Nein, selber segeln musste ich auf der Star Clipper nicht. Das hätte Kapitän Yurig Slastenin höchstwahrscheinlich auch nicht gefallen. Schließlich bin ich, was Segeln angeht, ein Greenhorn. Aber die besondere Atmosphäre eines Großseglers, die hat auch mich gleich in ihren Bann gezogen.
„Vergessen Sie Ihre Handys, genießen Sie jede Sekunde an Bord“, hatte der Kapitän aus der Ukraine gleich zur Begrüßung gesagt, nachdem wir uns zur Sicherheitsübung eingefunden hatten – 98 Passagiere und 77 Besatzungsmitglieder. Zum Genießen war ich wild entschlossen. Denn die Kreuzfahrt mit der Star Clipper vor Thailands Küste in der Andamanen See gilt als Traumreise.
Vom Sündenbabel aufs Schiff
Weniger traumhaft war die Anreise im ausgebuchten Airbus von Thai Airways nach Bangkok. Von da ging‘s weiter nach Phuket, wo uns ein Shuttlebus nach Patong brachte. Den Ruf als Sündenbabel trägt der Küstenort immer noch zu Recht. Schon zur Mittagszeit warten Mädchen in den Bars auf Freier, die von überall her angeflogen kommen. Aber Patong hat auch ganz nette Seiten: Die Fressgasse zum Beispiel, wo man am Wachstuch gedeckten Tisch ganz familiär schlemmen kann, hin und wieder in Konkurrenz zu einer schwarzen Katze. Beim Bummel durch die Straßen staune ich wieder einmal über das typisch asiatische Kabelgewirr. Ein Wunder, dass der Strom trotzdem fließt.
Wir checken im Seaside Hotel ein, von hier wird das Gepäck auf die Star Clipper gebracht. Und dann ist es soweit: Auch die Passagiere dürfen an Bord. Das Tenderboot wartet schon. In meiner Kabine fühle ich mich von Anfang an wohl – und Jojo, mein Kabinen-Stewart, ist ein ebenso unauffälliger wie aufmerksamer Helfer. Aus elf Nationen kommen die Crew Mitglieder, die meisten aus Indonesien und den Philippinen. Aber gleich zwei Bayern sind mit dabei, der Kreuzfahrtdirektor Peter Kissner, das Allround-Talent aus dem Allgäu, und die Hotelmanagerin Anita Rollin aus Nürnberg. Da fühle ich mich doch fast wie zu Hause.
Unter vollen Segeln in die Flaute
In den nächsten Tagen lerne ich so einiges über unser schwimmendes Hotel, das so ganz anders ist als die gigantischen Megaliner. 16 Segel kann der Viermaster hissen mit einer Gesamtsegelfläche von 3300 Quadratmeter. Bis zu 17 Knoten schnell ist die Star Clipper bei besten Wetter-Bedingungen. „Dann hat man das Gefühl zu fliegen,“ sagt Peter. Wir haben das nicht erlebt. Aber wir durften „unser“ Schiff in (fast) voller Pracht fotografieren. Alle Segel konnte die Mannschaft nicht aufziehen, weil es zu windig war. Zu windig? Peter klärt auf: „Wenn ein Schiff unter vollen Segeln fährt, bedeutet das nur eines: Flaute.“ Der Mann aus den Allgäuer Bergen fährt nun schon seit über 30 Jahren zur See – und er kann nicht genug kriegen davon. Auch wenn er sein Haus in Oberstdorf „niemals aufgeben“ würde. Er braucht beides, das Meer und die Berge.
Wenn er mit dem Zodiac durch die Inselwelt des Ko Hoong Nationalparks braust – immer auf der Suche nach der schönsten Perspektive für die Star Clipper – dann ist das für ihn pures Glück. Ganz ähnlich wie wenn er auf Skiern vom Nebelhorn zu Tal schwingt.
Chinesische Invasion auf James-Bond-Island
In der samtigen Wärme Thailands will ich aber gar nicht an den deutschen Winter denken, ich genieße die Sonne am Strand, die lauen Abende an Deck, die emotionale Aufbruchsstimmung, wenn die Star Clipper am Abend Segel setzt, die blaue Stunde an Bord, den Sonnenaufgang über dem Meer. Die Landschaft der kleinen Inseln ist traumhaft schön, der Strand puderweiß, das Meer changiert zwischen tintenblau und helltürkis.
