Gott heißt hier Alla und ist streng katholisch. Schließlich soll der Apostel Paulus auf dem Weg nach Rom auf Malta gestrandet sein und den Inselbewohnern das Christentum gebracht haben. Malta, das kleinste Land der EU, ist reich an Geschichte. Und wunderbar baden, schnorcheln und tauchen kann man hier auch noch.
Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung auf Malta. Dann ist das
Meer himmelblau und die Sonne taucht die Häuser aus Sandstein in
goldenes Licht. Die bunten Fischerboote mit den großen Augen schaukeln
auf dem Wasser wie Riesenvögel. Und La Valletta, die mittelalterliche
Hauptstadt des Inselstaats, flirrt im Licht, unwirklich wie eine
Filmkulisse.
Manches was hier steht, ist auch nichts als Kulisse. Malta gilt als das
Hollywood Europas. Auf der „Insel der tausend Gesichter“, auf der
Phönizier, Araber, Griechen, Römer und schließlich die Tempelritter ihre
Spuren hinterlassen haben, hat Brad Pitt den Achilles in „Troja“
gegeben, Gerard Depardieu den „Grafen von Monte Christo“ und Russell
Crowe den Gladiator. Noch viel früher wurde Humphrey Bogart als Detektiv
Sam Spade im „Malteser Falken“ weltberühmt. 1941 war das, noch bevor
die Nazis ihre Bomben auf den britischen Stützpunkt warfen.
Nick, ein junger Malteser mit langem schwarzem Zopf, marschiert zügig
durch wilden Fenchel, Johannisbrot-Sträucher und jede Menge Disteln.
Lange Hosen wären nicht schlecht für diese Wanderung. Aber wer denkt
schon auf Malta an lange Hosen? Die Dwejra Lines weisen den Weg, jene
Befestigungsmauern, die von den Briten im 18. Jahrhundert erbaut wurden
als Absicherung gegen Feinde, die vom Meer her erwartet wurden – und
niemals kamen. Die wirkliche Gefahr für Malta kam aus der Luft: im
Zweiten Weltkrieg versank die Insel im Bombenhagel der Deutschen: 35000
Häuser waren zerstört.
Heute wird auf Malta nur mehr während der Jagdzeit scharf geschossen –
auf Singvögel. Nick weiß, dass diese maltesische Leidenschaft bei den
Touristen nicht gut ankommt, aber „ein Jagdverbot hätte einen
Ausnahmezustand auf der Insel heraufbeschworen“. Für Malta, seit 2004
EU-Mitglied, gibt es jetzt eine Ausnahmeregel. An Sturheit ist das
kleine Völkchen kaum zu überbieten. Die 400 000 Malteser haben sogar
durchgesetzt, dass ihre Inselsprache Malti, ein Kauderwelsch aus
arabisch und phönizisch, gewürzt mit ein paar Brocken französisch und
italienisch, europäische Amtssprache ist. Doch wie Nick sprechen die
meisten Malteser hervorragend englisch. Deshalb ist Malta auch ein Mekka
für Sprachschüler aus aller Welt.
Von der Sonne verwöhnt, können sie ihre Englischkenntnisse aufpolieren
und ganz nebenbei auch die multikulturelle maltesische Küche kosten:
„Hobz bis zejt“, etwa, die maltesische Version der italienischen
Bruschetta mit knusprigem Malteser Brot. Oder Fenkata, den würzigen
Eintopf mit mariniertem Kaninchen. Ross fil-forn, die sättigende
Reispfanne mit Hackfleisch, Eiern, Tomaten und Safran. Und zum Schluss,
Qubbajt, süß wie die Sünde und bei uns als türkischen Honig bekannt.
Nick hat zum Wandern das Nationalgetränk Kinnie in den Rucksack gepackt.
Die herbsüße Limonade aus Bitterorangen und Wermutkräutern ist
Durststiller und Muntermacher zugleich und auch als Partygetränk
beliebt.
Nicht nur ausgelassene Feste gibt es auf der Insel im Überfluss. Auch
große Geschichte hat das gerade mal 316 Quadratkilometer kleine Eiland
in Fülle. Noch immer geben die gigantischen Megalithtempel Rätsel auf.
Vor über 5000 Jahren türmten die Menschen der Jungsteinzeit wuchtige
Steinblöcke zu Tempelanlagen. Vor den gewaltigen Mauern von Hagar Quim
wird noch heute der großmäuligste Tourist kleinlaut. Und das Hypogäum,
der unterirdische Sakralbau, der 1902 zufällig bei Bauarbeiten entdeckt
wurde und Unesco-Weltkulturerbe ist, lehrt selbst Weitgereiste das
Staunen. Hier wurden Tausende weiblicher Skelette gefunden -und die
„Schlafende Venus“, eine Tonfigur mit riesigen Brüsten. Seither gilt
Malta als das Mutterland des Matriarchats.
Dabei ist der maltesische Archipel bis heute ein Hort des Patriarchats
und der katholischen Kirche. Die Insel, nicht mal so groß wie Bremen,
hat 365 Kirchen – „für jeden Tag eine“, sagt Nick und lacht. In Mgarg
steht eine davon. 34 Jahre hat es gedauert, bis dieser imposante
Kirchenbau mit der eiförmigen Kuppel vollendet wurde. 1946 wurde die
Maria-Himmelfahrts-Kirche eingeweiht. Damals begannen friedliche Zeiten
für Malta, aber erst 1964 entließen die Engländer die Insel in die
Unabhängigkeit. Die Befestigungsanlagen der Dwejra Lines sind seither
endgültig Geschichte.
Auf Gozo, der kleinen und ländlichen Schwester, gibt es andere
Geschichten: Odysseus, der Listenreiche, soll hier der Nixe Calypso ins
Netz gegangen sein. Er hätte es schlechter treffen können: Goldfarben
ist der Strand der nahen Ramla Bay und das azurblaue Meer lädt zum Bade.
Von der Festung der Hauptstadt Victoria aus schweift der Blick über die
grünen Felder Gozos und die vielen Kirchtürme bis hinaus aufs Meer.
Auch Comino ist von hier aus zu sehen, die kleinste Insel des
maltesischen Archipels. Gerade mal drei Menschen sind auf dem drei
Quadratkilometer großen Eiland als ständige Bewohner registriert. Es
gibt keine Autos, aber ein Hotel, eine Polizeistation und – natürlich –
eine Kirche.
Die meisten Besucher aber kommen wegen der Blauen Lagune, wo das Wasser
in allen Türkistönen schillert wie sonst nur in der Karibik.