Aung San Suu Kyi: Leben als Ikone

Sie wird in ihrem Land wie eine Heilige verehrt. Bilder der „Lady“, wie Aung San Suu Kyi im Volk genannt wird, gibt’s heute in jedem Laden. Auch außerhalb ihrer Heimat Burma, die jetzt Myanmar heißt und ein boomendes Tourismusziel ist, erfreut sich die Ikone der burmesischen Freiheitsbewegung höchster Verehrung. „Heldin der Menschheit“ wurde die Tochter des Unabhängigkeitskämpfers Aung San genannt, 1991 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Doch inzwischen hat das Image der unbeugsamen Freiheitskämpferin Kratzer bekommen. Vor allem ihr Schweigen zur blutigen Verfolgung der rechtlosen muslimischen Rohingya wird ihr vorgeworfen.
Doch Aung San Suu Kyi, die insgesamt 15 Jahre lang von den Militärs in Hausarrest gehalten und in diesem Jahr 70 wurde, hat noch viel vor. Denn im Herbst wird gewählt – und die „Lady“ könnte Präsidentin werden.
Wie zäh die äußerlich so zarte Burmesin ist, beschreibt Andreas Lorenz in dem Buch „Ein Leben für die Freiheit“. Die Leser erfahren, dass Aung San Suu Kyi in privilegierten Verhältnissen aufwuchs aber durch den Mord an ihrem Vater und den Tod ihres kleinen Bruders traumatisiert wurde. Sie begleiten sie durch ihre Schulzeit in Indien, ihre Studienzeit in Oxford und erste Erfahrungen auf politischem Parkett im UN-Sekretariat in New York. „Anmutig, aufgeweckt und gut informiert“ sei sie gewesen, erinnern sich Freunde, aber auch daran, dass mit ihr nicht zu spaßen war. Nach der Heirat mit dem Oxford-Professor Michael Aris wurde die junge Burmesin erst einmal Mutter und Hausfrau. Doch Ehemann Aris wusste und akzeptierte, dass seine Frau für ihre Heimat brannte. Das Familienglück war denn auch von kurzer Dauer. Schon bald setzte sich die charismatische Aung San Suu Kyi an die Spitze der demokratischen Bewegung, und das Volk jubelte ihr zu. Der Hausarrest, mit dem die Generäle sie in die Knie zwingen wollten, stärkte ihre Widerstandskraft. Lieber ließ sie ihren todkranken Mann allein sterben, verzichtete auf den Besuch ihrer Söhne als Privilegien von den verhassten Militärs anzunehmen.
Erst 2010 öffneten sich die Türen ihres häuslichen Gefängnisses. Seither ist Aung San Suu Kyi viel unterwegs in aller Welt und in der neuen Hauptstadt der Generäle, Napyidaw, wo sie versucht, ihre Politik durchzusetzen.
Andreas Lorenz zeichnet das Bild einer ebenso anmutigen wie eisernen Lady, einer Frau, die alles opfert, um für die Freiheit ihres Landes zu kämpfen. Dass sie dabei auch ziemlich rücksichtslos nicht nur sich selbst gegenüber sein kann, verschweigt Lorenz nicht. Und ganz nebenbei gibt er auch tiefe Einblicke in die blutige Geschichte und Gegenwart eines Landes, in dem 135 Minderheiten plus die staatenlosen Rohingya um ihre Rechte kämpfen, in dem Korruption herrscht und Drogenbarone die Strippen ziehen, in dem das Volk bitterarm und das Bildungssystem desolat ist. Ob man unter solchen Vorzeichen der 70-jährigen Lady zutrauen kann, das Land der Goldenen Pagoden in die Zukunft zu führen?
Simone F. Lucas
Info: Andreas Lorenz, Aung San Suu Kyi – Ein Leben für die Freiheit, C.H. Beck, 336 S., 19,95 Euro, ISBN 978-3406675096

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