Im Ko Hoong Nationalpark, da wo auch James Bond Island liegt, jene Insel, die Kulisse war für den Film „Der Mann mit dem Goldenen Colt“, sind die Felsformationen so bizarr, dass beim Betrachten lauter Fantasiegestalten auftauchen, menschliche und tierische. Manche zum Gruseln, andere zum Lachen. Rund um eine türkisgrüne Buch bilden die Kalkstein-Stalaktiten eine Galerie, die an Arkaden erinnert. Hier sind wir nicht allein. Die chinesischen Urlauber haben die Inselwelt in der Andamanensee entdeckt und kommen in Scharen. Vor den Höhlen stauen sich die gelben und orangen Kanus, im Wasser ragt ein Schnorchel neben dem anderen in die Luft wie lauter kleine Kamine, und am Strand werden eifrig Selfies geschossen.
Mit königlicher Erlaubnis im Nationalpark
Wir suchen uns andere Strände, die etwas abseits liegen und wo wir uns noch als Entdecker fühlen können. Auch das ist ein Vorteil unserer Star Clipper, die nach expliziter königlicher Erlaubnis im Nationalpark kreuzen darf. Die Schwester des verstorbenen Königs Bumibol Adulyadej hat sich, so erzählt es Peter, höchstpersönlich davon überzeugt, dass der Viermaster im Meeres-Nationalpark keinen Schaden anrichtet: „Sie war für uns der Türöffner.“ Wir sind auf der südlichen Route unterwegs von Patong aus über Ko Butang, Penang, Ko Adang, Ko Rok Nok, Ao Phang Nga, Ko Hoong und Ko Similan zurück nach Patong. So steht es im Programm.
Doch ein Segelschiff muss sich nach dem Wind richten. Vor Ko Similan können wir nicht ankern. Der Kapitän, an dem ein Alleinunterhalter verloren gegangen ist, erklärt die Umroutung den Gästen und nutzt die Gelegenheit, um über das Leben an Bord zu erzählen und die Crew zu loben. Selbst die Frage, ob er verheiratet sei, bringt ihn nicht aus der Fassung. „Ich bin auf hoher See,“ sagt Yurig Slatenin mit breitem Lächeln, „da bin ich Single. An Land bin ich verheiratet.“
Lustige Spielchen an Bord
Auch die Passagiere kommen einander während dieser Woche auf der Star Clipper näher. Amerikaner, Engländer, Deutsche, Schweizer, Österreicher, Australier. Eltern mit erwachsenen Kindern, Paare, Einzelreisende. Sie alle fühlen sich an Bord wie in einer großen Gemeinschaft, und bei den abendlichen Spielchen werden aus gestandenen Unternehmern kleine Jungs und aus eleganten Managerinnen ehrgeizige Mädchen, die unbedingt gewinnen wollen. Die Star Clipper braucht kein Casino und keine Shopping Mall. Für Unterhaltung ist auch so gesorgt – dank Peter, der mit seinem blonden Zopf und dem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht ein Hansdampf in allen Gassen ist. Ob Quiz oder Karaoke, ob Froschrennen oder Talentshow, wenn Peter moderiert, hängen die meisten an seinen Lippen.
Islamunterricht in Penang
Doch wir erleben auf dieser Reise nicht nur pure Natur, die Star Clipper ankert auch vor Penang in Malaysia. Ein willkommener Stopp, um das alte Georgetown zu erkunden und womöglich auch Lim Jetty, das Fischerdorf auf Stelzen, das wie ganz Georgetown Unesco Welterbe ist. Wir bummeln durch die Straßen der Altstadt, bewundern die indischen und chinesischen Tempel und landen in der größten Moschee Penangs, der Kapitan Kling Moschee, wo uns eine junge Muslimin in Empfang nimmt. Wir Frauen müssen rote Umhänge mit Kapuze überstreifen, in denen wir aussehen, als kämen wir geradewegs von der Karfreitagsprozession in Sevilla, für die Männer tut‘s ein Sarong über der kurzen Hose.
Richtig gekleidet folgen wir der jungen Frau in den weitläufigen Innenraum, wo eine Reihe Schüler gerade Koranunterricht hat. Unsere Führerin liest uns mit heller Stimme einige Suren vor, ein junger Mann erklärt uns den Ruf den Muezzins. Nach dieser Kurz-Einführung in den Islam bekommen wir noch einen Flyer ausgehändigt – zur Vertiefung.
