Es war einmal ein Unternehmer, der Gutes tun wollte für die Natur seiner Heimatregion und die Seele der Menschen. Und so entstand auf Anregung des ehemaligen Bezirksheimatpflegers Peter Fassl die Idee der Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung, sieben Wegkapellen im Donautal zu errichten.
Fassl orientierte sich an den Ideen der Landart und suchte Architekten aus, die den Kapellenbau zeitgenössisch weiterentwickeln und ihre Werke im Zusammenspiel mit der Landschaft gestalten sollten. Die Symbol behaftete Zahl sieben gab dabei ebenso die Grenze vor wie die von der Stiftung bereit gestellten Gelder. Was letztendlich aus dem Zusammenspiel entstand ist eine Symbiose zwischen Kunst und Natur, zwischen Materie und Geist – ein Gesamtkunstwerk, das sich auf einem 153 Kilometer langen Rundweg er-radeln lässt.
Ein „freundschaftliches Angebot zum Betreten“ seien alle diese Kapellen, sagt Peter Fassl. Dabei könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Denn die einzige Vorgabe an die Architekten war der Baustoff Holz und ein Kreuz im Innenraum. Schon deshalb lohnt es sich, sich für jede einzelne Kapelle Zeit zu nehmen.
Radwegkapelle bei Gundelfingen
Mit den zwölf gedrechselten Säulen aus Lärchenholz erinnert die Radwegkapelle des mehrfach ausgezeichneten Architekten Hans Engel, Jahrgang 1936, an einen römischen Tempel.
Der Grundriss ist kreuzförmig, die Struktur offen. Drei Glaswände holen die Natur ins Innere, das von einer runden Farbglasscheibe mit einem Kreuz dominiert wird. Wer sich Zeit nimmt, kann ein paar Lebensweisheiten mit nach Hause nehmen, die an den Glaswänden zum Nachdenken anregen. Und wer ein paar Schritte geht, entdeckt die nahen Weiher im dichten Grün.
Wegkapelle bei Wittislingen
Franz Lattke, geboren 1968 in Tübingen, ein „typischer Holzbauer“ (Fassl) überrascht an einer aussichtsreichen Weggabelung mit einer komplexen Struktur.
Die Scheunenoptik des mittlerweile ergrauten Äußeren täuscht auf den ersten Blick über die vielschichtige Gestaltung mit dem schrägen nach oben strebenden Dach und der intelligent Lichtführung hinweg. Das durch die hohen Fensterschlitze eindringende Licht setzt das Kreuz in Szene.
Wooden Chapel Unterlietzheim
John Pawson (Jahrgang 1949) ist ein Minimalist. Und minimalistisch ist auch die Kapelle des Engländers am Waldrand mit dem schönen Blick auf eine fast bukolische Landschaft.
„Ein Holzstapel“ ist die erste Idee beim Anblick der 45 dicken, aufeinander liegenden Douglasien-Stämme, deren Jahresringe ganz eigene Ornamente bilden. Dabei ist das Ganze „eine hochkomplexe Sache“, sagt Peter Fassl und lobt „die sinnliche Anmutung“, die auch durch Pawsons reduzierten Stil entstehe. „Tür, Bank, Fenster, Kreuz – weniger geht nicht.“ Und doch biete Pawsons Holzstruktur viel Raum für das Sakrale, sei eben „etwas Besonderes“.
Kapelle Kesselostheim
An eine Pagode erinnert der 14 Meter hohe Turm aus Holzlamellen, den Prof. Volker Staab (Jahrgang 1957) an eine Hangkante mit Blick auf eine hügelige Landschaft mit Dörfern und Kirchen gesetzt hat.
Der „Hochkaräter“ (Fassl) unter den Architekten hat eine nach oben offene Struktur geschaffen. Im Inneren scheint alles himmelwärts zu drängen – hinauf zum Kreuz. Der Kapellenturm ist in eine Baumgruppe integriert und bildet mit zwei Sitzgelegenheiten und einer „Via Sacra“ ein kleines architektonische Ensemble. Eine aussichtsreiche Rast für Radler, allerdings ohne Regenschutz.
Wegkapelle bei den Schwaigen
Geschindelt wie ein Berghütte hat Alen Jasarevic seine Kapelle mit dem nach oben strebenden Dach. Die Grundidee des bosnischen Muslims zur Gestaltung sind betende Hände.
Die drei Sperrholzplatten sind durch ein Kreuz verbunden. Die Innenwände aus Schichtholz scheinen sich ständig zu verändern, was einer intensiven Bearbeitung mit dem Hohleisen zu verdanken ist. Auffallend im Inneren, das sich durch eine Tür aus Corten-Stahl verschließen lässt, ist der tiefer gelegt Raum, der den Blick hinauf lenkt zum Licht des Himmels.
Kapelle bei Oberthürheim
Die Kapelle von Prof. Christoph Mäckler (Jahrgang 1951) könnte mit den vielen winzigen Fenstern auch als überdimensioniertes Insektenhaus durchgehen, wirkt aber auf die meisten Besucher am ehesten wie eine klassische Kapelle.
Das 76 Grad steile Dach erinnert an gotische Kirchen, die blauen Fenstergläser und das goldgelbe Kreuz tauchen den Innenraum in ein fast mystisches Licht. Die unterteilten Seitenbänke erinnern an ein Chorgestühl. Die Platzierung der weithin sichtbaren Kapelle vor einem Wald erinnert an romantische Landschaftsidyllen.
Blaue Kapelle im Laugnatal
Irgendwie sieht diese Kapelle wie eine Startrampe aus oder wie eine Sprungschanze.
Wilhelm Huber (Jahrgang 1954) hat bei seiner hoch aufragenden Struktur aber eher an einen großen Baumstumpf gedacht, der sich mit dem umliegenden Wald verbinden soll. Außen laden Betonblöcke zur Rast ein – und zum Blick ins Laugnatal. Drinnen schafft das durchs rechteckige, mundgeblasene und bemalte Fenster dringende blaue Licht eine Verbindung zum Blau des Himmels und regt zur Meditation an. Mittels einer Schiebetüre lässt sich die Außenwelt aussperren.
Die ungewöhnliche Architektur der 7 Kapellen lockt Radwanderer ebenso wie Architektur- und Naturfreunde. Die in jeder Kapelle ausliegenden Besucherbücher verraten größtenteils eine „dankbare und wohlwollende Aufnahme“, berichtet Peter Fassl. In letzter Zeit auch zunehmend ein Bedürfnis nach Transzendenz.
Lektüre. Peter Fassl hat den Reiseführer „Sieben Wegkapellen“ geschrieben, erschienen ist das informative Booklet im Josef Fink Verlag Lindenberg: www.7kapellen.de