Es wird schon gleich dunkel, es wird schon gleich Nacht. Nicht am Wörthersee und nicht in dieser Nacht. Der See ist hell erleuchtet. „Greetings from Klagenfurt“ blinken Lichtlein, und mitten im See steht ein Lichterbaum, der sich im schwarzen Wasser spiegelt. Der Himmel spielt mit und veranstaltet einen Farbenreigen über den dunklen Bergen. Es ist der dritte Advent. Und an diesem Tag findet seit 40 Jahren ein besonderes Ereignis am Wörthersee statt, das Christbaumversenken.
Erinnerung an die Ertrunkenen im See
Die symbolische Aktion soll an die Menschen erinnern, die dieses Jahr im See ertrunken sind, eigentlich an alle Ertrunkenen weltweit. In Europa sind es in jedem Jahr 35 000, im Wörthersee waren es 2016 fünf. Zuviel, meinen die Mitglieder de EKUS, des Ersten Kärntner Unterwassersportclubs, die das Christbaumversenken veranstalten. Seit vielen Jahren ist ein Pater mit weißem Wallebart Teil der Zeremonie. Der 76-jährige Pater Anton könnte auch als Weihnachtsmann auftreten. Er mahnt Besinnlichkeit und innere Einkehr an, mehr Miteinander und Herzenswärme.
Stille beim Christbaumversenken
Die können vor allem die zehn Taucher brauchen, die sich mit Fackeln in der Hand und begleitet vom Weihnachtslied „Stille Nacht“ in das drei Grad kalte Wasser wagen. Am Ufer haben die Zuschauer ihre Kerzen angezündet. Es wird ganz still am See, während der Fackelzug der Taucher mit dem Weihnachtsbäumchen hinausschwimmt auf den dunklen See. Dann verlöschen die Lichter, der Christbaum wird versenkt, und für einen Augenblick ist es ganz still.
Die Taucher sind an diesem Abend Helden
Dann brandet Beifall auf, als die Taucher in ihren Neoprenanzügen oder wasserdichten Tauchanzügen zurückkommen – strahlend aber auch schlotternd. Auch außerhalb des Wassers hat es Minusgrade. Doch die zehn Männer, der jüngste ist grade mal 17 Jahre alt, sind an diesem Abend Helden, und sie genießen es, auch wenn ihnen die Kälte in die Glieder kriecht. Ja, das Herz sei schon warm, sagt der Älteste, 38 Jahre alt und Sohn einer Japanerin, aber an den Händen und Füßen werde es ganz schön kalt. Warum sie die Tortur auf sich nehmen? Die Männer schauen einander an. „Aus Tradition“, erklärt der eine, „für die Toten im See“ der andere. Einig sind sich alle, dass das Christbaumversenken alle Jahre wieder eine ganz besondere Erfahrung ist – nicht nur für die Zuschauer.
Der Weihnachsbaum kehrt zurück ans Land
Und was passiert mit dem Weihnachtsbäumchen? Wenn die Zuschauer sich zerstreut haben und Ruhe am See eingekehrt ist, wird es wieder an Land geholt, weil es sich im Wasser nicht zersetzen würde. Nach 40 Jahren würde sich sonst womöglich unter dem Wörthersee eine Weihnachtsbaumkolonie ausbreiten.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=KcsUDqzKYQg