Streetart in Georgetown und das Ende der Welt
Ein paar Ecken weiter weihnachtet es sehr – ein kleines Café schmückt sich mit einem Meer von Weihnachtssternen und viel Flitter. Und dann sind da auch da auch Little India und Chinatown.
Penang ist ein Schmelztiegel der Kulturen, und es gilt als Zentrum der asiatischen Streetart. An vielen Hauswänden prangen Wandmalereien. Einige Motive findet man auf T-Shirts oder Taschen, die an Ständen und in Shops verkauft werden. Sie stammen von dem in Litauen geborenen Künstler Ernest Zacharevic, der sie – oft dreidimensional – 2012 für das George Town Festival geschaffen hat. Inzwischen ist eine ganze Freiluft-Galerie entstanden.
Wir haben zu wenig Zeit, um sie zu besichtigen, denn wir wollen noch das alte Fischerdorf sehen mit den Pfahlbauten. Auf der Suche danach landen wir zunächst mit dem Bus am „Ende der Welt“. Buchstäblich, denn das Restaurant bei der Endhaltestelle heißt tatsächlich „World‘s End“. Viel ist hier nicht los, ein paar Katzen dösen am Straßenrand, der Strand ist leer, kaum ein Auto findet den Weg hierher.
Das alte Fischerdorf wirkt wie aus der Zeit gefallen
Wir bestellen ein Taxi, und das bringt uns tatsächlich an den Rand von Lim Jetty, der kleinen Fischersiedlung. Der Gegensatz zwischen den bunten Häuschen und den Wolkenkratzern im Hintergrund könnte nicht größer sein. Die Hälfte von Lim Jetty wirkt wie aus der Zeit gefallen, kaum Touristen verirren sich hierher, wo man auf Holzplanken durch die Hinterhöfe wandert und fast hinein in die Wohnzimmer. Der andere Teil ist voll durchorganisiert mit Garküchen und Souvenirständen. Auch wenn wir an Bord hervorragend essen können, bei der Auswahl von Schlemmereien bekommen wir Appetit und gönnen uns eine richtige Fressorgie.
An Bord wird ordentlich geschlemmt
Beim Dinner auf der Star Clipper bin ich dann ungewohnt zurückhaltend. Auch sonst kann ich kaum all das genießen, was der philippinische Koch vier Mal am Tag auf den Tisch bringt. All die Snacks zwischen Lunchbüfett und Sechs-Gänge-Dinner, die Mitternachtssuppe, das Obst, das Barbecue am Strand. Unser freundlicher Kellner aus Java schaut ganz traurig, wenn wir am Abend nur zwei oder drei Gänge ordern. Zumindest beim Dessert greifen aber alle ordentlich zu. An die Waage will ich da lieber nicht denken…
Statt vor einer der Similan-Inseln ankern wir vor dem Sirun Nationalpark. Das Meer wogt in allen Blauschattierungen, um graue Granitfelsen wimmeln bunte Fische, und hinter dem weißen Strand wachsen gigantische, von Sukkulenten besiedelte Bäume. Ein paar Häuser verstecken sich dazwischen. Hier könnte man es auch aushalten – für ein paar Tage weit weg von allem.
Der Abschied fällt nicht leicht
Es ist unser letzter Tag. Wehmut kommt auf. Während wir nach einem opulenten Dinner und ein paar Abschiedsdrinks an der Bar in unseren Betten schlummern, nimmt die Star Clipper Kurs auf Patong. Und ich träume schon von der nächsten Reise auf einem Großsegler. Auch im Neuen Jahr fährt die Star Clipper wieder durch Inselwelten.
Info: Auch im Neuen Jahr segelt die Star Clipper die Südliche Route von Phuket aus.
Sieben Nächte inkl. Vollverpflegung an Bord und Wassersportaktivitäten kosten in der Doppel-Außenkabine ab 2195 Euro pro Person , z.B. vom 6. bis 13. oder vom 20. bis 27. April. Buchbar sind Reisen mit Star Clipper bei dem Veranstalter Star Clippers Kreuzfahrten. Mehr Infos unter www.star-clippers.de und www.starclippers.com
Die Reportage entstand auf Einladung der Reederei Star Clippers und dem Reiseveranstalter Star Clippers Kreuzfahrten.
Dezember 23, 2018
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