Das Leben ist keine Wundertüte: Aly Chas „Schnee im April“

Ändert sich denn nie etwas? Müssen diese Frauen für immer ein Leben ertragen, das ihnen Unrecht zufügt, ihnen Schmerz bereitet? Oder hat die kleine, kluge Yuki als erste in der Reihe von tapferen Kämpferinnen die Chance, über ihr Schicksal hinauszuwachsen? In ihrem erstaunlich klarsichtigen Debütroman „Schnee im April“ lässt Aly Cha diese Frage offen, macht aber immerhin Hoffnung. Denn Yuki kann am Ende nicht nur fliegen, sie hat es auch geschafft, Schnee im April zu zaubern.

Und die Kleine lässt sich ihren Glauben nicht nehmen, dass das Leben es
doch noch gut meinen könnte. Dabei haben ihre Mutter, die Großmutter und
die Ur-Großmutter ganz andere Erfahrungen gemacht. Das Leben ist keine
Wundertüte und erst recht kein Märchen. Dass die junge Michiko in der
Pension, wo sie als Aschenputtel die Launen der Eigentümerin über sich
ergehen lassen muss, ihren Prinzen kennenlernt, hilft ihr auch nicht
weiter. Er kann sie dem ihr vorher bestimmten Schicksal nicht entreißen.
„Wir sind Marionetten unseres eigenen Karmas“, hatte der alte Wahrsager
ihrer Mutter gesagt, „unsere vergangenen Leben beherrschen uns auch in
diesem.“ Dennoch kämpfen die Frauen, um das Beste aus ihrem Schicksal zu
machen, tapfer und meist vergebens. Selbst das Gute, das sie tun,
wendet sich zum Bösen. Yukis Großmutter Asako hat längst schon
resigniert. Was auch immer geschieht, auch wenn die Welt um sie herum
zusammenbricht, sie dreht ihre steinerne Tofumühle.
Aly Cha bettet
ihren Familienroman in die Geschichte Japans ein, das vom Ende des 19.
Jahrhunderts bis in die 1970iger Jahre eine umwälzende Entwicklung
erlebt hat, die alte Werte und Überzeugungen auf den Kopf gestellt hat.
Wer ihr Buch liest, bekommt einen guten Einblick in die japanische Seele
und kann so vielleicht auch verstehen, wie das Land auf die Katastrophe
von Fukushima reagiert hat.
Info: Aly Cha, Schnee im April, Kein & Aber, 432 S., 22,90 Euro

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