Es ist wahrhaft eine long and winding road, eine lange kurvenreiche Straße, die in dieses abgelegen Hochtal von Poqueira in den Alpujerras führt. Nachdem wir die Autobahn nach Almeria verlassen haben, geht‘s stetig bergauf. Grün ist es hier, ganz unerwartet in Andalusien. Und mittendrin schneeweiße Dörfer im typischen Baustil, der aus ganz früher Zeit stammt und heute unter Denkmalschutz steht: würfelförmig mit flachen Dächern, auf denen Kamine thronen – wie Trolle. Manchmal ist es eine ganze Versammlung, manchmal nur ein einzelner.
Den Mauren sei Dank
Die Mauren haben diese Gegend geprägt, haben die ausgeklügelten Bewässerungsanlagen geschaffen, die Berge für den Obst- und Mandelanbau terrassiert und mit den Maulbeerbäumen eine erfolgreiche Seidenproduktion ins abgelegene Hochtal gebracht. Schon im achten Jahrhundert waren Berber in die Hochtäler gekommen, wo sie eine neue Heimat gefunden hatten. Nach Rückeroberung Spaniens durch die katholischen Könige lockte die isolierte Lage aus Granada vertriebenen Muslime an, und der letzte nasridische Emir Muhammad XII., besser bekannt als Boabdil, hatte hier für kurze Zeit sein letztes Refugium auf europäischem Boden, ehe er sich nach Marokko zurückzog.
Zwangsweiser Bevölkerungsaustausch
Die zunehmende Unterdrückung der Muslime, die sich nur unter Zwang zum Christentum bekehrten und dann Morisken genannt wurden, führte zu blutigen Aufständen und später zur Ausweisung. Die Alpujarras erlebten einen zwangsweisen Bevölkerungsaustausch. Die neuen Bewohner kamen aus ganz Spanien. Doch für das Hochtal war die Blütezeit vorbei, viele Felder verfielen, die Region geriet in Vergessenheit. Womöglich macht gerade das heute den Charme aus, der schon in den 1980ern viele Aussteiger anzog.
Aussteiger im Hochtal
An der Rezeption des Hotels Real Capileira sitzt eine Österreicherin. Andrea (52) kommt aus Wagrein und hat zusammen mit ihrem englischen Mann in der Nähe des Ortes einen Bauernhof gekauft. Nach langen Wanderjahren in Amerika und Asien fühlen sich die beiden „angekommen“. Seit 2002 bewirtschaften sie ihre „Hobby-Farm“ mit zwei Pferden, zehn Schafen, Katzen, Hunden und Hühnern, ernten Oliven, Granatäpfel, Trauben und Feigen und fühlen sich rundum wohl. „Die Alpujarras sind für uns Heimat“, sagt Andrea. „Die Gegend ist so schön grün hier dank des vielen Wassers. Deshalb sind wir hier hängen geblieben.“ Sie sind nicht die einzigen. Auch Künstler zieht es ins Hochtal. Und in den steilen Gässchen von Pampaneira, Capileira oder Bubion hört man immer wieder auch deutsche oder englische Laute. Es sind „Residenten“, die sich in den traditionellen Häusern mit ihrem üppigen Blumenschmuck häuslich eingerichtet haben. Es könnten noch mehr werden, sagt Andrea. Die Pandemie habe für viele das Landleben wieder attraktiv gemacht.
Mitten in der Natur
José, dunkelhaarig und durchtrainiert, braucht kein Corona, um sich auf dem Land wohlzufühlen. Der 43-jährige Naturführer ist hier geboren und voller Bewunderung für die Leistungen der frühen Siedler. „Das Leben hier ist doch perfekt“, sagt er. Am liebsten führt er Touristen durch die Berge oder entlang der Bewässerungskanäle, um ihnen die Augen für die Schönheit der Landschaft zu öffnen. Auf Abstand brauchen wir hier nicht zu achten und die sonst auch in den Dörfern üblichen Masken sind auch nicht nötig. Wir sind mitten in der Natur.
Spuren der Landflucht
Vögel zwitschern in den Zweigen, im Kanal rauscht das Wasser, auf einem Plateau mit weitem Blick ins Tal steht eine verfallene Steinhütte, die früher den Bauern als Sommerhaus diente. Der Dreschplatz ist verlassen, auch viele der mühsam angelegten Terrassen sind verfallen. Und in den Dörfern stehen immer wieder Häuser zum Verkauf. Die Landflucht hat auch hier ihre Spuren hinterlassen. Kühe sind kaum zu sehen, vielleicht ein paar Pferde, aber keine Schweine.
