fünf
Restaurants, Spa und Bars wie zu Hause fühlen durften. Und selbst dann
muss der Rubel noch rollen. Rund 300000 Dollar müssen die Eigentümer
jährlich für die Instandhaltung einkalkulieren. Von den 110
Eigentümern, so Bertagnolli, lebten derzeit 28 ständig auf dem Schiff.
Namen wollte er nicht verraten, nur so viel: „Einige davon kämen Ihnen
ziemlich bekannt vor.“
Auf „The World“ ist schon verwirklicht, was im Kreuzfahrtmarkt noch
Zukunftsmusik ist: Das Schiff wird zum Ziel, eine schwimmende Stadt
womöglich mit eigenem Hafen und Flugplatz. Michael Thamm jedenfalls ist
überzeugt, dass der Kreuzfahrt-Markt noch einige Überraschungen bereit
hält: „Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.“

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