Für viele Menschen ist „der Renteneintritt so etwas wie eine zweite Pubertät. Eine Zeit, in der alles durcheinander gebracht wird.“ So zumindest hat Heckers Kollege den Umbruch im Leben beschrieben. Bei Hecker stößt er mit seiner Einschätzung auf offene Ohren. Der Ex-Redakteur schlägt sich mit so existentiellen Fragen wie „Was ist die Identität des Alters?“ herum und hadert mit sich und der Welt. Gibt es doch heute kein bestimmtes Rollenmuster mehr fürs Alter, eben keine Altersidentität. Höchstens die Rente, eine erzwungene Arbeitslosigkeit.
Denn Hecker würde zu gerne weiter arbeiten. Er liebt seinen Beruf, die Arbeit hat ihn ausgefüllt. Ohne Arbeit droht die Inhaltslosigkeit, die Leere – und Hecker, glücklich verheiratet mit einer Frau, die noch in Lohn und Brot steht, stürzt in ein großes Loch. Zumal die Rente auch nicht gerade üppig ausfällt, obwohl er verglichen mit anderen noch ein „Rentnerkrösus“ ist. „Wie füllt man die Leere“, fragt er sich und wünscht sich „Geländer der Gewohnheit“, die ihm bei der Bewältigung des Alltags und angesichts der verstörenden grenzenlosen Freiheit helfen könnten.
Weil er sich weigert, seine Tage zu takten wie eine Freundin aus Studienzeiten oder sie zumindest mit alltäglichen Pflichten zu füllen, gerät Heckers Leben aus den Fugen. Er sucht Trost im Alkohol und verliert darüber die Achtung seiner Frau. Erst der Tod eines alten Freundes bringt den Rentner wieder zur Besinnung. Er verspürt Dankbarkeit dafür, dass er noch am Leben ist – und die Verpflichtung, aus diesem (Rest)Leben noch etwas zu machen. Und siehe da, es tun sich ganz unerwartete Möglichkeiten auf. Am Ende ist Hecker zwar nicht ganz versöhnt mit seinem Rentner-Schicksal, aber er ahnt zumindest, dass ihm mit der neuen Freiheit auch neue Chancen zuwachsen.
Wolfgang Prosinger begnügt sich nicht damit, die Leiden des alten H. zu schildern, seine Ängste vor einer Zukunft zum Seniorentarif, er schildert auch immer wieder den Zustand unserer Gesellschaft, den Arbeitsalltag, die Rentenreform, das sich ändernde Bild der Alten in der Öffentlichkeit. Er zitiert Philosophen und Intellektuelle zum Thema und findet selbst bemerkenswerte Sätze wie diesen: „Jedes Mal, bei jedem Todesfall, wird die Wirklichkeit kleiner und das Erinnern größer. Bis man eines Tages fast nur noch aus Erinnerungen besteht.“
Umso wichtiger ist es, dem Leben Erfahrungen abzutrotzen, die der Erinnerung wert sind. Auch dies lehrt uns Prosingers ungeschönter Blick auf die Zeit der Rente.
16Mrz. 2014