Breslau: Die Spur der Zwerge

Breslau, polnisch Wroclaw, ist einer der Austragungsorte der Fußball-EM. Wer im Juni in die Stadt fährt, um guten Fußball zu sehen, sollte nicht nur ins brandneue Stadion gehen. Die Stadt mit ihrer Vielzahl an Architekturstilen hat einen ganz besonderen Charme, der sich oft erst auf den zweiten Blick erschließt – oder auch beim Blick in versteckte Ecken und Winkel.

Es sind nicht sieben Zwerge und auch Schneewittchen fehlt. Dafür teilen sich die rund 150 Breslauer Zwerge die Stadt mit rund 650 000 Menschen. Und das Zusammenleben scheint so gut zu funktionieren, dass die Zwerge hin und wieder sogar Zuwachs bekommen. Sehen kann sie übrigens jeder – wenn er denn die Augen offen hält. Denn die Zwerge sind klein, genauer etwa so groß wie ein Schuh. Wie sie nach Breslau kamen? Die Geschichte hat viel mit der Stadt zu tun und ihrem Kampf um die Freiheit. 
Die ersten Zwerge erschienen Anfang der 1980er Jahre zusammen mit der „Orangen Alternative“, die unter der Führung von Waldemar Frydrych mit lustvollen Happenings und kleinen Sabotageakten gegen das kommunistische System kämpfte. Es waren meist Studenten, die sich im Untergrund zusammenfanden und ihrem friedlichen Protest mit dadaistischen Aktionen Ausdruck verliehen. Wenn sie Ort und Zeit ihrer Aktionen auf Hauswände schrieben, trugen sie oft Zipfelmützen. Und wenn die Botschaft über Nacht von Amts wegen übertüncht wurde, malten sie frech einen Zwerg auf die leere Fläche. Mit subversiven Happenings, inspiriert von Dadaismus und Surrealismus, bei denen sie die Absurditäten des kommunistischen Alltags aufdeckten, entzogen sie sich der Strafbarkeit. Wenn einer von ihnen als personifizierte Inflation durch die Straßen galoppierte oder eine Gruppe „Nieder mit der Hitze“ skandierte, waren die Machthaber machtlos und die Breslauer hatten etwas zu lachen. So wurden die Zwerge zum Symbol des Widerstands und zu einem Wahrzeichen der Stadt. 
Heute können Besucher sie überall antreffen: Als Häftling hinter den Gittern des ehemaligen Gefängnisse, als Reisenden oder Langschläger am Hotel, als Motorradfahrer vor der Kirche. Natürlich hat jeder von ihnen einen eigenen Namen und eine eigene Geschichte. Und Jahr für Jahr kommen neue Zwerge und neue Geschichten dazu. Nachzulesen auf http://krasnale.pl Hier findet sich übrigens auch eine Karte mit all den Plätzen, an denen Zwerge zu finden sind. Womöglich gibt’s zur EM auch einen Fußballzwerg…

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