Die besondere Geschmack des Schinkens
In Trevelez aber dreht sich alles um den Schinken. Pedro Gonzales, ein gemütlicher, grau melierter Andalusier, schaut voller Stolz auf die 6000 Schinken, die dicht an dicht von der Decke hängen. Seit 1862, erklärt er, habe der Schinken von Trevelez ein königliches Siegel – direkt von ihrer Hoheit Isabella von Spanien. Heute scheint die Schinkenfabrik Antonio Alvarez scheint den ganzen Ort zu beherrschen. Nur Schweine werden hier nicht gezüchtet. Für den Jamon Serrano kommen sie aus ganz Spanien, nur die „Eichelschweine“ mit den schwarzen Hufen aus Cordoba werden exklusiv für den Pata Negra Schinken verarbeitet.
Drei bis vier Jahre beträgt die Reifezeit für diesen edlen Schinken. Der Jamon Serrano kommt mit 18 bis 36 Monaten aus. Zuvor werden die Schinken in Salz eingelegt, das dauert pro Kilo einen Tag. Danach wird das Salz abgewaschen, letzte Blutreste werden durch eine Art Massage aus den Schinken gedrückt, ehe sie in die Reifekeller kommen. Es sei wohl die frische, trockene Luft und das Mikroklima von Trevelez, die den besonderen Geschmack des Schinkens ausmachen, meint Pedro Gonzales. Wir können ihm nur zustimmen: Die Schinken schmecken wundervoll. Beim Spaziergang durchs Dorf, das zu den Magischen Dörfern Spaniens gehört, fällt uns auf, dass hier die überquellenden Blumenstöcke bunte Häkelröckchen tragen.
Das Geheimnis der Dinge
Ja, die Albujarras sind etwas besonderes. Auch die Natur hat hier am Zauber mitgewirkt. Die Fuente Agria etwa, die saure Quelle, ist so eisenhaltig, dass sie alles rostrot färbt – auch den Wasserfall, der im wuchernden Grün einen fast magischen Kontrast bildet.
Kein Wunder, dass auch Spaniens Dichter-Ikone Federico Garcia Lorca hier war. In der Bäderstadt Lonjaron, dem Tor zu den Albujarras, mit der Mutter zur Kur, aber auch in den drei denkmalgeschützten Dörfern. In Pampaneira kann man auf dem Paseo Fedrico Garcia Lorca Gedichte des 1936 ermordeten Dichters lesen, zum Beispiel: „Alle die Dinge haben ihre Geheimnisse, die Poesie ist das Geheimnis aller Dinge“. Das passt doch wunderbar in diese geheimnisvolle Gegend.
Kurz informiert
Corona Ganz Spanien gilt inzwischen wieder als Risikogebiet. Die Rückreise ist nur mit einem negativen Testergebnis möglich. Für die Einreise muss ein ein Formular im Spain Travel Health-Portal zur Gesundheitskontrolle ausgefüllt werden. Der daraus resultierende QR-Code muss beim Check-in und bei der Einreise vorgelegt werden. In den dünn besiedelten Alpujarras ist die Gefahr einer Ansteckung gering. Dennoch besteht in den Dörfern Maskenpflicht.
Anreise Mit dem Flugzeug entweder direkt nach Malaga z.B. mit Lufthansa oder mit Zwischenstopp nach Granada etwa mit TUIfly. Von da aus geht es nur mit dem Auto weiter, weil die Dörfer sehr abgelegen sind. Sunny Cars bietet beispielsweise einen Rundum-Sorglos-Schutz an. Die Preise variieren je nach Datum und Dauer.
Übernachten. z.B. im gemütlichen Hotel Real de Poqueira mitten in Capileira: www.hotelespoqueira.com/hotel-real-de-poqueira/
Informieren Spanisches Fremdenverkehrsamt, Reuterweg 51-53, 60323 Frankfurt, frankfurt@tourspain.es, www.spain.info, www.andalucia.org
Hinweis Die Reise fand auf Einladung des Spanischen Fremdenverkehrsamts statt.
Juli 14, 2021
Hallo Lilo,
und man sagt die Preussen schiessen nicht so schnell-
OK Du bist keine Preussin.
Wunderbarer geschrieben und tolle Fotos. Hat mir gefallen.
Habe ich gleich gepostet auf Facebook.
Ganz liebe Gruesse
Ortwin
Juli 15, 2021
Ach, das freut mich, Otto! So ein Lob vom Insider. Ich setze mich gleich noch an eine weitere Geschichte.
Danke fürs Posten und dir alles Gute!
Juli 18, 2021
Danke, Lilo, für deine > trotz immenser Hitze < wunderschönen Impressionen aus einer fast verzauberten Region. Da bewirken deine tollen Fotos gleich einen Entspannungseffekt und ich lasse mich gerne dorthin entführen.
Freue mich über deine Erfahrungen.
Barbara Friederike
Juli 19, 2021
Wei schön, Barbara, dass du so eine treue Leserin bist!
Juli 20, 2021
Dear Lilo, Thank you very much for your amazing report about Alpujarra, I have enjoyed it a lot!!
We keep in touch for everything you will require.
Regards from Granada Tourist Board!!
Juli 21, 2021
Thank you, Imma, you did a great job in preparing our Visit to Grenada. I really enjoyed it and I got a lot of inspirative information.